Diese Erklärung sollte der Bundestag billigen, wie einst die Beschlüsse des Congresses von Verona, obgleich der Deutsche Bund an den Krakauer Händeln unmittelbar gar nicht betheiligt war. Aber die Zeiten von Troppau und Verona waren vorüber. Mochte Canitz immerhin versichern, die Er- klärung erscheine nöthig, weil "der Deutsche Bund für die Bewahrung des Völkerrechts eine sichere Stätte darbiete"*) -- die deutschen Höfe fühlten doch richtig heraus, wie pharisäisch eine solche Verherrlichung gelobter Treue klang eben in dem Augenblicke, da die Wiener Verträge unzweifelhaft ge- ändert wurden, und alle zitterten für ihr eigenes Dasein. Die bairische Regierung wollte schließlich zustimmen, "da das Wesentliche des Deutschen Bundes vorzugsweise in der Gegenseitigkeit der Vertragsrechte begründet sei," aber sie fügte zugleich den unzweideutigen Wunsch hinzu: "daß eine specielle Billigung dessen, was hinsichtlich des Freistaats Krakau geschehen, ausgeschlossen bleibe, und daß daher die Anerkennung der von Oesterreich und Preußen aufgestellten Grundsätze nur in ihrer Anwendung auf die Verhältnisse des Deutschen Bundes ausgesprochen werde."**) Auch der sächsische Minister Zeschau sagte dem k. k. Gesandten Kuefstein aufrichtig: ich verkenne die Nothwendigkeit des Geschehenen nicht; ich erwarte aber "die gegen Krakau angewendete Maßregel wird gegen keinen anderen Staat angewendet werden, und wäre er auch der kleinste." Darauf betheuerte ihm Metternich heilig "die tiefe Ehrfurcht des Kaisers vor jedem urkund- lich verbrieften Rechte" und sprach die Hoffnung aus, der Deutsche Bund würde "sich mit Oesterreich und Preußen in der lauten Huldigung für die ewigen Grundsätze des Völkerrechts vereinigen" -- leere Worte, die dem ehrlichen Sachsen in solchem Augenblicke wie freche Heuchelei klingen mußten.***)
Canitz selbst schämte sich im Stillen; er sagte traurig: wir können den Zollvereinsregierungen nicht von Vertragstreue sprechen so lange der Wiener Hof das Krakauer Zollwesen ganz nach Willkür handhabt.+) Aus allen deutschen Landen meldeten die Gesandten übereinstimmend, wie schwierig die Stimmung sei; die Conservativen klagten überall noch lauter als die liberalen Polenfreunde, das alte System der unwandelbaren Legi- timität sprach sich ja selbst das Todesurtheil.++) Ganz einverstanden waren von allen Regierungen der Mittelstaaten nur vier: Hannover, die beiden Hessen und der König von Württemberg, der jetzt nur noch an die Be- kämpfung der Revolution dachte.+++) Es bedurfte noch mannichfacher ver-
*) Canitz, Rundschreiben an die deutschen Gesandtschaften, 7. April 1847.
**) Minister v. Maurer, Verbalnote an Bernstorff, 20. April; Weisung an den stellvertretenden Bundesgesandten Blittersdorff, 19. April 1847.
***) Metternich, Weisung an Kuefstein, 26. April 1847.
+) Canitz an Graf Arnim, 12. März 1847.
++) Berichte von Radowitz, Karlsruhe, 10. Dec., von Seckendorff, Hannover, 14. Dec. 1846, von Bernstorff, München, 1. Febr., von Dönhoff, Frankfurt, 24. April 1847.
+++) Thun's Bericht, Stuttgart, 2. Mai 1847.
Der Bundestag und Krakau.
Dieſe Erklärung ſollte der Bundestag billigen, wie einſt die Beſchlüſſe des Congreſſes von Verona, obgleich der Deutſche Bund an den Krakauer Händeln unmittelbar gar nicht betheiligt war. Aber die Zeiten von Troppau und Verona waren vorüber. Mochte Canitz immerhin verſichern, die Er- klärung erſcheine nöthig, weil „der Deutſche Bund für die Bewahrung des Völkerrechts eine ſichere Stätte darbiete“*) — die deutſchen Höfe fühlten doch richtig heraus, wie phariſäiſch eine ſolche Verherrlichung gelobter Treue klang eben in dem Augenblicke, da die Wiener Verträge unzweifelhaft ge- ändert wurden, und alle zitterten für ihr eigenes Daſein. Die bairiſche Regierung wollte ſchließlich zuſtimmen, „da das Weſentliche des Deutſchen Bundes vorzugsweiſe in der Gegenſeitigkeit der Vertragsrechte begründet ſei,“ aber ſie fügte zugleich den unzweideutigen Wunſch hinzu: „daß eine ſpecielle Billigung deſſen, was hinſichtlich des Freiſtaats Krakau geſchehen, ausgeſchloſſen bleibe, und daß daher die Anerkennung der von Oeſterreich und Preußen aufgeſtellten Grundſätze nur in ihrer Anwendung auf die Verhältniſſe des Deutſchen Bundes ausgeſprochen werde.“**) Auch der ſächſiſche Miniſter Zeſchau ſagte dem k. k. Geſandten Kuefſtein aufrichtig: ich verkenne die Nothwendigkeit des Geſchehenen nicht; ich erwarte aber „die gegen Krakau angewendete Maßregel wird gegen keinen anderen Staat angewendet werden, und wäre er auch der kleinſte.“ Darauf betheuerte ihm Metternich heilig „die tiefe Ehrfurcht des Kaiſers vor jedem urkund- lich verbrieften Rechte“ und ſprach die Hoffnung aus, der Deutſche Bund würde „ſich mit Oeſterreich und Preußen in der lauten Huldigung für die ewigen Grundſätze des Völkerrechts vereinigen“ — leere Worte, die dem ehrlichen Sachſen in ſolchem Augenblicke wie freche Heuchelei klingen mußten.***)
Canitz ſelbſt ſchämte ſich im Stillen; er ſagte traurig: wir können den Zollvereinsregierungen nicht von Vertragstreue ſprechen ſo lange der Wiener Hof das Krakauer Zollweſen ganz nach Willkür handhabt.†) Aus allen deutſchen Landen meldeten die Geſandten übereinſtimmend, wie ſchwierig die Stimmung ſei; die Conſervativen klagten überall noch lauter als die liberalen Polenfreunde, das alte Syſtem der unwandelbaren Legi- timität ſprach ſich ja ſelbſt das Todesurtheil.††) Ganz einverſtanden waren von allen Regierungen der Mittelſtaaten nur vier: Hannover, die beiden Heſſen und der König von Württemberg, der jetzt nur noch an die Be- kämpfung der Revolution dachte.†††) Es bedurfte noch mannichfacher ver-
*) Canitz, Rundſchreiben an die deutſchen Geſandtſchaften, 7. April 1847.
**) Miniſter v. Maurer, Verbalnote an Bernſtorff, 20. April; Weiſung an den ſtellvertretenden Bundesgeſandten Blittersdorff, 19. April 1847.
***) Metternich, Weiſung an Kuefſtein, 26. April 1847.
†) Canitz an Graf Arnim, 12. März 1847.
††) Berichte von Radowitz, Karlsruhe, 10. Dec., von Seckendorff, Hannover, 14. Dec. 1846, von Bernſtorff, München, 1. Febr., von Dönhoff, Frankfurt, 24. April 1847.
†††) Thun’s Bericht, Stuttgart, 2. Mai 1847.
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Der Bundestag und Krakau.
Dieſe Erklärung ſollte der Bundestag billigen, wie einſt die Beſchlüſſe
des Congreſſes von Verona, obgleich der Deutſche Bund an den Krakauer
Händeln unmittelbar gar nicht betheiligt war. Aber die Zeiten von Troppau
und Verona waren vorüber. Mochte Canitz immerhin verſichern, die Er-
klärung erſcheine nöthig, weil „der Deutſche Bund für die Bewahrung des
Völkerrechts eine ſichere Stätte darbiete“ *) — die deutſchen Höfe fühlten
doch richtig heraus, wie phariſäiſch eine ſolche Verherrlichung gelobter Treue
klang eben in dem Augenblicke, da die Wiener Verträge unzweifelhaft ge-
ändert wurden, und alle zitterten für ihr eigenes Daſein. Die bairiſche
Regierung wollte ſchließlich zuſtimmen, „da das Weſentliche des Deutſchen
Bundes vorzugsweiſe in der Gegenſeitigkeit der Vertragsrechte begründet
ſei,“ aber ſie fügte zugleich den unzweideutigen Wunſch hinzu: „daß eine
ſpecielle Billigung deſſen, was hinſichtlich des Freiſtaats Krakau geſchehen,
ausgeſchloſſen bleibe, und daß daher die Anerkennung der von Oeſterreich
und Preußen aufgeſtellten Grundſätze nur in ihrer Anwendung auf die
Verhältniſſe des Deutſchen Bundes ausgeſprochen werde.“ **) Auch der
ſächſiſche Miniſter Zeſchau ſagte dem k. k. Geſandten Kuefſtein aufrichtig:
ich verkenne die Nothwendigkeit des Geſchehenen nicht; ich erwarte aber
„die gegen Krakau angewendete Maßregel wird gegen keinen anderen Staat
angewendet werden, und wäre er auch der kleinſte.“ Darauf betheuerte
ihm Metternich heilig „die tiefe Ehrfurcht des Kaiſers vor jedem urkund-
lich verbrieften Rechte“ und ſprach die Hoffnung aus, der Deutſche Bund
würde „ſich mit Oeſterreich und Preußen in der lauten Huldigung für die
ewigen Grundſätze des Völkerrechts vereinigen“ — leere Worte, die dem
ehrlichen Sachſen in ſolchem Augenblicke wie freche Heuchelei klingen
mußten. ***)
Canitz ſelbſt ſchämte ſich im Stillen; er ſagte traurig: wir können
den Zollvereinsregierungen nicht von Vertragstreue ſprechen ſo lange der
Wiener Hof das Krakauer Zollweſen ganz nach Willkür handhabt. †) Aus
allen deutſchen Landen meldeten die Geſandten übereinſtimmend, wie
ſchwierig die Stimmung ſei; die Conſervativen klagten überall noch lauter
als die liberalen Polenfreunde, das alte Syſtem der unwandelbaren Legi-
timität ſprach ſich ja ſelbſt das Todesurtheil. ††) Ganz einverſtanden waren
von allen Regierungen der Mittelſtaaten nur vier: Hannover, die beiden
Heſſen und der König von Württemberg, der jetzt nur noch an die Be-
kämpfung der Revolution dachte. †††) Es bedurfte noch mannichfacher ver-
*) Canitz, Rundſchreiben an die deutſchen Geſandtſchaften, 7. April 1847.
**) Miniſter v. Maurer, Verbalnote an Bernſtorff, 20. April; Weiſung an den
ſtellvertretenden Bundesgeſandten Blittersdorff, 19. April 1847.
***) Metternich, Weiſung an Kuefſtein, 26. April 1847.
†) Canitz an Graf Arnim, 12. März 1847.
††) Berichte von Radowitz, Karlsruhe, 10. Dec., von Seckendorff, Hannover, 14. Dec.
1846, von Bernſtorff, München, 1. Febr., von Dönhoff, Frankfurt, 24. April 1847.
†††) Thun’s Bericht, Stuttgart, 2. Mai 1847.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/573>, abgerufen am 22.11.2024.
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