mich dazu, es ist der Blick auf meinen Sohn! Nach dem unerforschlichen Rathschluß Gottes scheint es bestimmt zu sein, daß die Krone sich in meiner Linie vererben soll! Da ist es denn meine heilige Pflicht, darüber zu wachen, daß der Nachfolger auf dem Throne die Krone mit ungeschmälerten Rechten und mit der Würde und der Macht überkomme, wie ich sie heute vor mir sehe." Indem er abermals um die Befragung aller volljährigen Prinzen bat, schloß er "mit tiefbewegtem Herzen, Gottes gnädigen Beistand wün- schend".*)
Der König aber war mit nichten gesonnen, sein Schiff so dicht vor dem Hafen noch zu wenden. Die vielfach übertriebenen Befürchtungen des Prinzen überzeugten ihn ebenso wenig wie die tiefen und wahren Gedanken, welche die Denkschrift enthielt; er glaubte ja den Bruder weit zu übersehen. Er verweigerte die förmliche Befragung der Agnaten, wie es sein gutes Recht war, und genehmigte endgiltig die Entwürfe nach den Beschlüssen der Commission. Sobald die Entscheidung des Monarchen ge- fallen war, gab der Prinz von Preußen gehorsam seinen Widerspruch auf. Entschlossen blickte er der Zukunft in's Gesicht und sagte in der Commission: "Ein neues Preußen wird sich bilden. Das alte geht mit Publicirung dieses Gesetzes zu Grabe. Möge das neue ebenso erhaben und groß werden, wie es das alte mit Ruhm und Ehre geworden ist!" Um dem Testamentsentwurfe des Vaters und den Bitten des Bruders doch einiger- maßen zu genügen, berief der König dann noch die sämmtlichen groß- jährigen Prinzen seines Hauses um ihnen das Patent, lediglich zur Kennt- nißnahme, mitzutheilen. Alle fügten sich gehorsam.
Am 3. Februar 1847, am Jahrestage des ersten Aufrufs von 1813, ließ Friedrich Wilhelm ein kurzes "Patent" veröffentlichen, das die neuen, zum Ausbau des Staatsschuldengesetzes von 1820 und des Provinzial- ständegesetzes von 1823 beschlossenen "ständischen Einrichtungen" ankün- digte. Der Verordnung vom 22. Mai war absichtlich nicht gedacht, weil der König sie für aufgehoben ansah. Dies Patent unterzeichnete der Monarch allein, denn er suchte auch in der Form "jede Aehnlichkeit mit einem Staatsgrundgesetze zu vermeiden";**) er wollte sogar den Zeitungen verbieten, die Namen: Kammern, Volksvertreter, Pairs für die neuen Institutionen zu gebrauchen. Sein Landtag sollte durchaus etwas Anderes sein als "eine Volksvertretung in dem modernen Wortsinne", und nur mit Mühe erlangten die Minister, daß dies aufregende Verbot unter- blieb.***)
Gleichzeitig mit dem Patente erschienen drei von dem Prinzen von
*) Prinz von Preußen, Denkschrift vom 17. Dec. 1846 mit Nachschrift vom 4. Jan. 1847. S. Beilage 34.
**) Cabinetsordre an das Staatsministerium und die Commission, 7. Nov. 1846.
***) König Friedrich Wilhelm an Thile, 6. März, an Bodelschwingh und Uhden, 13. März; Berichte von Thile, 8. März, von Bodelschwingh und Uhden, 20. März 1847.
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. V. 39
Das Patent.
mich dazu, es iſt der Blick auf meinen Sohn! Nach dem unerforſchlichen Rathſchluß Gottes ſcheint es beſtimmt zu ſein, daß die Krone ſich in meiner Linie vererben ſoll! Da iſt es denn meine heilige Pflicht, darüber zu wachen, daß der Nachfolger auf dem Throne die Krone mit ungeſchmälerten Rechten und mit der Würde und der Macht überkomme, wie ich ſie heute vor mir ſehe.“ Indem er abermals um die Befragung aller volljährigen Prinzen bat, ſchloß er „mit tiefbewegtem Herzen, Gottes gnädigen Beiſtand wün- ſchend“.*)
Der König aber war mit nichten geſonnen, ſein Schiff ſo dicht vor dem Hafen noch zu wenden. Die vielfach übertriebenen Befürchtungen des Prinzen überzeugten ihn ebenſo wenig wie die tiefen und wahren Gedanken, welche die Denkſchrift enthielt; er glaubte ja den Bruder weit zu überſehen. Er verweigerte die förmliche Befragung der Agnaten, wie es ſein gutes Recht war, und genehmigte endgiltig die Entwürfe nach den Beſchlüſſen der Commiſſion. Sobald die Entſcheidung des Monarchen ge- fallen war, gab der Prinz von Preußen gehorſam ſeinen Widerſpruch auf. Entſchloſſen blickte er der Zukunft in’s Geſicht und ſagte in der Commiſſion: „Ein neues Preußen wird ſich bilden. Das alte geht mit Publicirung dieſes Geſetzes zu Grabe. Möge das neue ebenſo erhaben und groß werden, wie es das alte mit Ruhm und Ehre geworden iſt!“ Um dem Teſtamentsentwurfe des Vaters und den Bitten des Bruders doch einiger- maßen zu genügen, berief der König dann noch die ſämmtlichen groß- jährigen Prinzen ſeines Hauſes um ihnen das Patent, lediglich zur Kennt- nißnahme, mitzutheilen. Alle fügten ſich gehorſam.
Am 3. Februar 1847, am Jahrestage des erſten Aufrufs von 1813, ließ Friedrich Wilhelm ein kurzes „Patent“ veröffentlichen, das die neuen, zum Ausbau des Staatsſchuldengeſetzes von 1820 und des Provinzial- ſtändegeſetzes von 1823 beſchloſſenen „ſtändiſchen Einrichtungen“ ankün- digte. Der Verordnung vom 22. Mai war abſichtlich nicht gedacht, weil der König ſie für aufgehoben anſah. Dies Patent unterzeichnete der Monarch allein, denn er ſuchte auch in der Form „jede Aehnlichkeit mit einem Staatsgrundgeſetze zu vermeiden“;**) er wollte ſogar den Zeitungen verbieten, die Namen: Kammern, Volksvertreter, Pairs für die neuen Inſtitutionen zu gebrauchen. Sein Landtag ſollte durchaus etwas Anderes ſein als „eine Volksvertretung in dem modernen Wortſinne“, und nur mit Mühe erlangten die Miniſter, daß dies aufregende Verbot unter- blieb.***)
Gleichzeitig mit dem Patente erſchienen drei von dem Prinzen von
*) Prinz von Preußen, Denkſchrift vom 17. Dec. 1846 mit Nachſchrift vom 4. Jan. 1847. S. Beilage 34.
**) Cabinetsordre an das Staatsminiſterium und die Commiſſion, 7. Nov. 1846.
***) König Friedrich Wilhelm an Thile, 6. März, an Bodelſchwingh und Uhden, 13. März; Berichte von Thile, 8. März, von Bodelſchwingh und Uhden, 20. März 1847.
v. Treitſchke, Deutſche Geſchichte. V. 39
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0623"n="609"/><fwplace="top"type="header">Das Patent.</fw><lb/>
mich dazu, es iſt der Blick auf meinen Sohn! Nach dem unerforſchlichen<lb/>
Rathſchluß Gottes ſcheint es beſtimmt zu ſein, daß die Krone ſich in meiner<lb/>
Linie vererben ſoll! Da iſt es denn meine heilige Pflicht, darüber zu wachen,<lb/>
daß der Nachfolger auf dem Throne die Krone mit ungeſchmälerten Rechten<lb/>
und mit der Würde und der Macht überkomme, wie ich ſie heute vor mir<lb/>ſehe.“ Indem er abermals um die Befragung aller volljährigen Prinzen<lb/>
bat, ſchloß er „mit tiefbewegtem Herzen, Gottes gnädigen Beiſtand wün-<lb/>ſchend“.<noteplace="foot"n="*)">Prinz von Preußen, Denkſchrift vom 17. Dec. 1846 mit Nachſchrift vom 4. Jan.<lb/>
1847. S. Beilage 34.</note></p><lb/><p>Der König aber war mit nichten geſonnen, ſein Schiff ſo dicht vor<lb/>
dem Hafen noch zu wenden. Die vielfach übertriebenen Befürchtungen<lb/>
des Prinzen überzeugten ihn ebenſo wenig wie die tiefen und wahren<lb/>
Gedanken, welche die Denkſchrift enthielt; er glaubte ja den Bruder weit<lb/>
zu überſehen. Er verweigerte die förmliche Befragung der Agnaten, wie<lb/>
es ſein gutes Recht war, und genehmigte endgiltig die Entwürfe nach den<lb/>
Beſchlüſſen der Commiſſion. Sobald die Entſcheidung des Monarchen ge-<lb/>
fallen war, gab der Prinz von Preußen gehorſam ſeinen Widerſpruch auf.<lb/>
Entſchloſſen blickte er der Zukunft in’s Geſicht und ſagte in der Commiſſion:<lb/>„Ein neues Preußen wird ſich bilden. Das alte geht mit Publicirung<lb/>
dieſes Geſetzes zu Grabe. Möge das neue ebenſo erhaben und groß<lb/>
werden, wie es das alte mit Ruhm und Ehre geworden iſt!“ Um dem<lb/>
Teſtamentsentwurfe des Vaters und den Bitten des Bruders doch einiger-<lb/>
maßen zu genügen, berief der König dann noch die ſämmtlichen groß-<lb/>
jährigen Prinzen ſeines Hauſes um ihnen das Patent, lediglich zur Kennt-<lb/>
nißnahme, mitzutheilen. Alle fügten ſich gehorſam.</p><lb/><p>Am 3. Februar 1847, am Jahrestage des erſten Aufrufs von 1813,<lb/>
ließ Friedrich Wilhelm ein kurzes „Patent“ veröffentlichen, das die neuen,<lb/>
zum Ausbau des Staatsſchuldengeſetzes von 1820 und des Provinzial-<lb/>ſtändegeſetzes von 1823 beſchloſſenen „ſtändiſchen Einrichtungen“ ankün-<lb/>
digte. Der Verordnung vom 22. Mai war abſichtlich nicht gedacht, weil<lb/>
der König ſie für aufgehoben anſah. Dies Patent unterzeichnete der<lb/>
Monarch allein, denn er ſuchte auch in der Form „jede Aehnlichkeit mit<lb/>
einem Staatsgrundgeſetze zu vermeiden“;<noteplace="foot"n="**)">Cabinetsordre an das Staatsminiſterium und die Commiſſion, 7. Nov. 1846.</note> er wollte ſogar den Zeitungen<lb/>
verbieten, die Namen: Kammern, Volksvertreter, Pairs für die neuen<lb/>
Inſtitutionen zu gebrauchen. Sein Landtag ſollte durchaus etwas Anderes<lb/>ſein als „eine Volksvertretung in dem modernen Wortſinne“, und nur<lb/>
mit Mühe erlangten die Miniſter, daß dies aufregende Verbot unter-<lb/>
blieb.<noteplace="foot"n="***)">König Friedrich Wilhelm an Thile, 6. März, an Bodelſchwingh und Uhden,<lb/>
13. März; Berichte von Thile, 8. März, von Bodelſchwingh und Uhden, 20. März 1847.</note></p><lb/><p>Gleichzeitig mit dem Patente erſchienen drei von dem Prinzen von<lb/><fwplace="bottom"type="sig">v. <hirendition="#g">Treitſchke</hi>, Deutſche Geſchichte. <hirendition="#aq">V.</hi> 39</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[609/0623]
Das Patent.
mich dazu, es iſt der Blick auf meinen Sohn! Nach dem unerforſchlichen
Rathſchluß Gottes ſcheint es beſtimmt zu ſein, daß die Krone ſich in meiner
Linie vererben ſoll! Da iſt es denn meine heilige Pflicht, darüber zu wachen,
daß der Nachfolger auf dem Throne die Krone mit ungeſchmälerten Rechten
und mit der Würde und der Macht überkomme, wie ich ſie heute vor mir
ſehe.“ Indem er abermals um die Befragung aller volljährigen Prinzen
bat, ſchloß er „mit tiefbewegtem Herzen, Gottes gnädigen Beiſtand wün-
ſchend“. *)
Der König aber war mit nichten geſonnen, ſein Schiff ſo dicht vor
dem Hafen noch zu wenden. Die vielfach übertriebenen Befürchtungen
des Prinzen überzeugten ihn ebenſo wenig wie die tiefen und wahren
Gedanken, welche die Denkſchrift enthielt; er glaubte ja den Bruder weit
zu überſehen. Er verweigerte die förmliche Befragung der Agnaten, wie
es ſein gutes Recht war, und genehmigte endgiltig die Entwürfe nach den
Beſchlüſſen der Commiſſion. Sobald die Entſcheidung des Monarchen ge-
fallen war, gab der Prinz von Preußen gehorſam ſeinen Widerſpruch auf.
Entſchloſſen blickte er der Zukunft in’s Geſicht und ſagte in der Commiſſion:
„Ein neues Preußen wird ſich bilden. Das alte geht mit Publicirung
dieſes Geſetzes zu Grabe. Möge das neue ebenſo erhaben und groß
werden, wie es das alte mit Ruhm und Ehre geworden iſt!“ Um dem
Teſtamentsentwurfe des Vaters und den Bitten des Bruders doch einiger-
maßen zu genügen, berief der König dann noch die ſämmtlichen groß-
jährigen Prinzen ſeines Hauſes um ihnen das Patent, lediglich zur Kennt-
nißnahme, mitzutheilen. Alle fügten ſich gehorſam.
Am 3. Februar 1847, am Jahrestage des erſten Aufrufs von 1813,
ließ Friedrich Wilhelm ein kurzes „Patent“ veröffentlichen, das die neuen,
zum Ausbau des Staatsſchuldengeſetzes von 1820 und des Provinzial-
ſtändegeſetzes von 1823 beſchloſſenen „ſtändiſchen Einrichtungen“ ankün-
digte. Der Verordnung vom 22. Mai war abſichtlich nicht gedacht, weil
der König ſie für aufgehoben anſah. Dies Patent unterzeichnete der
Monarch allein, denn er ſuchte auch in der Form „jede Aehnlichkeit mit
einem Staatsgrundgeſetze zu vermeiden“; **) er wollte ſogar den Zeitungen
verbieten, die Namen: Kammern, Volksvertreter, Pairs für die neuen
Inſtitutionen zu gebrauchen. Sein Landtag ſollte durchaus etwas Anderes
ſein als „eine Volksvertretung in dem modernen Wortſinne“, und nur
mit Mühe erlangten die Miniſter, daß dies aufregende Verbot unter-
blieb. ***)
Gleichzeitig mit dem Patente erſchienen drei von dem Prinzen von
*) Prinz von Preußen, Denkſchrift vom 17. Dec. 1846 mit Nachſchrift vom 4. Jan.
1847. S. Beilage 34.
**) Cabinetsordre an das Staatsminiſterium und die Commiſſion, 7. Nov. 1846.
***) König Friedrich Wilhelm an Thile, 6. März, an Bodelſchwingh und Uhden,
13. März; Berichte von Thile, 8. März, von Bodelſchwingh und Uhden, 20. März 1847.
v. Treitſchke, Deutſche Geſchichte. V. 39
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/623>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.