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Treuer, Gottlieb Samuel: Die Unveränderliche Tugend Des weyland Durchlauchtigsten Fürsten und Herren, Herren Anthon Ulrichs, Hertzoges zu Braunschweig und Lüneburg. Helmstedt, [1714].

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hero waren wir auch erschrecket worden / allein das Verhängniß gab uns Zeit / uns wiederum zu erhohlen. Wir hatten Uhrsach einen neuen Muht zu schöpffen und die Hoffnung allmählich auffzurichten. Hingegen da ein Schlag dem andern folgete / verlohren wir alle Ruhe / und es fiel uns ohnmöglich / sie wiederum zu stande zu bringen. Da es uns bishero an Worten nie mahls gefehlet / so vergieng uns nun alle Lust zu reden / und wir sahen uns nur einander an / wenn eine betrübte Post nach der andern ausgebreitet wurde. Unsre Schmertzen waren zu groß / drum hemmeten sie die entkräfftete Zunge / und vieler Thränen verriehten / was sie zu verlieren fürchteten / aber nicht sagen konnten. Diese meinten / man könnte die Finsternißen der Sonnen nicht deutlicher / als im Wasser / und den Verlust bey dem Tode unvergleichlicher Fürsten nicht besser / als aus denen Thränen derer Unterthanen sehen. Also weineten sie / aber wie Solon, nicht so wol über das herannahende Ende ihres sterbenden Hertzogs / das der Natur unvermeydlich gehörte / als über ihre Thränen / daß sie vergeblich waren. Und das um so vielmehr / weil endlich der letzte Vorbote des Todes kam / und uns die ohne dem traurige Zeit durch die wieder Gewohnheit anhaltende Mattigkeit unsres Höchstgeliebtesten Landes-Vaters zu wahrhafften Marter-Wochen machte: Ich wills kurtz sagen: ER kam aufs Sterbe-Bette.

Ihr / die ihr dieses leset / hemmet den Lauff eurer erregten Wehmuht, und beleydiget nicht die Standhafftigkeit meines im Tode getrosten Fürsten durch die Zaghafftigkeit eurer Thränen. Seine Tugend will zwar bewundert / aber nicht beweinet seyn / und ihr Zustand ist allemal höher gewesen / als daß sie diese Erniedrigung brauchen sollte. Viele waren begierig / denjenigen / den sie als einen so Großen Fürsten gebückt verehret hatten / nun als einen Menschen zu betrachten: aber solches fiel ihnen ohnmöglich; weil ER mitten in allen menschlichen Zufällen wieß / daß ER etwas Größers war / als ein Mensch. Eine Krone mag liegen / wo sie will / sie bleibt eine Krone und ihre Diamanten funcklen auch in der Finsterniß. Unser Großer Hertzog betratt die Gräntzen des Todes / aber unerschrokken / und mitten unter deßen Schrecklichkeiten blitzte der Muht eines Fürsten herfür / der auch im Tode mercken läst / daß ER gewohnt ist zu herrschen. Es ist nicht zu leugnen / wir haben niemahls vor diesem HERREN eine so große Angst gefunden / als wie wir hörten / daß der Kampff des Todes angehen sollte / und IHM niemahls etwas mit mehrerer Sehnsucht gewünschet / als eine glorwürdige Victorie. Denn wir wusten / daß in solchem Fall die größten Helden gebebt / und gekrönte Häupter geseufftzet / daß ein Hiskias gewinselt / ein Vespasianus wehmühtig worden / und die jenigen / welche denen Ungeheuern der Natur gewachsen gewesen / ihr Ende mit Ludovico dem XI. in Franckreich nicht ohne Entsetzen ansehen können. Wir meinten / daß hier mehr / als eine Schwürigkeit zu überwinden: Hier war ein so hohes Alter zu übersteigen: Hier war die Last der Regierung abzulegen: Hier war Hoheit und Glück zu verlassen: Hier war die Welt zu boden zu werffen: Hier hatte der Fürst und der Mensch in einer Persohn wieder Schwachheit / Glück / Welt und Tod zu kämpffen. Bey allen schienen ungeheuere Berge zu seyn / über die kaum ein Jonathan zu kommen fähig ist.

Aber vergib uns / Großer Fürst / vergib uns / daß die Bestürtzung über deinen Zustand uns einen Theil von der Stärcke deiner Tugend

hero waren wir auch erschrecket worden / allein das Verhängniß gab uns Zeit / uns wiederum zu erhohlen. Wir hatten Uhrsach einen neuen Muht zu schöpffen und die Hoffnung allmählich auffzurichten. Hingegen da ein Schlag dem andern folgete / verlohren wir alle Ruhe / und es fiel uns ohnmöglich / sie wiederum zu stande zu bringen. Da es uns bishero an Worten nie mahls gefehlet / so vergieng uns nun alle Lust zu reden / und wir sahen uns nur einander an / wenn eine betrübte Post nach der andern ausgebreitet wurde. Unsre Schmertzen waren zu groß / drum hemmeten sie die entkräfftete Zunge / und vieler Thränen verriehten / was sie zu verlieren fürchteten / aber nicht sagen konnten. Diese meinten / man könnte die Finsternißen der Sonnen nicht deutlicher / als im Wasser / und den Verlust bey dem Tode unvergleichlicher Fürsten nicht besser / als aus denen Thränen derer Unterthanen sehen. Also weineten sie / aber wie Solon, nicht so wol über das herannahende Ende ihres sterbenden Hertzogs / das der Natur unvermeydlich gehörte / als über ihre Thränen / daß sie vergeblich waren. Und das um so vielmehr / weil endlich der letzte Vorbote des Todes kam / und uns die ohne dem traurige Zeit durch die wieder Gewohnheit anhaltende Mattigkeit unsres Höchstgeliebtesten Landes-Vaters zu wahrhafften Marter-Wochen machte: Ich wills kurtz sagen: ER kam aufs Sterbe-Bette.

Ihr / die ihr dieses leset / hemmet den Lauff eurer erregten Wehmuht, und beleydiget nicht die Standhafftigkeit meines im Tode getrosten Fürsten durch die Zaghafftigkeit eurer Thränen. Seine Tugend will zwar bewundert / aber nicht beweinet seyn / und ihr Zustand ist allemal höher gewesen / als daß sie diese Erniedrigung brauchen sollte. Viele waren begierig / denjenigen / den sie als einen so Großen Fürsten gebückt verehret hatten / nun als einen Menschen zu betrachten: aber solches fiel ihnen ohnmöglich; weil ER mitten in allen menschlichen Zufällen wieß / daß ER etwas Größers war / als ein Mensch. Eine Krone mag liegen / wo sie will / sie bleibt eine Krone und ihre Diamanten funcklen auch in der Finsterniß. Unser Großer Hertzog betratt die Gräntzen des Todes / aber unerschrokken / und mitten unter deßen Schrecklichkeiten blitzte der Muht eines Fürsten herfür / der auch im Tode mercken läst / daß ER gewohnt ist zu herrschen. Es ist nicht zu leugnen / wir haben niemahls vor diesem HERREN eine so große Angst gefunden / als wie wir hörten / daß der Kampff des Todes angehen sollte / und IHM niemahls etwas mit mehrerer Sehnsucht gewünschet / als eine glorwürdige Victorie. Denn wir wusten / daß in solchem Fall die größten Helden gebebt / und gekrönte Häupter geseufftzet / daß ein Hiskias gewinselt / ein Vespasianus wehmühtig worden / und die jenigen / welche denen Ungeheuern der Natur gewachsen gewesen / ihr Ende mit Ludovico dem XI. in Franckreich nicht ohne Entsetzen ansehen können. Wir meinten / daß hier mehr / als eine Schwürigkeit zu überwinden: Hier war ein so hohes Alter zu übersteigen: Hier war die Last der Regierung abzulegen: Hier war Hoheit und Glück zu verlassen: Hier war die Welt zu boden zu werffen: Hier hatte der Fürst und der Mensch in einer Persohn wieder Schwachheit / Glück / Welt und Tod zu kämpffen. Bey allen schienen ungeheuere Berge zu seyn / über die kaum ein Jonathan zu kommen fähig ist.

Aber vergib uns / Großer Fürst / vergib uns / daß die Bestürtzung über deinen Zustand uns einen Theil von der Stärcke deiner Tugend

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                     Hoffnung allmählich auffzurichten. Hingegen da ein Schlag dem andern folgete /
                     verlohren wir alle Ruhe / und es fiel uns ohnmöglich / sie wiederum zu stande zu
                     bringen. Da es uns bishero an Worten nie mahls gefehlet / so vergieng uns nun
                     alle Lust zu reden / und wir sahen uns nur einander an / wenn eine betrübte Post
                     nach der andern ausgebreitet wurde. Unsre Schmertzen waren zu groß / drum
                     hemmeten sie die entkräfftete Zunge / und vieler Thränen verriehten / was sie zu
                     verlieren fürchteten / aber nicht sagen konnten. Diese meinten / man könnte die
                     Finsternißen der Sonnen nicht deutlicher / als im Wasser / und den Verlust bey
                     dem Tode unvergleichlicher Fürsten nicht besser / als aus denen Thränen derer
                     Unterthanen sehen. Also weineten sie / aber wie Solon, nicht so wol über das
                     herannahende Ende ihres sterbenden Hertzogs / das der Natur unvermeydlich
                     gehörte / als über ihre Thränen / daß sie vergeblich waren. Und das um so
                     vielmehr / weil endlich der letzte Vorbote des Todes kam / und uns die ohne dem
                     traurige Zeit durch die wieder Gewohnheit anhaltende Mattigkeit unsres
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                     beleydiget nicht die Standhafftigkeit meines im Tode getrosten Fürsten durch die
                     Zaghafftigkeit eurer Thränen. Seine Tugend will zwar bewundert / aber nicht
                     beweinet seyn / und ihr Zustand ist allemal höher gewesen / als daß sie diese
                     Erniedrigung brauchen sollte. Viele waren begierig / denjenigen / den sie als
                     einen so Großen Fürsten gebückt verehret hatten / nun als einen Menschen zu
                     betrachten: aber solches fiel ihnen ohnmöglich; weil ER mitten in allen
                     menschlichen Zufällen wieß / daß ER etwas Größers war / als ein Mensch. Eine
                     Krone mag liegen / wo sie will / sie bleibt eine Krone und ihre Diamanten
                     funcklen auch in der Finsterniß. Unser Großer Hertzog betratt die Gräntzen des
                     Todes / aber unerschrokken / und mitten unter deßen Schrecklichkeiten blitzte
                     der Muht eines Fürsten herfür / der auch im Tode mercken läst / daß ER gewohnt
                     ist zu herrschen. Es ist nicht zu leugnen / wir haben niemahls vor diesem HERREN
                     eine so große Angst gefunden / als wie wir hörten / daß der Kampff des Todes
                     angehen sollte / und IHM niemahls etwas mit mehrerer Sehnsucht gewünschet / als
                     eine glorwürdige Victorie. Denn wir wusten / daß in solchem Fall die größten
                     Helden gebebt / und gekrönte Häupter geseufftzet / daß ein Hiskias gewinselt /
                     ein Vespasianus wehmühtig worden / und die jenigen / welche denen Ungeheuern der
                     Natur gewachsen gewesen / ihr Ende mit Ludovico dem XI. in Franckreich nicht
                     ohne Entsetzen ansehen können. Wir meinten / daß hier mehr / als eine
                     Schwürigkeit zu überwinden: Hier war ein so hohes Alter zu übersteigen: Hier war
                     die Last der Regierung abzulegen: Hier war Hoheit und Glück zu verlassen: Hier
                     war die Welt zu boden zu werffen: Hier hatte der Fürst und der Mensch in einer
                     Persohn wieder Schwachheit / Glück / Welt und Tod zu kämpffen. Bey allen
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[10/0010] hero waren wir auch erschrecket worden / allein das Verhängniß gab uns Zeit / uns wiederum zu erhohlen. Wir hatten Uhrsach einen neuen Muht zu schöpffen und die Hoffnung allmählich auffzurichten. Hingegen da ein Schlag dem andern folgete / verlohren wir alle Ruhe / und es fiel uns ohnmöglich / sie wiederum zu stande zu bringen. Da es uns bishero an Worten nie mahls gefehlet / so vergieng uns nun alle Lust zu reden / und wir sahen uns nur einander an / wenn eine betrübte Post nach der andern ausgebreitet wurde. Unsre Schmertzen waren zu groß / drum hemmeten sie die entkräfftete Zunge / und vieler Thränen verriehten / was sie zu verlieren fürchteten / aber nicht sagen konnten. Diese meinten / man könnte die Finsternißen der Sonnen nicht deutlicher / als im Wasser / und den Verlust bey dem Tode unvergleichlicher Fürsten nicht besser / als aus denen Thränen derer Unterthanen sehen. Also weineten sie / aber wie Solon, nicht so wol über das herannahende Ende ihres sterbenden Hertzogs / das der Natur unvermeydlich gehörte / als über ihre Thränen / daß sie vergeblich waren. Und das um so vielmehr / weil endlich der letzte Vorbote des Todes kam / und uns die ohne dem traurige Zeit durch die wieder Gewohnheit anhaltende Mattigkeit unsres Höchstgeliebtesten Landes-Vaters zu wahrhafften Marter-Wochen machte: Ich wills kurtz sagen: ER kam aufs Sterbe-Bette. Ihr / die ihr dieses leset / hemmet den Lauff eurer erregten Wehmuht, und beleydiget nicht die Standhafftigkeit meines im Tode getrosten Fürsten durch die Zaghafftigkeit eurer Thränen. Seine Tugend will zwar bewundert / aber nicht beweinet seyn / und ihr Zustand ist allemal höher gewesen / als daß sie diese Erniedrigung brauchen sollte. Viele waren begierig / denjenigen / den sie als einen so Großen Fürsten gebückt verehret hatten / nun als einen Menschen zu betrachten: aber solches fiel ihnen ohnmöglich; weil ER mitten in allen menschlichen Zufällen wieß / daß ER etwas Größers war / als ein Mensch. Eine Krone mag liegen / wo sie will / sie bleibt eine Krone und ihre Diamanten funcklen auch in der Finsterniß. Unser Großer Hertzog betratt die Gräntzen des Todes / aber unerschrokken / und mitten unter deßen Schrecklichkeiten blitzte der Muht eines Fürsten herfür / der auch im Tode mercken läst / daß ER gewohnt ist zu herrschen. Es ist nicht zu leugnen / wir haben niemahls vor diesem HERREN eine so große Angst gefunden / als wie wir hörten / daß der Kampff des Todes angehen sollte / und IHM niemahls etwas mit mehrerer Sehnsucht gewünschet / als eine glorwürdige Victorie. Denn wir wusten / daß in solchem Fall die größten Helden gebebt / und gekrönte Häupter geseufftzet / daß ein Hiskias gewinselt / ein Vespasianus wehmühtig worden / und die jenigen / welche denen Ungeheuern der Natur gewachsen gewesen / ihr Ende mit Ludovico dem XI. in Franckreich nicht ohne Entsetzen ansehen können. Wir meinten / daß hier mehr / als eine Schwürigkeit zu überwinden: Hier war ein so hohes Alter zu übersteigen: Hier war die Last der Regierung abzulegen: Hier war Hoheit und Glück zu verlassen: Hier war die Welt zu boden zu werffen: Hier hatte der Fürst und der Mensch in einer Persohn wieder Schwachheit / Glück / Welt und Tod zu kämpffen. Bey allen schienen ungeheuere Berge zu seyn / über die kaum ein Jonathan zu kommen fähig ist. Aber vergib uns / Großer Fürst / vergib uns / daß die Bestürtzung über deinen Zustand uns einen Theil von der Stärcke deiner Tugend

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Zitationshilfe: Treuer, Gottlieb Samuel: Die Unveränderliche Tugend Des weyland Durchlauchtigsten Fürsten und Herren, Herren Anthon Ulrichs, Hertzoges zu Braunschweig und Lüneburg. Helmstedt, [1714], S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treuer_tugend_1714/10>, abgerufen am 23.11.2024.