Natur von Jugend auf gewöhnt, jene Erscheinungen aus den Gesetzen der erstern, wenn auch nicht er- klären, doch erklären zu können hoffen, oder auf Seiten dessen, der aus der letztern in die erstere ver- setzt, in jenen Phänomenen noch einen schwachen Widerschein des Lebens findet? Wer unbefangen diese Frage erwägt, wird schwerlich sich zum Schiedsrichter in derselben aufwerfen; er wird ein- gestehen, dass wir noch nicht im Stande sind, eine Gränze zwischen der lebenden und leblosen Natur festzusetzen.
Wenn wir also in diesem Buche eine Classifi- kation der lebenden Organismen nach der Verschie- denheit ihrer Organisation zu liefern versprechen, so halten wir darum jene Gränze doch keinesweges schon für bestimmt, sondern verstehen unter le- benden Organismen nur diejenigen Körper, deren Vitalität keinen Zweifeln unterworfen ist. Eine nähere Erörterung der Frage, wo die leblose Natur aufhört und die lebende anfängt? wird sich erst am Ende unserer Untersuchungen anstellen lassen.
Alle Zweifel über die Vitalität eines Körpers hören aber auf, sobald wir jene Merkmale bey ihm antreffen, die wir im zweyten Capitel der Einlei- tung als nothwendige Begleiter alles Lebens abgelei- tet haben, sobald er also eine eigene Mischung und Struktur hat, sobald er eine Periode der Jugend
und
Natur von Jugend auf gewöhnt, jene Erscheinungen aus den Gesetzen der erstern, wenn auch nicht er- klären, doch erklären zu können hoffen, oder auf Seiten dessen, der aus der letztern in die erstere ver- setzt, in jenen Phänomenen noch einen schwachen Widerschein des Lebens findet? Wer unbefangen diese Frage erwägt, wird schwerlich sich zum Schiedsrichter in derselben aufwerfen; er wird ein- gestehen, daſs wir noch nicht im Stande sind, eine Gränze zwischen der lebenden und leblosen Natur festzusetzen.
Wenn wir also in diesem Buche eine Classifi- kation der lebenden Organismen nach der Verschie- denheit ihrer Organisation zu liefern versprechen, so halten wir darum jene Gränze doch keinesweges schon für bestimmt, sondern verstehen unter le- benden Organismen nur diejenigen Körper, deren Vitalität keinen Zweifeln unterworfen ist. Eine nähere Erörterung der Frage, wo die leblose Natur aufhört und die lebende anfängt? wird sich erst am Ende unserer Untersuchungen anstellen lassen.
Alle Zweifel über die Vitalität eines Körpers hören aber auf, sobald wir jene Merkmale bey ihm antreffen, die wir im zweyten Capitel der Einlei- tung als nothwendige Begleiter alles Lebens abgelei- tet haben, sobald er also eine eigene Mischung und Struktur hat, sobald er eine Periode der Jugend
und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0177"n="157"/>
Natur von Jugend auf gewöhnt, jene Erscheinungen<lb/>
aus den Gesetzen der erstern, wenn auch nicht er-<lb/>
klären, doch erklären zu können hoffen, oder auf<lb/>
Seiten dessen, der aus der letztern in die erstere ver-<lb/>
setzt, in jenen Phänomenen noch einen schwachen<lb/>
Widerschein des Lebens findet? Wer unbefangen<lb/>
diese Frage erwägt, wird schwerlich sich zum<lb/>
Schiedsrichter in derselben aufwerfen; er wird ein-<lb/>
gestehen, daſs wir noch nicht im Stande sind, eine<lb/>
Gränze zwischen der lebenden und leblosen Natur<lb/>
festzusetzen.</p><lb/><p>Wenn wir also in diesem Buche eine Classifi-<lb/>
kation der lebenden Organismen nach der Verschie-<lb/>
denheit ihrer Organisation zu liefern versprechen,<lb/>
so halten wir darum jene Gränze doch keinesweges<lb/>
schon für bestimmt, sondern verstehen unter <hirendition="#g">le-<lb/>
benden Organismen</hi> nur diejenigen Körper,<lb/>
deren Vitalität keinen Zweifeln unterworfen ist.<lb/>
Eine nähere Erörterung der Frage, wo die leblose<lb/>
Natur aufhört und die lebende anfängt? wird sich<lb/>
erst am Ende unserer Untersuchungen anstellen<lb/>
lassen.</p><lb/><p>Alle Zweifel über die Vitalität eines Körpers<lb/>
hören aber auf, sobald wir jene Merkmale bey ihm<lb/>
antreffen, die wir im zweyten Capitel der Einlei-<lb/>
tung als nothwendige Begleiter alles Lebens abgelei-<lb/>
tet haben, sobald er also eine eigene Mischung und<lb/>
Struktur hat, sobald er eine Periode der Jugend<lb/><fwplace="bottom"type="catch">und</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[157/0177]
Natur von Jugend auf gewöhnt, jene Erscheinungen
aus den Gesetzen der erstern, wenn auch nicht er-
klären, doch erklären zu können hoffen, oder auf
Seiten dessen, der aus der letztern in die erstere ver-
setzt, in jenen Phänomenen noch einen schwachen
Widerschein des Lebens findet? Wer unbefangen
diese Frage erwägt, wird schwerlich sich zum
Schiedsrichter in derselben aufwerfen; er wird ein-
gestehen, daſs wir noch nicht im Stande sind, eine
Gränze zwischen der lebenden und leblosen Natur
festzusetzen.
Wenn wir also in diesem Buche eine Classifi-
kation der lebenden Organismen nach der Verschie-
denheit ihrer Organisation zu liefern versprechen,
so halten wir darum jene Gränze doch keinesweges
schon für bestimmt, sondern verstehen unter le-
benden Organismen nur diejenigen Körper,
deren Vitalität keinen Zweifeln unterworfen ist.
Eine nähere Erörterung der Frage, wo die leblose
Natur aufhört und die lebende anfängt? wird sich
erst am Ende unserer Untersuchungen anstellen
lassen.
Alle Zweifel über die Vitalität eines Körpers
hören aber auf, sobald wir jene Merkmale bey ihm
antreffen, die wir im zweyten Capitel der Einlei-
tung als nothwendige Begleiter alles Lebens abgelei-
tet haben, sobald er also eine eigene Mischung und
Struktur hat, sobald er eine Periode der Jugend
und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/177>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.