Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

einer Bewegung eine bewegende Kraft. Folglich
erfüllt die Materie ihren Raum durch eine bewegen-
de (repulsive) Kraft.

Alle Theile der Materie müssen diese repul-
sive Kraft besitzen, weil sonst der Raum der er-
stern nicht ganz erfüllt seyn würde. Alle Theile
der Materie müssen also einander fliehen, und
unaufhörlich bemüht seyn, den Raum, den sie
erfüllen, bis ins Unendliche zu erweitern. Folg-
lich würde die Materie durch ihre repulsiven Kräf-
te allein sich ins Unendliche zerstreuen, und in
keinem anzugebenden Raume würde eine anzuge-
bende Quantität Materie anzutreffen seyn. Mithin
ist ein zweytes Erforderniss zur Möglichkeit der
Materie eine der repulsiven Kraft entgegenwirkende
zusammendrückende, oder attraktive
Kraft.

Diese von Kant (k) zuerst aufgestellten Schlüs-
se sind Anwendungen der reinen Verstandesbegriffe
auf den Erfahrungsbegriff von der Undurchdringlich-
keit der Materie. Nun aber kennen wir keine Mate-
rie anders, als in Verbindung mit andern Materien.
Wir dürfen daher bey jenen Schlüssen die Materie
nicht als isolirt, sondern nur als einen Theil der gan-
zen Sinnenwelt betrachten. Hierdurch aber wird die
Annahme zweyer verschiedener Grundkräfte, der

Regel
(k) Metaphysische Anfangsgründe der Naturlehre. S. 31
u. 52.

einer Bewegung eine bewegende Kraft. Folglich
erfüllt die Materie ihren Raum durch eine bewegen-
de (repulsive) Kraft.

Alle Theile der Materie müssen diese repul-
sive Kraft besitzen, weil sonst der Raum der er-
stern nicht ganz erfüllt seyn würde. Alle Theile
der Materie müssen also einander fliehen, und
unaufhörlich bemüht seyn, den Raum, den sie
erfüllen, bis ins Unendliche zu erweitern. Folg-
lich würde die Materie durch ihre repulsiven Kräf-
te allein sich ins Unendliche zerstreuen, und in
keinem anzugebenden Raume würde eine anzuge-
bende Quantität Materie anzutreffen seyn. Mithin
ist ein zweytes Erforderniſs zur Möglichkeit der
Materie eine der repulsiven Kraft entgegenwirkende
zusammendrückende, oder attraktive
Kraft.

Diese von Kant (k) zuerst aufgestellten Schlüs-
se sind Anwendungen der reinen Verstandesbegriffe
auf den Erfahrungsbegriff von der Undurchdringlich-
keit der Materie. Nun aber kennen wir keine Mate-
rie anders, als in Verbindung mit andern Materien.
Wir dürfen daher bey jenen Schlüssen die Materie
nicht als isolirt, sondern nur als einen Theil der gan-
zen Sinnenwelt betrachten. Hierdurch aber wird die
Annahme zweyer verschiedener Grundkräfte, der

Regel
(k) Metaphysische Anfangsgründe der Naturlehre. S. 31
u. 52.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0046" n="26"/>
einer Bewegung eine bewegende Kraft. Folglich<lb/>
erfüllt die Materie ihren Raum durch eine bewegen-<lb/>
de (<hi rendition="#g">repulsive</hi>) Kraft.</p><lb/>
          <p>Alle Theile der Materie müssen diese repul-<lb/>
sive Kraft besitzen, weil sonst der Raum der er-<lb/>
stern nicht ganz erfüllt seyn würde. Alle Theile<lb/>
der Materie müssen also einander fliehen, und<lb/>
unaufhörlich bemüht seyn, den Raum, den sie<lb/>
erfüllen, bis ins Unendliche zu erweitern. Folg-<lb/>
lich würde die Materie durch ihre repulsiven Kräf-<lb/>
te allein sich ins Unendliche zerstreuen, und in<lb/>
keinem anzugebenden Raume würde eine anzuge-<lb/>
bende Quantität Materie anzutreffen seyn. Mithin<lb/>
ist ein zweytes Erforderni&#x017F;s zur Möglichkeit der<lb/>
Materie eine der repulsiven Kraft entgegenwirkende<lb/><hi rendition="#g">zusammendrückende</hi>, oder <hi rendition="#g">attraktive</hi><lb/>
Kraft.</p><lb/>
          <p>Diese von <hi rendition="#k">Kant</hi> <note place="foot" n="(k)">Metaphysische Anfangsgründe der Naturlehre. S. 31<lb/>
u. 52.</note> zuerst aufgestellten Schlüs-<lb/>
se sind Anwendungen der reinen Verstandesbegriffe<lb/>
auf den Erfahrungsbegriff von der Undurchdringlich-<lb/>
keit der Materie. Nun aber kennen wir keine Mate-<lb/>
rie anders, als in Verbindung mit andern Materien.<lb/>
Wir dürfen daher bey jenen Schlüssen die Materie<lb/>
nicht als isolirt, sondern nur als einen Theil der gan-<lb/>
zen Sinnenwelt betrachten. Hierdurch aber wird die<lb/>
Annahme zweyer verschiedener Grundkräfte, der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Regel</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0046] einer Bewegung eine bewegende Kraft. Folglich erfüllt die Materie ihren Raum durch eine bewegen- de (repulsive) Kraft. Alle Theile der Materie müssen diese repul- sive Kraft besitzen, weil sonst der Raum der er- stern nicht ganz erfüllt seyn würde. Alle Theile der Materie müssen also einander fliehen, und unaufhörlich bemüht seyn, den Raum, den sie erfüllen, bis ins Unendliche zu erweitern. Folg- lich würde die Materie durch ihre repulsiven Kräf- te allein sich ins Unendliche zerstreuen, und in keinem anzugebenden Raume würde eine anzuge- bende Quantität Materie anzutreffen seyn. Mithin ist ein zweytes Erforderniſs zur Möglichkeit der Materie eine der repulsiven Kraft entgegenwirkende zusammendrückende, oder attraktive Kraft. Diese von Kant (k) zuerst aufgestellten Schlüs- se sind Anwendungen der reinen Verstandesbegriffe auf den Erfahrungsbegriff von der Undurchdringlich- keit der Materie. Nun aber kennen wir keine Mate- rie anders, als in Verbindung mit andern Materien. Wir dürfen daher bey jenen Schlüssen die Materie nicht als isolirt, sondern nur als einen Theil der gan- zen Sinnenwelt betrachten. Hierdurch aber wird die Annahme zweyer verschiedener Grundkräfte, der Regel (k) Metaphysische Anfangsgründe der Naturlehre. S. 31 u. 52.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/46
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/46>, abgerufen am 21.11.2024.