Sömmerring sprach bekanntlich zuerst das wich- tige Gesetz aus, dass dieses Uebergewicht des Ge- hirns am grössten beym Menschen und nächst dem- selben bey denjenigen Säugthieren ist, welche ihm an geistigen Fähigkeiten zunächst verwandt sind. Dieses Gesetz hat sich bis jetzt bey allen Thie- ren der höhern Classen im Allgemeinen bestätigt. Bey den Mollusken und Insekten finde ich eben- falls, dass das Gehirn in Vergleichung mit den Ganglien des Bauchstrangs desto kleiner ist und einen desto einförmigern Bau hat, je unentwickel- ter die Sinne und die Kunsttriebe jener Thiere sind. Das Zuckerthier (Lepisma saccharinum), die Skolopendern und mehrere andere, ungeflü- gelte Insekten, die in Hinsicht auf die letztern eine niedrige Stufe einnehmen, haben ein sehr wenig ausgebildetes Gehirn. Beym Zuckerthier ist dasselbe nicht bedeutend grösser als jeder der drey vordersten und der hinterste Rückenmarksknoten, und auch in der Gestalt von diesem Knoten we- nig verschieden f). Hingegen bey den Hymenop- teren, unter welchen sich so kunstreiche Geschöpfe finden, besteht dasselbe aus mehrern bedeutenden und sehr genau unter sich verbundenen Anschwel- lungen. Das Gehirn der Bienen hat nicht nur besondere Anschwellungen für die Nerven der zu- sammengesetzten Augen, sondern auch für jedes
der
f) Vermischte Schriften, von G. R. u. L. C. Trevira- nus. B. 2. H. 1. Tab. IV. Fig. 3.
Sömmerring sprach bekanntlich zuerst das wich- tige Gesetz aus, daſs dieses Uebergewicht des Ge- hirns am gröſsten beym Menschen und nächst dem- selben bey denjenigen Säugthieren ist, welche ihm an geistigen Fähigkeiten zunächst verwandt sind. Dieses Gesetz hat sich bis jetzt bey allen Thie- ren der höhern Classen im Allgemeinen bestätigt. Bey den Mollusken und Insekten finde ich eben- falls, daſs das Gehirn in Vergleichung mit den Ganglien des Bauchstrangs desto kleiner ist und einen desto einförmigern Bau hat, je unentwickel- ter die Sinne und die Kunsttriebe jener Thiere sind. Das Zuckerthier (Lepisma saccharinum), die Skolopendern und mehrere andere, ungeflü- gelte Insekten, die in Hinsicht auf die letztern eine niedrige Stufe einnehmen, haben ein sehr wenig ausgebildetes Gehirn. Beym Zuckerthier ist dasselbe nicht bedeutend gröſser als jeder der drey vordersten und der hinterste Rückenmarksknoten, und auch in der Gestalt von diesem Knoten we- nig verschieden f). Hingegen bey den Hymenop- teren, unter welchen sich so kunstreiche Geschöpfe finden, besteht dasselbe aus mehrern bedeutenden und sehr genau unter sich verbundenen Anschwel- lungen. Das Gehirn der Bienen hat nicht nur besondere Anschwellungen für die Nerven der zu- sammengesetzten Augen, sondern auch für jedes
der
f) Vermischte Schriften, von G. R. u. L. C. Trevira- nus. B. 2. H. 1. Tab. IV. Fig. 3.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0348"n="336"/><p><hirendition="#k">Sömmerring</hi> sprach bekanntlich zuerst das wich-<lb/>
tige Gesetz aus, daſs dieses Uebergewicht des Ge-<lb/>
hirns am gröſsten beym Menschen und nächst dem-<lb/>
selben bey denjenigen Säugthieren ist, welche ihm<lb/>
an geistigen Fähigkeiten zunächst verwandt sind.<lb/>
Dieses Gesetz hat sich bis jetzt bey allen Thie-<lb/>
ren der höhern Classen im Allgemeinen bestätigt.<lb/>
Bey den Mollusken und Insekten finde ich eben-<lb/>
falls, daſs das Gehirn in Vergleichung mit den<lb/>
Ganglien des Bauchstrangs desto kleiner ist und<lb/>
einen desto einförmigern Bau hat, je unentwickel-<lb/>
ter die Sinne und die Kunsttriebe jener Thiere<lb/>
sind. Das Zuckerthier (Lepisma saccharinum),<lb/>
die Skolopendern und mehrere andere, ungeflü-<lb/>
gelte Insekten, die in Hinsicht auf die letztern<lb/>
eine niedrige Stufe einnehmen, haben ein sehr<lb/>
wenig ausgebildetes Gehirn. Beym Zuckerthier ist<lb/>
dasselbe nicht bedeutend gröſser als jeder der drey<lb/>
vordersten und der hinterste Rückenmarksknoten,<lb/>
und auch in der Gestalt von diesem Knoten we-<lb/>
nig verschieden <noteplace="foot"n="f)">Vermischte Schriften, von G. R. u. L. C. <hirendition="#k">Trevira-<lb/>
nus</hi>. B. 2. H. 1. Tab. IV. Fig. 3.</note>. Hingegen bey den Hymenop-<lb/>
teren, unter welchen sich so kunstreiche Geschöpfe<lb/>
finden, besteht dasselbe aus mehrern bedeutenden<lb/>
und sehr genau unter sich verbundenen Anschwel-<lb/>
lungen. Das Gehirn der Bienen hat nicht nur<lb/>
besondere Anschwellungen für die Nerven der zu-<lb/>
sammengesetzten Augen, sondern auch für jedes<lb/><fwplace="bottom"type="catch">der</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[336/0348]
Sömmerring sprach bekanntlich zuerst das wich-
tige Gesetz aus, daſs dieses Uebergewicht des Ge-
hirns am gröſsten beym Menschen und nächst dem-
selben bey denjenigen Säugthieren ist, welche ihm
an geistigen Fähigkeiten zunächst verwandt sind.
Dieses Gesetz hat sich bis jetzt bey allen Thie-
ren der höhern Classen im Allgemeinen bestätigt.
Bey den Mollusken und Insekten finde ich eben-
falls, daſs das Gehirn in Vergleichung mit den
Ganglien des Bauchstrangs desto kleiner ist und
einen desto einförmigern Bau hat, je unentwickel-
ter die Sinne und die Kunsttriebe jener Thiere
sind. Das Zuckerthier (Lepisma saccharinum),
die Skolopendern und mehrere andere, ungeflü-
gelte Insekten, die in Hinsicht auf die letztern
eine niedrige Stufe einnehmen, haben ein sehr
wenig ausgebildetes Gehirn. Beym Zuckerthier ist
dasselbe nicht bedeutend gröſser als jeder der drey
vordersten und der hinterste Rückenmarksknoten,
und auch in der Gestalt von diesem Knoten we-
nig verschieden f). Hingegen bey den Hymenop-
teren, unter welchen sich so kunstreiche Geschöpfe
finden, besteht dasselbe aus mehrern bedeutenden
und sehr genau unter sich verbundenen Anschwel-
lungen. Das Gehirn der Bienen hat nicht nur
besondere Anschwellungen für die Nerven der zu-
sammengesetzten Augen, sondern auch für jedes
der
f) Vermischte Schriften, von G. R. u. L. C. Trevira-
nus. B. 2. H. 1. Tab. IV. Fig. 3.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818/348>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.