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[N. N.]: Der vollkommene rechtschaffene Welt-Mann. Frankfurt (Main), 1680.

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Welt-Mann.
Sätze: Daß die Kinder nothwendig die
jenigen Personen ehren müssen/ von denen
sie das Leben empfangen; daß eben diese
Personen sorgen müssen vor die Aufferzie-
hung ihrer Kinder/ und daß die Untertha-
nen ihren Obern gehorchen. Wahr ists/
daß alle Nationen einerley Meinung nicht
auff einerley Art zu Wercke gerichtet ha-
ben. Die Scythen/ wie gesaget/ bezeigeten
ihren Vättern die Kindliche Schuldigkei-
ten mit solchen Thaten/ so die Griechen
und Römer mit Todtes-Straffe belegten.
Zu Sparta zog man die Kinder weit an-
ders auff/ als zu Persepolis. Und betref-
fende den Gehorsam der Unterthanen ge-
gen ihre Obern/ so ist derselbe weiter oder
enger gespannet/ wornach die Herrschaff-
ten/ und die Grund-Gesetze/ so man dar-
bey beobachtet/ unterschiedlich sind. An
statt daß wir also uns bemühen solten/ die
Tugend insgemein zubeschreiben/ wollen
wir derselben unterschiedliche Arten durch-
suchen/ und sie als absonderliche Tugenden
betrachten/ welche in einem Mittel-Weg be-
stehen/ davon die zu beyden Seiten ablauf-
fenden die Laster machen.

Von
A 6

Welt-Mann.
Saͤtze: Daß die Kinder nothwendig die
jenigen Perſonen ehren muͤſſen/ von denen
ſie das Leben empfangen; daß eben dieſe
Perſonen ſorgen muͤſſen vor die Aufferzie-
hung ihrer Kinder/ und daß die Untertha-
nen ihren Obern gehorchen. Wahr iſts/
daß alle Nationen einerley Meinung nicht
auff einerley Art zu Wercke gerichtet ha-
ben. Die Scythen/ wie geſaget/ bezeigeten
ihren Vaͤttern die Kindliche Schuldigkei-
ten mit ſolchen Thaten/ ſo die Griechen
und Roͤmer mit Todtes-Straffe belegten.
Zu Sparta zog man die Kinder weit an-
ders auff/ als zu Perſepolis. Und betref-
fende den Gehorſam der Unterthanen ge-
gen ihre Obern/ ſo iſt derſelbe weiter oder
enger geſpannet/ wornach die Herrſchaff-
ten/ und die Grund-Geſetze/ ſo man dar-
bey beobachtet/ unterſchiedlich ſind. An
ſtatt daß wir alſo uns bemuͤhen ſolten/ die
Tugend insgemein zubeſchreiben/ wollen
wir derſelben unterſchiedliche Arten durch-
ſuchen/ und ſie als abſonderliche Tugenden
betrachten/ welche in einem Mittel-Weg be-
ſtehen/ davon die zu beyden Seiten ablauf-
fenden die Laſter machen.

Von
A 6
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[11/0027] Welt-Mann. Saͤtze: Daß die Kinder nothwendig die jenigen Perſonen ehren muͤſſen/ von denen ſie das Leben empfangen; daß eben dieſe Perſonen ſorgen muͤſſen vor die Aufferzie- hung ihrer Kinder/ und daß die Untertha- nen ihren Obern gehorchen. Wahr iſts/ daß alle Nationen einerley Meinung nicht auff einerley Art zu Wercke gerichtet ha- ben. Die Scythen/ wie geſaget/ bezeigeten ihren Vaͤttern die Kindliche Schuldigkei- ten mit ſolchen Thaten/ ſo die Griechen und Roͤmer mit Todtes-Straffe belegten. Zu Sparta zog man die Kinder weit an- ders auff/ als zu Perſepolis. Und betref- fende den Gehorſam der Unterthanen ge- gen ihre Obern/ ſo iſt derſelbe weiter oder enger geſpannet/ wornach die Herrſchaff- ten/ und die Grund-Geſetze/ ſo man dar- bey beobachtet/ unterſchiedlich ſind. An ſtatt daß wir alſo uns bemuͤhen ſolten/ die Tugend insgemein zubeſchreiben/ wollen wir derſelben unterſchiedliche Arten durch- ſuchen/ und ſie als abſonderliche Tugenden betrachten/ welche in einem Mittel-Weg be- ſtehen/ davon die zu beyden Seiten ablauf- fenden die Laſter machen. Von A 6

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Zitationshilfe: [N. N.]: Der vollkommene rechtschaffene Welt-Mann. Frankfurt (Main), 1680, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unbekannt_weltmann_1680/27>, abgerufen am 28.04.2024.