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[N. N.]: Der vollkommene rechtschaffene Welt-Mann. Frankfurt (Main), 1680.

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Welt-Mann.
ist/ und zwar eine solche Tugend/ die allen
andern soll vorgehen. Ein grosser Welt-
weiser sagt/ daß sie sey eine Fertigkeit/ ver-
mittelst der Vernunfft das Gute von dem
Bösen zu unterscheiden/ umb wohl zuleben.
Das Wort Fertigkeit gibt uns zuver-
stehen/ daß die Klugheit uns nicht eben so
natürlich zukombt/ sondern daß man sie
durch die Welt-Geschäffte/ welche sich alle
Augenblick verstellen nach Unterschied der
Umbstände/ sich zuwege bringen könne.
Das ist wahr/ daß ein von Natur heiterer
und scharffsinniger Geist sich besser zur
Klugheit schickt/ als ein thummer Mensch/
gleichwie ein starcker Kerl bequemer ist/
etwas tapffers zuverrichten/ als ein schwa-
cher. Gleichwohl muß auch die Klugheit/
so ein guter Kopff gewinnet/ nicht so gar
allein geistig seyn; sie muß mit in die Tha-
ten spazieren/ sonst kan man sagen/ daß sie
mehr schadet als nutzet. Jch kenne Leute/
die sich ein überauß groß Ansehen machen/
wann sie von den Geschäfften der Welt
reden/ und die man dennoch bedauren muß/
wann man sie siehet die ihrigen verrichten;
Es wäre zuwünschen/ daß ihr Geist nicht
so weit außspazierte/ sondern daß er lieber

ein
A 7

Welt-Mann.
iſt/ und zwar eine ſolche Tugend/ die allen
andern ſoll vorgehen. Ein groſſer Welt-
weiſer ſagt/ daß ſie ſey eine Fertigkeit/ ver-
mittelſt der Vernunfft das Gute von dem
Boͤſen zu unterſcheiden/ umb wohl zuleben.
Das Wort Fertigkeit gibt uns zuver-
ſtehen/ daß die Klugheit uns nicht eben ſo
natuͤrlich zukombt/ ſondern daß man ſie
durch die Welt-Geſchaͤffte/ welche ſich alle
Augenblick verſtellen nach Unterſchied der
Umbſtaͤnde/ ſich zuwege bringen koͤnne.
Das iſt wahr/ daß ein von Natur heiterer
und ſcharffſinniger Geiſt ſich beſſer zur
Klugheit ſchickt/ als ein thummer Menſch/
gleichwie ein ſtarcker Kerl bequemer iſt/
etwas tapffers zuverrichten/ als ein ſchwa-
cher. Gleichwohl muß auch die Klugheit/
ſo ein guter Kopff gewinnet/ nicht ſo gar
allein geiſtig ſeyn; ſie muß mit in die Tha-
ten ſpazieren/ ſonſt kan man ſagen/ daß ſie
mehr ſchadet als nutzet. Jch kenne Leute/
die ſich ein uͤberauß groß Anſehen machen/
wann ſie von den Geſchaͤfften der Welt
reden/ und die man dennoch bedauren muß/
wann man ſie ſiehet die ihrigen verrichten;
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ein
A 7
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[13/0029] Welt-Mann. iſt/ und zwar eine ſolche Tugend/ die allen andern ſoll vorgehen. Ein groſſer Welt- weiſer ſagt/ daß ſie ſey eine Fertigkeit/ ver- mittelſt der Vernunfft das Gute von dem Boͤſen zu unterſcheiden/ umb wohl zuleben. Das Wort Fertigkeit gibt uns zuver- ſtehen/ daß die Klugheit uns nicht eben ſo natuͤrlich zukombt/ ſondern daß man ſie durch die Welt-Geſchaͤffte/ welche ſich alle Augenblick verſtellen nach Unterſchied der Umbſtaͤnde/ ſich zuwege bringen koͤnne. Das iſt wahr/ daß ein von Natur heiterer und ſcharffſinniger Geiſt ſich beſſer zur Klugheit ſchickt/ als ein thummer Menſch/ gleichwie ein ſtarcker Kerl bequemer iſt/ etwas tapffers zuverrichten/ als ein ſchwa- cher. Gleichwohl muß auch die Klugheit/ ſo ein guter Kopff gewinnet/ nicht ſo gar allein geiſtig ſeyn; ſie muß mit in die Tha- ten ſpazieren/ ſonſt kan man ſagen/ daß ſie mehr ſchadet als nutzet. Jch kenne Leute/ die ſich ein uͤberauß groß Anſehen machen/ wann ſie von den Geſchaͤfften der Welt reden/ und die man dennoch bedauren muß/ wann man ſie ſiehet die ihrigen verrichten; Es waͤre zuwuͤnſchen/ daß ihr Geiſt nicht ſo weit außſpazierte/ ſondern daß er lieber ein A 7

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Zitationshilfe: [N. N.]: Der vollkommene rechtschaffene Welt-Mann. Frankfurt (Main), 1680, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unbekannt_weltmann_1680/29>, abgerufen am 28.04.2024.