Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Der vollkommene rechtschaffene Welt-Mann. Frankfurt (Main), 1680.

Bild:
<< vorherige Seite

Der vollkommene
die Kühnheit das Böse bloß anfällt umb
es zuüberwinden. Der Zorn aber betrach-
tet es/ als die Wirckung einer Ursache/ an
welcher er sich rächen will.

Diese Passion ist gemeiniglich mit soviel
andern vermischet/ daß ihre Merckmale
und ihre Wirckungen nach der unterschied-
lichen Bewegung unterschiedlich sind. Der
Schmertz/ der Haß/ die Hoffnung/ die
Verzweiffelung/ die Furcht und die Kühn-
heit machen einen Menschen im Zorn ent-
weder erröthen oder erblassen/ vermehren
oder verringern die Ungestümigkeit ihrer
Bewegungen/ wornach alle diese unter-
schiedene Gemüths-Bewegungen ihn
treiben.

Darumb fasse ein kluger Mensch ja kei-
nen Entschluß/ so lang er empfindet/ daß
er von einer so hefftigen Gemüths-Bewe-
gung eingenommen ist. Alle Anschläge/
welche man bey solchem Zustande bildet/
sollen argwöhnlich seyn/ dieweil man die
Dinge nicht anderst ansiehet/ als durch ei-
nen Rauch/ der sie vergrössert/ oder der sie
verstellet. Als Plato mit einem von seinen
Sclaven Händel bekam/ Ha wie wolte ich
dich lassen hauen/ sagte er zu ihm/ wann

ich

Der vollkommene
die Kuͤhnheit das Boͤſe bloß anfaͤllt umb
es zuuͤberwinden. Der Zorn aber betrach-
tet es/ als die Wirckung einer Urſache/ an
welcher er ſich raͤchen will.

Dieſe Paſſion iſt gemeiniglich mit ſoviel
andern vermiſchet/ daß ihre Merckmale
und ihre Wirckungen nach der unterſchied-
lichen Bewegung unterſchiedlich ſind. Der
Schmertz/ der Haß/ die Hoffnung/ die
Verzweiffelung/ die Furcht und die Kuͤhn-
heit machen einen Menſchen im Zorn ent-
weder erroͤthen oder erblaſſen/ vermehren
oder verringern die Ungeſtuͤmigkeit ihrer
Bewegungen/ wornach alle dieſe unter-
ſchiedene Gemuͤths-Bewegungen ihn
treiben.

Darumb faſſe ein kluger Menſch ja kei-
nen Entſchluß/ ſo lang er empfindet/ daß
er von einer ſo hefftigen Gemuͤths-Bewe-
gung eingenommen iſt. Alle Anſchlaͤge/
welche man bey ſolchem Zuſtande bildet/
ſollen argwoͤhnlich ſeyn/ dieweil man die
Dinge nicht anderſt anſiehet/ als durch ei-
nen Rauch/ der ſie vergroͤſſert/ oder der ſie
verſtellet. Als Plato mit einem von ſeinen
Sclaven Haͤndel bekam/ Ha wie wolte ich
dich laſſen hauen/ ſagte er zu ihm/ wann

ich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <p><pb facs="#f0098" n="82"/><fw place="top" type="header">Der vollkommene</fw><lb/>
die Ku&#x0364;hnheit das Bo&#x0364;&#x017F;e bloß anfa&#x0364;llt umb<lb/>
es zuu&#x0364;berwinden. Der Zorn aber betrach-<lb/>
tet es/ als die Wirckung einer Ur&#x017F;ache/ an<lb/>
welcher er &#x017F;ich ra&#x0364;chen will.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Pa&#x017F;&#x017F;ion</hi></hi> i&#x017F;t gemeiniglich mit &#x017F;oviel<lb/>
andern vermi&#x017F;chet/ daß ihre Merckmale<lb/>
und ihre Wirckungen nach der unter&#x017F;chied-<lb/>
lichen Bewegung unter&#x017F;chiedlich &#x017F;ind. Der<lb/>
Schmertz/ der Haß/ die Hoffnung/ die<lb/>
Verzweiffelung/ die Furcht und die Ku&#x0364;hn-<lb/>
heit machen einen Men&#x017F;chen im Zorn ent-<lb/>
weder erro&#x0364;then oder erbla&#x017F;&#x017F;en/ vermehren<lb/>
oder verringern die Unge&#x017F;tu&#x0364;migkeit ihrer<lb/>
Bewegungen/ wornach alle die&#x017F;e unter-<lb/>
&#x017F;chiedene Gemu&#x0364;ths-Bewegungen ihn<lb/>
treiben.</p><lb/>
        <p>Darumb fa&#x017F;&#x017F;e ein kluger Men&#x017F;ch ja kei-<lb/>
nen Ent&#x017F;chluß/ &#x017F;o lang er empfindet/ daß<lb/>
er von einer &#x017F;o hefftigen Gemu&#x0364;ths-Bewe-<lb/>
gung eingenommen i&#x017F;t. Alle An&#x017F;chla&#x0364;ge/<lb/>
welche man bey &#x017F;olchem Zu&#x017F;tande bildet/<lb/>
&#x017F;ollen argwo&#x0364;hnlich &#x017F;eyn/ dieweil man die<lb/>
Dinge nicht ander&#x017F;t an&#x017F;iehet/ als durch ei-<lb/>
nen Rauch/ der &#x017F;ie vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ert/ oder der &#x017F;ie<lb/>
ver&#x017F;tellet. Als Plato mit einem von &#x017F;einen<lb/>
Sclaven Ha&#x0364;ndel bekam/ Ha wie wolte ich<lb/>
dich la&#x017F;&#x017F;en hauen/ &#x017F;agte er zu ihm/ wann<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ich</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0098] Der vollkommene die Kuͤhnheit das Boͤſe bloß anfaͤllt umb es zuuͤberwinden. Der Zorn aber betrach- tet es/ als die Wirckung einer Urſache/ an welcher er ſich raͤchen will. Dieſe Paſſion iſt gemeiniglich mit ſoviel andern vermiſchet/ daß ihre Merckmale und ihre Wirckungen nach der unterſchied- lichen Bewegung unterſchiedlich ſind. Der Schmertz/ der Haß/ die Hoffnung/ die Verzweiffelung/ die Furcht und die Kuͤhn- heit machen einen Menſchen im Zorn ent- weder erroͤthen oder erblaſſen/ vermehren oder verringern die Ungeſtuͤmigkeit ihrer Bewegungen/ wornach alle dieſe unter- ſchiedene Gemuͤths-Bewegungen ihn treiben. Darumb faſſe ein kluger Menſch ja kei- nen Entſchluß/ ſo lang er empfindet/ daß er von einer ſo hefftigen Gemuͤths-Bewe- gung eingenommen iſt. Alle Anſchlaͤge/ welche man bey ſolchem Zuſtande bildet/ ſollen argwoͤhnlich ſeyn/ dieweil man die Dinge nicht anderſt anſiehet/ als durch ei- nen Rauch/ der ſie vergroͤſſert/ oder der ſie verſtellet. Als Plato mit einem von ſeinen Sclaven Haͤndel bekam/ Ha wie wolte ich dich laſſen hauen/ ſagte er zu ihm/ wann ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unbekannt_weltmann_1680
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unbekannt_weltmann_1680/98
Zitationshilfe: [N. N.]: Der vollkommene rechtschaffene Welt-Mann. Frankfurt (Main), 1680, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unbekannt_weltmann_1680/98>, abgerufen am 10.05.2024.