Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

glauben, daß diese Schrift eine Streitschrift
seyn solte, und daß ich mich darinne bemühet
hätte, die gründliche Wiederlegung der Jn-
fluxionisten, des berühmten Herrn Mag.
Meiers
zu wiederlegen. Nein! Wenn ich
sähe, daß meine Meinung von einen so scharf-
sinnigen Weltweisen schon wiederlegt wäre, so
müste ich noch weniger Einsicht in die Wahr-
heit besitzen, als ich mir etwa zutrauen darf,
wenn ich sie dennoch annehmen, glauben und
vertheidigen solte. Meine Hochachtung vor
die Weltweisheit, und gegen die Beförderer
derselben, ist so groß, daß ich recht betrübt
werde, wenn ich bedencke, daß unter ihnen so
wenig Stahlianer anzutreffen sind; und wenn
ich mich nicht damit tröstete, daß die Meinun-
gen derer Philosophen von der Sele nur ge-
lehrte Moden wären, die etwa nach einen
Jahrhunderte wieder abkämen, so wäre ich noch
weniger zu trösten, indem ich nimmermehr
vermuthen könte, daß Weltweise und Stah-
lianer iemals einigermassen einerley bedeuten
würden. Jch wünsche sehr, daß ich diese
Veränderung noch erleben möchte, und wenn
man mich vertraut machen könte, so wolte ich
wol sagen, daß dieses eine von denen Absich-
ten gewesen wäre, warum ich gegenwärtige
Blätter geschrieben habe. Die Artzneygelahr-
heit kan sich biß dato noch nicht recht mit der
Weltweißheit vertragen, und ich halte doch
davor, daß nichts angenehmer sey, als in seinen

Betrach-

glauben, daß dieſe Schrift eine Streitſchrift
ſeyn ſolte, und daß ich mich darinne bemuͤhet
haͤtte, die gruͤndliche Wiederlegung der Jn-
fluxioniſten, des beruͤhmten Herrn Mag.
Meiers
zu wiederlegen. Nein! Wenn ich
ſaͤhe, daß meine Meinung von einen ſo ſcharf-
ſinnigen Weltweiſen ſchon wiederlegt waͤre, ſo
muͤſte ich noch weniger Einſicht in die Wahr-
heit beſitzen, als ich mir etwa zutrauen darf,
wenn ich ſie dennoch annehmen, glauben und
vertheidigen ſolte. Meine Hochachtung vor
die Weltweisheit, und gegen die Befoͤrderer
derſelben, iſt ſo groß, daß ich recht betruͤbt
werde, wenn ich bedencke, daß unter ihnen ſo
wenig Stahlianer anzutreffen ſind; und wenn
ich mich nicht damit troͤſtete, daß die Meinun-
gen derer Philoſophen von der Sele nur ge-
lehrte Moden waͤren, die etwa nach einen
Jahrhunderte wieder abkaͤmen, ſo waͤre ich noch
weniger zu troͤſten, indem ich nimmermehr
vermuthen koͤnte, daß Weltweiſe und Stah-
lianer iemals einigermaſſen einerley bedeuten
wuͤrden. Jch wuͤnſche ſehr, daß ich dieſe
Veraͤnderung noch erleben moͤchte, und wenn
man mich vertraut machen koͤnte, ſo wolte ich
wol ſagen, daß dieſes eine von denen Abſich-
ten geweſen waͤre, warum ich gegenwaͤrtige
Blaͤtter geſchrieben habe. Die Artzneygelahr-
heit kan ſich biß dato noch nicht recht mit der
Weltweißheit vertragen, und ich halte doch
davor, daß nichts angenehmer ſey, als in ſeinen

Betrach-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0170" n="140"/>
glauben, daß die&#x017F;e Schrift eine Streit&#x017F;chrift<lb/>
&#x017F;eyn &#x017F;olte, und daß ich mich darinne bemu&#x0364;het<lb/>
ha&#x0364;tte, die gru&#x0364;ndliche Wiederlegung der Jn-<lb/>
fluxioni&#x017F;ten, des beru&#x0364;hmten <hi rendition="#fr">Herrn Mag.<lb/>
Meiers</hi> zu wiederlegen. Nein! Wenn ich<lb/>
&#x017F;a&#x0364;he, daß meine Meinung von einen &#x017F;o &#x017F;charf-<lb/>
&#x017F;innigen Weltwei&#x017F;en &#x017F;chon wiederlegt wa&#x0364;re, &#x017F;o<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;te ich noch weniger Ein&#x017F;icht in die Wahr-<lb/>
heit be&#x017F;itzen, als ich mir etwa zutrauen darf,<lb/>
wenn ich &#x017F;ie dennoch annehmen, glauben und<lb/>
vertheidigen &#x017F;olte. Meine Hochachtung vor<lb/>
die Weltweisheit, und gegen die Befo&#x0364;rderer<lb/>
der&#x017F;elben, i&#x017F;t &#x017F;o groß, daß ich recht betru&#x0364;bt<lb/>
werde, wenn ich bedencke, daß unter ihnen &#x017F;o<lb/>
wenig Stahlianer anzutreffen &#x017F;ind; und wenn<lb/>
ich mich nicht damit tro&#x0364;&#x017F;tete, daß die Meinun-<lb/>
gen derer Philo&#x017F;ophen von der Sele nur ge-<lb/>
lehrte Moden wa&#x0364;ren, die etwa nach einen<lb/>
Jahrhunderte wieder abka&#x0364;men, &#x017F;o wa&#x0364;re ich noch<lb/>
weniger zu tro&#x0364;&#x017F;ten, indem ich nimmermehr<lb/>
vermuthen ko&#x0364;nte, daß Weltwei&#x017F;e und Stah-<lb/>
lianer iemals einigerma&#x017F;&#x017F;en einerley bedeuten<lb/>
wu&#x0364;rden. Jch wu&#x0364;n&#x017F;che &#x017F;ehr, daß ich die&#x017F;e<lb/>
Vera&#x0364;nderung noch erleben mo&#x0364;chte, und wenn<lb/>
man mich vertraut machen ko&#x0364;nte, &#x017F;o wolte ich<lb/>
wol &#x017F;agen, daß die&#x017F;es eine von denen Ab&#x017F;ich-<lb/>
ten gewe&#x017F;en wa&#x0364;re, warum ich gegenwa&#x0364;rtige<lb/>
Bla&#x0364;tter ge&#x017F;chrieben habe. Die Artzneygelahr-<lb/>
heit kan &#x017F;ich biß dato noch nicht recht mit der<lb/>
Weltweißheit vertragen, und ich halte doch<lb/>
davor, daß nichts angenehmer &#x017F;ey, als in &#x017F;einen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Betrach-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[140/0170] glauben, daß dieſe Schrift eine Streitſchrift ſeyn ſolte, und daß ich mich darinne bemuͤhet haͤtte, die gruͤndliche Wiederlegung der Jn- fluxioniſten, des beruͤhmten Herrn Mag. Meiers zu wiederlegen. Nein! Wenn ich ſaͤhe, daß meine Meinung von einen ſo ſcharf- ſinnigen Weltweiſen ſchon wiederlegt waͤre, ſo muͤſte ich noch weniger Einſicht in die Wahr- heit beſitzen, als ich mir etwa zutrauen darf, wenn ich ſie dennoch annehmen, glauben und vertheidigen ſolte. Meine Hochachtung vor die Weltweisheit, und gegen die Befoͤrderer derſelben, iſt ſo groß, daß ich recht betruͤbt werde, wenn ich bedencke, daß unter ihnen ſo wenig Stahlianer anzutreffen ſind; und wenn ich mich nicht damit troͤſtete, daß die Meinun- gen derer Philoſophen von der Sele nur ge- lehrte Moden waͤren, die etwa nach einen Jahrhunderte wieder abkaͤmen, ſo waͤre ich noch weniger zu troͤſten, indem ich nimmermehr vermuthen koͤnte, daß Weltweiſe und Stah- lianer iemals einigermaſſen einerley bedeuten wuͤrden. Jch wuͤnſche ſehr, daß ich dieſe Veraͤnderung noch erleben moͤchte, und wenn man mich vertraut machen koͤnte, ſo wolte ich wol ſagen, daß dieſes eine von denen Abſich- ten geweſen waͤre, warum ich gegenwaͤrtige Blaͤtter geſchrieben habe. Die Artzneygelahr- heit kan ſich biß dato noch nicht recht mit der Weltweißheit vertragen, und ich halte doch davor, daß nichts angenehmer ſey, als in ſeinen Betrach-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/170
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/170>, abgerufen am 04.12.2024.