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Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885.

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und von dem entgegengesetzten Pole der zweiten Säule angezogen, gleicht dort
seine Elektricität mit der entgegengesetzten des Poles aus, empfängt von diesem
Elektricität und pendelt wieder zum ersten Säulenpole zurück u. s. w., so lange
die beiden Säulen ihre Wirksamkeit beibehalten. Es braucht wohl kaum erwähnt
zu werden, daß dieses perpetuum mobile mit dem Gesetze der Erhaltung der
Kraft in keinem Widerspruche steht. Das einmal in Bewegung gesetzte Pendel setzt
allerdings unter Umständen jahrelang seine Bewegung fort, aber diese Bewegung
wird nur mit Hilfe der stets zu den Polen der Säule strömenden Elektricität
bewirkt; die Erregung dieser ist aber
dem langsam fortschreitenden chemischen
Processe in der Säule zuzuschreiben. Es
wird also chemische Spannkraft auf-
gezehrt, in Elektricität verwandelt und
diese in mechanische Bewegung umgesetzt.

Rousseau hat die trockene Säule
zur Construction seines Diagometers
benützt, d. h. eines Instrumentes,
welches die verschiedene Leitungsfähig-
keit der Körper benützt, um ihre
chemische Zusammensetzung zu prüfen.
Der untere Pol m' der Säule A,
Fig. 95, ist zur Erde abgeleitet, vom
oberen Pole m führt ein Draht zu
der isolirt unter der Glasglocke auf-
gestellten und in einer horizontalen
Ebene frei beweglichen Nadel M. Die
letztere ist schwach magnetisirt und
trägt an einem Ende eine Scheibe.
In derselben Höhe wie diese ist eine
zweite eben so große Scheibe L isolirt
aufgestellt. Bringt man das Instrument
mit seiner Längsaxe in den magnetischen
Meridian, so kommen beide Scheiben
zur Berührung. Wird nun der obere
Pol der Säule direct durch einen Draht
mit der Nadel verbunden, so werden
beide Scheiben gleichnamig elektrisch und
stoßen sich ab; die Nadel kommt zur

[Abbildung] Fig. 94.

Elektrisches perpetuum mobile.

Ruhe, sobald die elektrische Abstoßungskraft und der auf den schwachen Magnetis-
mus der Nadel wirkende Erdmagnetismus sich das Gleichgewicht halten. Letzteres
tritt sehr rasch ein, wenn die Verbindung der Nadel mit dem Säulenpole durch
einen guten Leiter hergestellt wird. Anders verhält es sich aber, wenn man zwischen
der Säule und der Nadel einen schlechten Leiter einschaltet; es wird dann eine von
der Leitungsfähigkeit dieses schlechten Leiters abhängende Zeitdauer erforderlich sein,
bis die beiden Scheiben ihre volle oder Maximalladung haben und erst dann die
Nadel eine fixe Stellung einnehmen können. Diese Zeitdauer ist daher ein Maß
für die Leitungsfähigkeit der eingeschalteten Substanz und wurde von Rousseau zur
Prüfung der Körper auf ihre chemische Reinheit benützt.

und von dem entgegengeſetzten Pole der zweiten Säule angezogen, gleicht dort
ſeine Elektricität mit der entgegengeſetzten des Poles aus, empfängt von dieſem
Elektricität und pendelt wieder zum erſten Säulenpole zurück u. ſ. w., ſo lange
die beiden Säulen ihre Wirkſamkeit beibehalten. Es braucht wohl kaum erwähnt
zu werden, daß dieſes perpetuum mobile mit dem Geſetze der Erhaltung der
Kraft in keinem Widerſpruche ſteht. Das einmal in Bewegung geſetzte Pendel ſetzt
allerdings unter Umſtänden jahrelang ſeine Bewegung fort, aber dieſe Bewegung
wird nur mit Hilfe der ſtets zu den Polen der Säule ſtrömenden Elektricität
bewirkt; die Erregung dieſer iſt aber
dem langſam fortſchreitenden chemiſchen
Proceſſe in der Säule zuzuſchreiben. Es
wird alſo chemiſche Spannkraft auf-
gezehrt, in Elektricität verwandelt und
dieſe in mechaniſche Bewegung umgeſetzt.

Rouſſeau hat die trockene Säule
zur Conſtruction ſeines Diagometers
benützt, d. h. eines Inſtrumentes,
welches die verſchiedene Leitungsfähig-
keit der Körper benützt, um ihre
chemiſche Zuſammenſetzung zu prüfen.
Der untere Pol m' der Säule A,
Fig. 95, iſt zur Erde abgeleitet, vom
oberen Pole m führt ein Draht zu
der iſolirt unter der Glasglocke auf-
geſtellten und in einer horizontalen
Ebene frei beweglichen Nadel M. Die
letztere iſt ſchwach magnetiſirt und
trägt an einem Ende eine Scheibe.
In derſelben Höhe wie dieſe iſt eine
zweite eben ſo große Scheibe L iſolirt
aufgeſtellt. Bringt man das Inſtrument
mit ſeiner Längsaxe in den magnetiſchen
Meridian, ſo kommen beide Scheiben
zur Berührung. Wird nun der obere
Pol der Säule direct durch einen Draht
mit der Nadel verbunden, ſo werden
beide Scheiben gleichnamig elektriſch und
ſtoßen ſich ab; die Nadel kommt zur

[Abbildung] Fig. 94.

Elektriſches perpetuum mobile.

Ruhe, ſobald die elektriſche Abſtoßungskraft und der auf den ſchwachen Magnetis-
mus der Nadel wirkende Erdmagnetismus ſich das Gleichgewicht halten. Letzteres
tritt ſehr raſch ein, wenn die Verbindung der Nadel mit dem Säulenpole durch
einen guten Leiter hergeſtellt wird. Anders verhält es ſich aber, wenn man zwiſchen
der Säule und der Nadel einen ſchlechten Leiter einſchaltet; es wird dann eine von
der Leitungsfähigkeit dieſes ſchlechten Leiters abhängende Zeitdauer erforderlich ſein,
bis die beiden Scheiben ihre volle oder Maximalladung haben und erſt dann die
Nadel eine fixe Stellung einnehmen können. Dieſe Zeitdauer iſt daher ein Maß
für die Leitungsfähigkeit der eingeſchalteten Subſtanz und wurde von Rouſſeau zur
Prüfung der Körper auf ihre chemiſche Reinheit benützt.

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[181/0195] und von dem entgegengeſetzten Pole der zweiten Säule angezogen, gleicht dort ſeine Elektricität mit der entgegengeſetzten des Poles aus, empfängt von dieſem Elektricität und pendelt wieder zum erſten Säulenpole zurück u. ſ. w., ſo lange die beiden Säulen ihre Wirkſamkeit beibehalten. Es braucht wohl kaum erwähnt zu werden, daß dieſes perpetuum mobile mit dem Geſetze der Erhaltung der Kraft in keinem Widerſpruche ſteht. Das einmal in Bewegung geſetzte Pendel ſetzt allerdings unter Umſtänden jahrelang ſeine Bewegung fort, aber dieſe Bewegung wird nur mit Hilfe der ſtets zu den Polen der Säule ſtrömenden Elektricität bewirkt; die Erregung dieſer iſt aber dem langſam fortſchreitenden chemiſchen Proceſſe in der Säule zuzuſchreiben. Es wird alſo chemiſche Spannkraft auf- gezehrt, in Elektricität verwandelt und dieſe in mechaniſche Bewegung umgeſetzt. Rouſſeau hat die trockene Säule zur Conſtruction ſeines Diagometers benützt, d. h. eines Inſtrumentes, welches die verſchiedene Leitungsfähig- keit der Körper benützt, um ihre chemiſche Zuſammenſetzung zu prüfen. Der untere Pol m' der Säule A, Fig. 95, iſt zur Erde abgeleitet, vom oberen Pole m führt ein Draht zu der iſolirt unter der Glasglocke auf- geſtellten und in einer horizontalen Ebene frei beweglichen Nadel M. Die letztere iſt ſchwach magnetiſirt und trägt an einem Ende eine Scheibe. In derſelben Höhe wie dieſe iſt eine zweite eben ſo große Scheibe L iſolirt aufgeſtellt. Bringt man das Inſtrument mit ſeiner Längsaxe in den magnetiſchen Meridian, ſo kommen beide Scheiben zur Berührung. Wird nun der obere Pol der Säule direct durch einen Draht mit der Nadel verbunden, ſo werden beide Scheiben gleichnamig elektriſch und ſtoßen ſich ab; die Nadel kommt zur [Abbildung Fig. 94. Elektriſches perpetuum mobile.] Ruhe, ſobald die elektriſche Abſtoßungskraft und der auf den ſchwachen Magnetis- mus der Nadel wirkende Erdmagnetismus ſich das Gleichgewicht halten. Letzteres tritt ſehr raſch ein, wenn die Verbindung der Nadel mit dem Säulenpole durch einen guten Leiter hergeſtellt wird. Anders verhält es ſich aber, wenn man zwiſchen der Säule und der Nadel einen ſchlechten Leiter einſchaltet; es wird dann eine von der Leitungsfähigkeit dieſes ſchlechten Leiters abhängende Zeitdauer erforderlich ſein, bis die beiden Scheiben ihre volle oder Maximalladung haben und erſt dann die Nadel eine fixe Stellung einnehmen können. Dieſe Zeitdauer iſt daher ein Maß für die Leitungsfähigkeit der eingeſchalteten Subſtanz und wurde von Rouſſeau zur Prüfung der Körper auf ihre chemiſche Reinheit benützt.

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Zitationshilfe: Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/195>, abgerufen am 29.09.2024.