Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.Lyrische Gedichte. Wie schön erzogen dich die Unschuld und Natur Auf Triften und beblühmter Flur! Noch nicht um stolzen Schmuck bemüht, Ertönte hier dein sanftes Lied. Es hörten die erstaunten Hirten Den ungekünstelten Gesang, Der öfters um geheime Myrthen Und oft beym Wein erklang. Die Weisheit bracht' alsdann dich, junge Schäferinn! Zum unbewohnten Hämus hin; Und lehrte dich der Dinge Grund, Und wie das Weltgebäud entstund: Warum der Frühling grüne Hügel Und lauen West und Floren liebt, Und was den Winden ihre Flügel, Dem Donner Kräfte giebt. Du lerntest, wer mit Recht hoch oder niedrig heißt! Uns adelt nur ein edler Geist, Und nicht ein schimmernd hoher Stand, Nicht ein vergüldetes Gewand; Noch daß man groß genennet werde Von Lippen feiger Schmeicheley, Und einem Winkel weiter Erde Bekannt und furchtbar sey. Die
Lyriſche Gedichte. Wie ſchoͤn erzogen dich die Unſchuld und Natur Auf Triften und bebluͤhmter Flur! Noch nicht um ſtolzen Schmuck bemuͤht, Ertoͤnte hier dein ſanftes Lied. Es hoͤrten die erſtaunten Hirten Den ungekuͤnſtelten Geſang, Der oͤfters um geheime Myrthen Und oft beym Wein erklang. Die Weisheit bracht’ alsdann dich, junge Schaͤferiñ! Zum unbewohnten Haͤmus hin; Und lehrte dich der Dinge Grund, Und wie das Weltgebaͤud entſtund: Warum der Fruͤhling gruͤne Huͤgel Und lauen Weſt und Floren liebt, Und was den Winden ihre Fluͤgel, Dem Donner Kraͤfte giebt. Du lernteſt, wer mit Recht hoch oder niedrig heißt! Uns adelt nur ein edler Geiſt, Und nicht ein ſchimmernd hoher Stand, Nicht ein verguͤldetes Gewand; Noch daß man groß genennet werde Von Lippen feiger Schmeicheley, Und einem Winkel weiter Erde Bekannt und furchtbar ſey. Die
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Lyriſche Gedichte.
Wie ſchoͤn erzogen dich die Unſchuld und Natur
Auf Triften und bebluͤhmter Flur!
Noch nicht um ſtolzen Schmuck bemuͤht,
Ertoͤnte hier dein ſanftes Lied.
Es hoͤrten die erſtaunten Hirten
Den ungekuͤnſtelten Geſang,
Der oͤfters um geheime Myrthen
Und oft beym Wein erklang.
Die Weisheit bracht’ alsdann dich, junge Schaͤferiñ!
Zum unbewohnten Haͤmus hin;
Und lehrte dich der Dinge Grund,
Und wie das Weltgebaͤud entſtund:
Warum der Fruͤhling gruͤne Huͤgel
Und lauen Weſt und Floren liebt,
Und was den Winden ihre Fluͤgel,
Dem Donner Kraͤfte giebt.
Du lernteſt, wer mit Recht hoch oder niedrig heißt!
Uns adelt nur ein edler Geiſt,
Und nicht ein ſchimmernd hoher Stand,
Nicht ein verguͤldetes Gewand;
Noch daß man groß genennet werde
Von Lippen feiger Schmeicheley,
Und einem Winkel weiter Erde
Bekannt und furchtbar ſey.
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