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Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

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Viertes Buch
Die Aue schwieg vor dir, als du vom Hämus kamst,
Und eine kühnre Leyer nahmst.
Es wallte junger Hirten Blut;
Sie fühlten ungefühlte Glut,
Als nun dein höhers Lied ertönte,
Das, reizend, wann es unterwies,
Von rauher Wildheit sie entwöhnte,
Und Menschen werden hieß.
Du sangst: es rissen sich bemooste Felsen los
Aus drohender Gebirge Schoos,
Und rollten fort mit eignem Lauf,
Und thürmten sich zu Mauern auf.
Die Tieger unter düstern Sträuchen
Behorchten dein entzückend Spiel;
Und auch die unbelebten Eichen
Erhielten ein Gefühl.
Die Wahrheit rührt uns nicht entblößt und unge-
schmückt,
Wenn sie die Sinne nicht berückt.
Wer unser Herz erst überwand,
Gewinnt auch leichtlich den Verstand.
Wir bleiben kalt bey kalten Schlüssen;
Sie sausen schwach um unser Ohr:
Wir lernen, wie wir leben müssen;
Und leben, wie zuvor.
Du
J 4
Viertes Buch
Die Aue ſchwieg vor dir, als du vom Haͤmus kamſt,
Und eine kuͤhnre Leyer nahmſt.
Es wallte junger Hirten Blut;
Sie fuͤhlten ungefuͤhlte Glut,
Als nun dein hoͤhers Lied ertoͤnte,
Das, reizend, wann es unterwies,
Von rauher Wildheit ſie entwoͤhnte,
Und Menſchen werden hieß.
Du ſangſt: es riſſen ſich bemooſte Felſen los
Aus drohender Gebirge Schoos,
Und rollten fort mit eignem Lauf,
Und thuͤrmten ſich zu Mauern auf.
Die Tieger unter duͤſtern Straͤuchen
Behorchten dein entzuͤckend Spiel;
Und auch die unbelebten Eichen
Erhielten ein Gefuͤhl.
Die Wahrheit ruͤhrt uns nicht entbloͤßt und unge-
ſchmuͤckt,
Wenn ſie die Sinne nicht beruͤckt.
Wer unſer Herz erſt uͤberwand,
Gewinnt auch leichtlich den Verſtand.
Wir bleiben kalt bey kalten Schluͤſſen;
Sie ſauſen ſchwach um unſer Ohr:
Wir lernen, wie wir leben muͤſſen;
Und leben, wie zuvor.
Du
J 4
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[135/0149] Viertes Buch Die Aue ſchwieg vor dir, als du vom Haͤmus kamſt, Und eine kuͤhnre Leyer nahmſt. Es wallte junger Hirten Blut; Sie fuͤhlten ungefuͤhlte Glut, Als nun dein hoͤhers Lied ertoͤnte, Das, reizend, wann es unterwies, Von rauher Wildheit ſie entwoͤhnte, Und Menſchen werden hieß. Du ſangſt: es riſſen ſich bemooſte Felſen los Aus drohender Gebirge Schoos, Und rollten fort mit eignem Lauf, Und thuͤrmten ſich zu Mauern auf. Die Tieger unter duͤſtern Straͤuchen Behorchten dein entzuͤckend Spiel; Und auch die unbelebten Eichen Erhielten ein Gefuͤhl. Die Wahrheit ruͤhrt uns nicht entbloͤßt und unge- ſchmuͤckt, Wenn ſie die Sinne nicht beruͤckt. Wer unſer Herz erſt uͤberwand, Gewinnt auch leichtlich den Verſtand. Wir bleiben kalt bey kalten Schluͤſſen; Sie ſauſen ſchwach um unſer Ohr: Wir lernen, wie wir leben muͤſſen; Und leben, wie zuvor. Du J 4

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Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/149>, abgerufen am 21.11.2024.