haut genetisch, d. h. als Ausstülpung des hinteren Endes des Darmrohres nachgewiesen, sondern immer durch mehr oder min- der subjective Gründe geleitet das Eine oder das Andere dafür gehal- ten. Es kann daher hier nicht von allseitig beobachteten und genü- gend verfolgten Factis, sondern nur von der Relation von Ansichten die Rede seyn, an welche höchstens die Analogie des aus der Geschichte der Vögel und der Säugethiere Bekannten einen kri- tischen Maassstab anzulegen vermag. Und so können wir im Voraus als Resultat eines solchen Verfahrens es anticipiren, dass es bei dem jetzigen Stande der Wissenschaft möglich sey, zu be- stimmen, was die Allantois des Menschen nicht sey, nicht aber ir- gend ein Gebilde mit Sicherheit dafür zu halten oder über den Hergang etwas mehr, als Wahrscheinliches auszusagen. -- Man kann aber vorzüglich die vielen hier sich findenden Angaben un- ter folgende Rubriken bringen:
1. Mehrere Schriftsteller haben die Anwesenheit der Allan- tois in dem Menschen überhaupt geläugnet. So noch in neuester Zeit vorzüglich Pockels (Isis 1825. S. 1343.). Jedoch hat man hierbei den wichtigen Fehler begangen, dass man über die Exi- stenz dessen, was man noch nicht beobachtet hat, abzusprechen wagte. Vielmehr ist es im höchsten Grade wahrscheinlich, dass dieses Gebilde, welches bei einem Theile der Batrachier, allen Vö- geln und den bisher untersuchten Säugethieren vorkömmt, bei dem Menschen, dessen Urachus ebenfalls nachgewiesen ist, auch vor- kommt. Künftige Erfahrungen werden diesen Punkt wohl ohne Zweifel bejahend mit aller nothwendigen Gewissheit be- antworten.
2. Viele ältere Beobachter, wie Graaf, Needham, Littre, Rouhault u. A. (S. J. Fr. Meckel menschl. Anat. IV. S. 727., Velpeau's Embryologie p. 17. 18.), glaubten die Allantois des Menschen beobachtet zu haben. Sie haben aber entweder irr- thümlicher Weise das Chorion dafür angesehen oder die Mem- brana media Hobokenii für die Harnhaut gehalten. Auf den letzteren Punkt werden wir bald zurückzukommen Gelegenheit haben.
3. Die Ansicht, dass die Nabelblase des Menschen der Allan- tois der Säugethiere entspreche, hat Niemand eifriger vertheidigt, als Lobstein (über die Ernährung des Fötus übers. v. Küstner S. 65--80.). Seine Gründe dafür können unter zwei Rubriken ge-
III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.
haut genetisch, d. h. als Ausstülpung des hinteren Endes des Darmrohres nachgewiesen, sondern immer durch mehr oder min- der subjective Gründe geleitet das Eine oder das Andere dafür gehal- ten. Es kann daher hier nicht von allseitig beobachteten und genü- gend verfolgten Factis, sondern nur von der Relation von Ansichten die Rede seyn, an welche höchstens die Analogie des aus der Geschichte der Vögel und der Säugethiere Bekannten einen kri- tischen Maaſsstab anzulegen vermag. Und so können wir im Voraus als Resultat eines solchen Verfahrens es anticipiren, daſs es bei dem jetzigen Stande der Wissenschaft möglich sey, zu be- stimmen, was die Allantois des Menschen nicht sey, nicht aber ir- gend ein Gebilde mit Sicherheit dafür zu halten oder über den Hergang etwas mehr, als Wahrscheinliches auszusagen. — Man kann aber vorzüglich die vielen hier sich findenden Angaben un- ter folgende Rubriken bringen:
1. Mehrere Schriftsteller haben die Anwesenheit der Allan- tois in dem Menschen überhaupt geläugnet. So noch in neuester Zeit vorzüglich Pockels (Isis 1825. S. 1343.). Jedoch hat man hierbei den wichtigen Fehler begangen, daſs man über die Exi- stenz dessen, was man noch nicht beobachtet hat, abzusprechen wagte. Vielmehr ist es im höchsten Grade wahrscheinlich, daſs dieses Gebilde, welches bei einem Theile der Batrachier, allen Vö- geln und den bisher untersuchten Säugethieren vorkömmt, bei dem Menschen, dessen Urachus ebenfalls nachgewiesen ist, auch vor- kommt. Künftige Erfahrungen werden diesen Punkt wohl ohne Zweifel bejahend mit aller nothwendigen Gewiſsheit be- antworten.
2. Viele ältere Beobachter, wie Graaf, Needham, Littre, Rouhault u. A. (S. J. Fr. Meckel menschl. Anat. IV. S. 727., Velpeau’s Embryologie p. 17. 18.), glaubten die Allantois des Menschen beobachtet zu haben. Sie haben aber entweder irr- thümlicher Weise das Chorion dafür angesehen oder die Mem- brana media Hobokenii für die Harnhaut gehalten. Auf den letzteren Punkt werden wir bald zurückzukommen Gelegenheit haben.
3. Die Ansicht, daſs die Nabelblase des Menschen der Allan- tois der Säugethiere entspreche, hat Niemand eifriger vertheidigt, als Lobstein (über die Ernährung des Fötus übers. v. Küstner S. 65—80.). Seine Gründe dafür können unter zwei Rubriken ge-
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III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.
haut genetisch, d. h. als Ausstülpung des hinteren Endes des
Darmrohres nachgewiesen, sondern immer durch mehr oder min-
der subjective Gründe geleitet das Eine oder das Andere dafür gehal-
ten. Es kann daher hier nicht von allseitig beobachteten und genü-
gend verfolgten Factis, sondern nur von der Relation von Ansichten
die Rede seyn, an welche höchstens die Analogie des aus der
Geschichte der Vögel und der Säugethiere Bekannten einen kri-
tischen Maaſsstab anzulegen vermag. Und so können wir im
Voraus als Resultat eines solchen Verfahrens es anticipiren, daſs
es bei dem jetzigen Stande der Wissenschaft möglich sey, zu be-
stimmen, was die Allantois des Menschen nicht sey, nicht aber ir-
gend ein Gebilde mit Sicherheit dafür zu halten oder über den
Hergang etwas mehr, als Wahrscheinliches auszusagen. — Man
kann aber vorzüglich die vielen hier sich findenden Angaben un-
ter folgende Rubriken bringen:
1. Mehrere Schriftsteller haben die Anwesenheit der Allan-
tois in dem Menschen überhaupt geläugnet. So noch in neuester
Zeit vorzüglich Pockels (Isis 1825. S. 1343.). Jedoch hat man
hierbei den wichtigen Fehler begangen, daſs man über die Exi-
stenz dessen, was man noch nicht beobachtet hat, abzusprechen
wagte. Vielmehr ist es im höchsten Grade wahrscheinlich, daſs
dieses Gebilde, welches bei einem Theile der Batrachier, allen Vö-
geln und den bisher untersuchten Säugethieren vorkömmt, bei dem
Menschen, dessen Urachus ebenfalls nachgewiesen ist, auch vor-
kommt. Künftige Erfahrungen werden diesen Punkt wohl
ohne Zweifel bejahend mit aller nothwendigen Gewiſsheit be-
antworten.
2. Viele ältere Beobachter, wie Graaf, Needham, Littre,
Rouhault u. A. (S. J. Fr. Meckel menschl. Anat. IV. S. 727.,
Velpeau’s Embryologie p. 17. 18.), glaubten die Allantois des
Menschen beobachtet zu haben. Sie haben aber entweder irr-
thümlicher Weise das Chorion dafür angesehen oder die Mem-
brana media Hobokenii für die Harnhaut gehalten. Auf den
letzteren Punkt werden wir bald zurückzukommen Gelegenheit
haben.
3. Die Ansicht, daſs die Nabelblase des Menschen der Allan-
tois der Säugethiere entspreche, hat Niemand eifriger vertheidigt,
als Lobstein (über die Ernährung des Fötus übers. v. Küstner S.
65—80.). Seine Gründe dafür können unter zwei Rubriken ge-
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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/154>, abgerufen am 24.11.2024.
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