Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.Von dem Embryo. Kiemenspalten darstellen. Allein ich kann weder in der Beschrei-bung (p. 7.), noch in der Abbildung des fünftägigen Hühnerem- bryo eine Spur hiervon erkennen. Die erste Spur einer freilich noch rohen und ungenauen Abbildung von Kiemenspalten findet sich in C. F. Wolff de formatione intestinorum. Uebersetzung von Meckel tab. 2. fig. 1. 2. 5. 6. Besser sind schon die Zeich- nungen von Bojanus (Obss. anatt. de foetu canino 24 dierum in Nov. Act. Ac. N. C. Vol. X. p. 139--152. fig. 5. 7. t.), während anderseits die Spur einer Spalte oder der eben verwach- senen Spalten von mehreren menschlichen Embryonen früher noch z. B. von Wrisberg, Sömmering (Ic. embr. hum. tab. 1. fig. 2.), Meckel u. A. dargestellt worden. Die Idee, dass der Embryo der hö- heren Thiere die Stufen der niederen Thierwelt in seiner individuel- len Entwickelung durchlaufe, musste natürlich zu dem Ausspruche bringen, dass auch bei den Säugethieren und den Vögeln in frühester Zeit der Entwickelung wahre Kiemenbildung vorkomme. Keiner führte aber diesen divinatorischen Ausspruch mehr in das Specielle, als der vielverdiente J. Fr. Meckel, welcher seine Ansicht hierüber schon im Jahre 1811 öffentlich vortrug. Der Merkwürdigkeit wegen theile ich die von ihm gemachte Aeusserung (Beiträge zur ver- gleichenden Anatomie Bd. 2. Hft. I. S. 25.) wörtlich mit. Es heisst bei ihm: "Vielleicht findet sich sogar eine sehr frühe Pe- "riode, wo der Embryo der höheren Thiere auch mit inneren "Kiemen versehen ist, und der doppelte Ursprung der Aorte ist "nur ein Ueberbleibsel dieser Bildung, so wie die beiden abstei- "genden Aorten der Batrachier nach bestimmten Beobachtungen "die Spuren der bis auf eine verschwundenen Kiemenarterien und "Venen der Larven sind, die nach hinweggerückten Kiemen zu "einem continuirten Gefässe mit einander verschmolzen sind. "Vielleicht kommt auch diese Anordnung beim Embryo der hö- "heren Thiere auf eine nicht weniger interessante Weise als ur- "sprüngliche Bildung vor, ohne dass ihr jene vorangegangen wäre, "welche durch die beständig bleibende Placenta, die, wie die "äusseren Kiemen, in den frühesten Perioden ihrer Existenz ei- "nen bei Weitem grösseren, verhältnissmässigen Umfang, als in "den späteren hat, ersetzt seyn mag." -- So standen die Dinge bis zum Jahre 1825, wo Rathke die Wissenschaft mit einer der glänzendsten Entdeckungen bereicherte. Er erkannte und beschrieb zuerst die Kiemenspalten an einem jungen Schweineembryo (Isis Von dem Embryo. Kiemenspalten darstellen. Allein ich kann weder in der Beschrei-bung (p. 7.), noch in der Abbildung des fünftägigen Hühnerem- bryo eine Spur hiervon erkennen. Die erste Spur einer freilich noch rohen und ungenauen Abbildung von Kiemenspalten findet sich in C. F. Wolff de formatione intestinorum. Uebersetzung von Meckel tab. 2. fig. 1. 2. 5. 6. Besser sind schon die Zeich- nungen von Bojanus (Obss. anatt. de foetu canino 24 dierum in Nov. Act. Ac. N. C. Vol. X. p. 139—152. fig. 5. 7. t.), während anderseits die Spur einer Spalte oder der eben verwach- senen Spalten von mehreren menschlichen Embryonen früher noch z. B. von Wrisberg, Sömmering (Ic. embr. hum. tab. 1. fig. 2.), Meckel u. A. dargestellt worden. Die Idee, daſs der Embryo der hö- heren Thiere die Stufen der niederen Thierwelt in seiner individuel- len Entwickelung durchlaufe, muſste natürlich zu dem Ausspruche bringen, daſs auch bei den Säugethieren und den Vögeln in frühester Zeit der Entwickelung wahre Kiemenbildung vorkomme. Keiner führte aber diesen divinatorischen Ausspruch mehr in das Specielle, als der vielverdiente J. Fr. Meckel, welcher seine Ansicht hierüber schon im Jahre 1811 öffentlich vortrug. Der Merkwürdigkeit wegen theile ich die von ihm gemachte Aeuſserung (Beiträge zur ver- gleichenden Anatomie Bd. 2. Hft. I. S. 25.) wörtlich mit. Es heiſst bei ihm: „Vielleicht findet sich sogar eine sehr frühe Pe- „riode, wo der Embryo der höheren Thiere auch mit inneren „Kiemen versehen ist, und der doppelte Ursprung der Aorte ist „nur ein Ueberbleibsel dieser Bildung, so wie die beiden abstei- „genden Aorten der Batrachier nach bestimmten Beobachtungen „die Spuren der bis auf eine verschwundenen Kiemenarterien und „Venen der Larven sind, die nach hinweggerückten Kiemen zu „einem continuirten Gefäſse mit einander verschmolzen sind. „Vielleicht kommt auch diese Anordnung beim Embryo der hö- „heren Thiere auf eine nicht weniger interessante Weise als ur- „sprüngliche Bildung vor, ohne daſs ihr jene vorangegangen wäre, „welche durch die beständig bleibende Placenta, die, wie die „äuſseren Kiemen, in den frühesten Perioden ihrer Existenz ei- „nen bei Weitem gröſseren, verhältniſsmäſsigen Umfang, als in „den späteren hat, ersetzt seyn mag.“ — So standen die Dinge bis zum Jahre 1825, wo Rathke die Wissenschaft mit einer der glänzendsten Entdeckungen bereicherte. 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Von dem Embryo.
Kiemenspalten darstellen. Allein ich kann weder in der Beschrei-
bung (p. 7.), noch in der Abbildung des fünftägigen Hühnerem-
bryo eine Spur hiervon erkennen. Die erste Spur einer freilich
noch rohen und ungenauen Abbildung von Kiemenspalten findet
sich in C. F. Wolff de formatione intestinorum. Uebersetzung
von Meckel tab. 2. fig. 1. 2. 5. 6. Besser sind schon die Zeich-
nungen von Bojanus (Obss. anatt. de foetu canino 24 dierum
in Nov. Act. Ac. N. C. Vol. X. p. 139—152. fig. 5. 7. t.),
während anderseits die Spur einer Spalte oder der eben verwach-
senen Spalten von mehreren menschlichen Embryonen früher noch
z. B. von Wrisberg, Sömmering (Ic. embr. hum. tab. 1. fig. 2.),
Meckel u. A. dargestellt worden. Die Idee, daſs der Embryo der hö-
heren Thiere die Stufen der niederen Thierwelt in seiner individuel-
len Entwickelung durchlaufe, muſste natürlich zu dem Ausspruche
bringen, daſs auch bei den Säugethieren und den Vögeln in frühester
Zeit der Entwickelung wahre Kiemenbildung vorkomme. Keiner
führte aber diesen divinatorischen Ausspruch mehr in das Specielle,
als der vielverdiente J. Fr. Meckel, welcher seine Ansicht hierüber
schon im Jahre 1811 öffentlich vortrug. Der Merkwürdigkeit wegen
theile ich die von ihm gemachte Aeuſserung (Beiträge zur ver-
gleichenden Anatomie Bd. 2. Hft. I. S. 25.) wörtlich mit. Es
heiſst bei ihm: „Vielleicht findet sich sogar eine sehr frühe Pe-
„riode, wo der Embryo der höheren Thiere auch mit inneren
„Kiemen versehen ist, und der doppelte Ursprung der Aorte ist
„nur ein Ueberbleibsel dieser Bildung, so wie die beiden abstei-
„genden Aorten der Batrachier nach bestimmten Beobachtungen
„die Spuren der bis auf eine verschwundenen Kiemenarterien und
„Venen der Larven sind, die nach hinweggerückten Kiemen zu
„einem continuirten Gefäſse mit einander verschmolzen sind.
„Vielleicht kommt auch diese Anordnung beim Embryo der hö-
„heren Thiere auf eine nicht weniger interessante Weise als ur-
„sprüngliche Bildung vor, ohne daſs ihr jene vorangegangen wäre,
„welche durch die beständig bleibende Placenta, die, wie die
„äuſseren Kiemen, in den frühesten Perioden ihrer Existenz ei-
„nen bei Weitem gröſseren, verhältniſsmäſsigen Umfang, als in
„den späteren hat, ersetzt seyn mag.“ — So standen die Dinge
bis zum Jahre 1825, wo Rathke die Wissenschaft mit einer der
glänzendsten Entdeckungen bereicherte. Er erkannte und beschrieb
zuerst die Kiemenspalten an einem jungen Schweineembryo (Isis
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