Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

züglich weil unsere Arbeiter alle Deutsche sind. Die Consum¬
teurs ziehn die gekannte, schlechte, theuere Waare der ungekann¬
ten, wohlfeileren, schönern vor, u. s. w. -- und diese Schwierig¬
keiten machen vorzüglich mir zu schaffen, denn der Engländer
giebt das Geld, der Schwabe dirigirt die Fabrik, und ich das
Ganze. -- Ueberdies hab' ich noch selbst ein Laboratorium, wo
ein Arbeiter unter meiner Anleitung den Chromat von Blei
fabrizirt, -- die schöne neue gelbe Farbe, -- wozu ich die Ma¬
terialien mit von Amerika brachte. -- Wir haben auch ein Pa¬
tent für eine neue Art, das Holz zu verkohlen. -- Man erleuch¬
tet hier mit Steinkohlengas die Stadt. -- Mit dem Holzgas
verkohlen wir das Holz. Das eingeschlossene Holz ist oben. Sein
herunter geleitetes Gas wird Flamme unten. Es verkohlt sich
mit seiner eigenen Hitze. -- Ich verhandle jetzt mit dem Gouver¬
nement die Anwendung dieser Erfindung in seinen Pulverfabriken.
-- Und so bin ich denn den ganzen Tag, von 8 Uhr Morgens
auf den Beinen, während die Mädchen lesen, schreiben, spielen,
singen, Muthwillen treiben u. s. w. -- um 5 Uhr wird gegessen
-- von 7 bis 9 nehmen die Geschäftsschreibereien weg -- um
9 Uhr wird Thee getrunken, von 9 bis 12 Uhr beschäftigen wir
uns mit Physik, Mineralogie, und dergleichen, machen allerlei
Experimente mit Luftpumpen, elektrischen Maschinen u. s. w.,
und amüsiren uns höchlich. Gegen 1 Uhr gehen wir zu Bette
und schlafen ohne uns zu rühren. -- Dies ich buchstäblich unsere
Tagesgeschichte, worin nur gelegentlich das Schauspiel, die Oper,
ein Ball, eine Einladung, eine Spazierfahrt -- einige Verände¬
rungen machen. -- Es soll mir indessen künftig, wenigstens an
Sie und Ihre liebe Frau zu schreiben, ein Stündchen übrig
bleiben. -- Ich freue mich der vielen Dinge, die ich in den
letzten 12 Monaten in Anregung gebracht, und zum Theil zu
Stande gebracht habe. Wenn mir's vollkommen gelingt, so habe

zuͤglich weil unſere Arbeiter alle Deutſche ſind. Die Conſum¬
teurs ziehn die gekannte, ſchlechte, theuere Waare der ungekann¬
ten, wohlfeileren, ſchoͤnern vor, u. ſ. w. — und dieſe Schwierig¬
keiten machen vorzuͤglich mir zu ſchaffen, denn der Englaͤnder
giebt das Geld, der Schwabe dirigirt die Fabrik, und ich das
Ganze. — Ueberdies hab’ ich noch ſelbſt ein Laboratorium, wo
ein Arbeiter unter meiner Anleitung den Chromat von Blei
fabrizirt, — die ſchoͤne neue gelbe Farbe, — wozu ich die Ma¬
terialien mit von Amerika brachte. — Wir haben auch ein Pa¬
tent fuͤr eine neue Art, das Holz zu verkohlen. — Man erleuch¬
tet hier mit Steinkohlengas die Stadt. — Mit dem Holzgas
verkohlen wir das Holz. Das eingeſchloſſene Holz iſt oben. Sein
herunter geleitetes Gas wird Flamme unten. Es verkohlt ſich
mit ſeiner eigenen Hitze. — Ich verhandle jetzt mit dem Gouver¬
nement die Anwendung dieſer Erfindung in ſeinen Pulverfabriken.
— Und ſo bin ich denn den ganzen Tag, von 8 Uhr Morgens
auf den Beinen, waͤhrend die Maͤdchen leſen, ſchreiben, ſpielen,
ſingen, Muthwillen treiben u. ſ. w. — um 5 Uhr wird gegeſſen
— von 7 bis 9 nehmen die Geſchaͤftsſchreibereien weg — um
9 Uhr wird Thee getrunken, von 9 bis 12 Uhr beſchaͤftigen wir
uns mit Phyſik, Mineralogie, und dergleichen, machen allerlei
Experimente mit Luftpumpen, elektriſchen Maſchinen u. ſ. w.,
und amuͤſiren uns hoͤchlich. Gegen 1 Uhr gehen wir zu Bette
und ſchlafen ohne uns zu ruͤhren. — Dies ich buchſtaͤblich unſere
Tagesgeſchichte, worin nur gelegentlich das Schauſpiel, die Oper,
ein Ball, eine Einladung, eine Spazierfahrt — einige Veraͤnde¬
rungen machen. — Es ſoll mir indeſſen kuͤnftig, wenigſtens an
Sie und Ihre liebe Frau zu ſchreiben, ein Stuͤndchen uͤbrig
bleiben. — Ich freue mich der vielen Dinge, die ich in den
letzten 12 Monaten in Anregung gebracht, und zum Theil zu
Stande gebracht habe. Wenn mir’s vollkommen gelingt, ſo habe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div>
              <p><pb facs="#f0134" n="120"/>
zu&#x0364;glich weil un&#x017F;ere Arbeiter alle Deut&#x017F;che &#x017F;ind. Die Con&#x017F;um¬<lb/>
teurs ziehn die gekannte, &#x017F;chlechte, theuere Waare der ungekann¬<lb/>
ten, wohlfeileren, &#x017F;cho&#x0364;nern vor, u. &#x017F;. w. &#x2014; und die&#x017F;e Schwierig¬<lb/>
keiten machen vorzu&#x0364;glich mir zu &#x017F;chaffen, denn der Engla&#x0364;nder<lb/>
giebt das Geld, der Schwabe dirigirt die Fabrik, und ich das<lb/>
Ganze. &#x2014; Ueberdies hab&#x2019; ich noch &#x017F;elb&#x017F;t ein Laboratorium, wo<lb/>
ein Arbeiter unter meiner Anleitung den Chromat von Blei<lb/>
fabrizirt, &#x2014; die &#x017F;cho&#x0364;ne neue gelbe Farbe, &#x2014; wozu ich die Ma¬<lb/>
terialien mit von Amerika brachte. &#x2014; Wir haben auch ein Pa¬<lb/>
tent fu&#x0364;r eine neue Art, das Holz zu verkohlen. &#x2014; Man erleuch¬<lb/>
tet hier mit Steinkohlengas die Stadt. &#x2014; Mit dem Holzgas<lb/>
verkohlen wir das Holz. Das einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene Holz i&#x017F;t oben. Sein<lb/>
herunter geleitetes Gas wird Flamme unten. Es verkohlt &#x017F;ich<lb/>
mit &#x017F;einer eigenen Hitze. &#x2014; Ich verhandle jetzt mit dem Gouver¬<lb/>
nement die Anwendung die&#x017F;er Erfindung in &#x017F;einen Pulverfabriken.<lb/>
&#x2014; Und &#x017F;o bin ich denn den ganzen Tag, von <hi rendition="#b">8</hi> Uhr Morgens<lb/>
auf den Beinen, wa&#x0364;hrend die Ma&#x0364;dchen le&#x017F;en, &#x017F;chreiben, &#x017F;pielen,<lb/>
&#x017F;ingen, Muthwillen treiben u. &#x017F;. w. &#x2014; um <hi rendition="#b">5</hi> Uhr wird gege&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x2014; von <hi rendition="#b">7</hi> bis <hi rendition="#b">9</hi> nehmen die Ge&#x017F;cha&#x0364;fts&#x017F;chreibereien weg &#x2014; um<lb/><hi rendition="#b">9</hi> Uhr wird Thee getrunken, von <hi rendition="#b">9</hi> bis <hi rendition="#b">12</hi> Uhr be&#x017F;cha&#x0364;ftigen wir<lb/>
uns mit Phy&#x017F;ik, Mineralogie, und dergleichen, machen allerlei<lb/>
Experimente mit Luftpumpen, elektri&#x017F;chen Ma&#x017F;chinen u. &#x017F;. w.,<lb/>
und amu&#x0364;&#x017F;iren uns ho&#x0364;chlich. Gegen <hi rendition="#b">1</hi> Uhr gehen wir zu Bette<lb/>
und &#x017F;chlafen ohne uns zu ru&#x0364;hren. &#x2014; Dies ich buch&#x017F;ta&#x0364;blich un&#x017F;ere<lb/>
Tagesge&#x017F;chichte, worin nur gelegentlich das Schau&#x017F;piel, die Oper,<lb/>
ein Ball, eine Einladung, eine Spazierfahrt &#x2014; einige Vera&#x0364;nde¬<lb/>
rungen machen. &#x2014; Es &#x017F;oll mir inde&#x017F;&#x017F;en ku&#x0364;nftig, wenig&#x017F;tens an<lb/>
Sie und Ihre liebe Frau zu &#x017F;chreiben, ein Stu&#x0364;ndchen u&#x0364;brig<lb/>
bleiben. &#x2014; Ich freue mich der vielen Dinge, die ich in den<lb/>
letzten <hi rendition="#b">12</hi> Monaten in Anregung gebracht, und zum Theil zu<lb/>
Stande gebracht habe. Wenn mir&#x2019;s vollkommen gelingt, &#x017F;o habe<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0134] zuͤglich weil unſere Arbeiter alle Deutſche ſind. Die Conſum¬ teurs ziehn die gekannte, ſchlechte, theuere Waare der ungekann¬ ten, wohlfeileren, ſchoͤnern vor, u. ſ. w. — und dieſe Schwierig¬ keiten machen vorzuͤglich mir zu ſchaffen, denn der Englaͤnder giebt das Geld, der Schwabe dirigirt die Fabrik, und ich das Ganze. — Ueberdies hab’ ich noch ſelbſt ein Laboratorium, wo ein Arbeiter unter meiner Anleitung den Chromat von Blei fabrizirt, — die ſchoͤne neue gelbe Farbe, — wozu ich die Ma¬ terialien mit von Amerika brachte. — Wir haben auch ein Pa¬ tent fuͤr eine neue Art, das Holz zu verkohlen. — Man erleuch¬ tet hier mit Steinkohlengas die Stadt. — Mit dem Holzgas verkohlen wir das Holz. Das eingeſchloſſene Holz iſt oben. Sein herunter geleitetes Gas wird Flamme unten. Es verkohlt ſich mit ſeiner eigenen Hitze. — Ich verhandle jetzt mit dem Gouver¬ nement die Anwendung dieſer Erfindung in ſeinen Pulverfabriken. — Und ſo bin ich denn den ganzen Tag, von 8 Uhr Morgens auf den Beinen, waͤhrend die Maͤdchen leſen, ſchreiben, ſpielen, ſingen, Muthwillen treiben u. ſ. w. — um 5 Uhr wird gegeſſen — von 7 bis 9 nehmen die Geſchaͤftsſchreibereien weg — um 9 Uhr wird Thee getrunken, von 9 bis 12 Uhr beſchaͤftigen wir uns mit Phyſik, Mineralogie, und dergleichen, machen allerlei Experimente mit Luftpumpen, elektriſchen Maſchinen u. ſ. w., und amuͤſiren uns hoͤchlich. Gegen 1 Uhr gehen wir zu Bette und ſchlafen ohne uns zu ruͤhren. — Dies ich buchſtaͤblich unſere Tagesgeſchichte, worin nur gelegentlich das Schauſpiel, die Oper, ein Ball, eine Einladung, eine Spazierfahrt — einige Veraͤnde¬ rungen machen. — Es ſoll mir indeſſen kuͤnftig, wenigſtens an Sie und Ihre liebe Frau zu ſchreiben, ein Stuͤndchen uͤbrig bleiben. — Ich freue mich der vielen Dinge, die ich in den letzten 12 Monaten in Anregung gebracht, und zum Theil zu Stande gebracht habe. Wenn mir’s vollkommen gelingt, ſo habe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/134
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/134>, abgerufen am 21.11.2024.