Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

reichte, den herrlichen Ruhm eines preiswürdigen Mannes
zu begründen, überlassen wir Andern zu reden.

Desto eifriger aber mögen wir hier die Züge fest¬
halten, die den Mann selbst in seiner Persönlichkeit uns
vor Augen stellen, und sein entrücktes Dasein uns noch
für Augenblicke vergegenwärtigen.

Was ihn auszeichnete, war die hohe Eigenthümlich¬
keit seiner vollständigen, durch und durch in alle Bezüge
seines Wesens gedrungenen, gleichmäßig nach allen
Richtungen seines Wollens und Thuns belebten, un¬
unterbrochenen Geistesbildung. In der Lebensäußerung
dieser Eigenthümlichkeit gab es keine Lücken, keine Still¬
stände; er hatte sich immer selbst, er hatte sich immer
ganz, und keine seiner Eigenschaften war ihm nur frag¬
mentarisch verliehen.

Daher die große Geistesgegenwart, die große Ueber¬
legenheit, mit welcher er allen Begegnissen des geistigen
Lebensverkehrs gegenüberstand, sie prüfend aufnahm,
mit treffendem Urtheil an ihren Platz stellte, und mit
geistreichen Zügen festhielt oder entließ. Daher die heitre
Gelassenheit, in welcher er dem Witze, der ihm zu Zeiten
entgegentrat, den Verlegenheiten, welche Zufall oder
Absicht ihm zuwenden mochte, mit glücklichem Ueber¬
bieten stets so leicht und siegreich zu entsteigen wußte.

Gedacht hatte er über alles; die Gebiete des Lebens
wie der Wissenschaften konnten einem so lebendigen
Sinne nicht fremd bleiben; in dem Lichte seines Geistes

reichte, den herrlichen Ruhm eines preiswuͤrdigen Mannes
zu begruͤnden, uͤberlaſſen wir Andern zu reden.

Deſto eifriger aber moͤgen wir hier die Zuͤge feſt¬
halten, die den Mann ſelbſt in ſeiner Perſoͤnlichkeit uns
vor Augen ſtellen, und ſein entruͤcktes Daſein uns noch
fuͤr Augenblicke vergegenwaͤrtigen.

Was ihn auszeichnete, war die hohe Eigenthuͤmlich¬
keit ſeiner vollſtaͤndigen, durch und durch in alle Bezuͤge
ſeines Weſens gedrungenen, gleichmaͤßig nach allen
Richtungen ſeines Wollens und Thuns belebten, un¬
unterbrochenen Geiſtesbildung. In der Lebensaͤußerung
dieſer Eigenthuͤmlichkeit gab es keine Luͤcken, keine Still¬
ſtaͤnde; er hatte ſich immer ſelbſt, er hatte ſich immer
ganz, und keine ſeiner Eigenſchaften war ihm nur frag¬
mentariſch verliehen.

Daher die große Geiſtesgegenwart, die große Ueber¬
legenheit, mit welcher er allen Begegniſſen des geiſtigen
Lebensverkehrs gegenuͤberſtand, ſie pruͤfend aufnahm,
mit treffendem Urtheil an ihren Platz ſtellte, und mit
geiſtreichen Zuͤgen feſthielt oder entließ. Daher die heitre
Gelaſſenheit, in welcher er dem Witze, der ihm zu Zeiten
entgegentrat, den Verlegenheiten, welche Zufall oder
Abſicht ihm zuwenden mochte, mit gluͤcklichem Ueber¬
bieten ſtets ſo leicht und ſiegreich zu entſteigen wußte.

Gedacht hatte er uͤber alles; die Gebiete des Lebens
wie der Wiſſenſchaften konnten einem ſo lebendigen
Sinne nicht fremd bleiben; in dem Lichte ſeines Geiſtes

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0152" n="138"/>
reichte, den herrlichen Ruhm eines preiswu&#x0364;rdigen Mannes<lb/>
zu begru&#x0364;nden, u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en wir Andern zu reden.</p><lb/>
          <p>De&#x017F;to eifriger aber mo&#x0364;gen wir hier die Zu&#x0364;ge fe&#x017F;<lb/>
halten, die den Mann &#x017F;elb&#x017F;t in &#x017F;einer Per&#x017F;o&#x0364;nlichkeit uns<lb/>
vor Augen &#x017F;tellen, und &#x017F;ein entru&#x0364;cktes Da&#x017F;ein uns noch<lb/>
fu&#x0364;r Augenblicke vergegenwa&#x0364;rtigen.</p><lb/>
          <p>Was ihn auszeichnete, war die hohe Eigenthu&#x0364;mlich¬<lb/>
keit &#x017F;einer voll&#x017F;ta&#x0364;ndigen, durch und durch in alle Bezu&#x0364;ge<lb/>
&#x017F;eines We&#x017F;ens gedrungenen, gleichma&#x0364;ßig nach allen<lb/>
Richtungen &#x017F;eines Wollens und Thuns belebten, un¬<lb/>
unterbrochenen Gei&#x017F;tesbildung. In der Lebensa&#x0364;ußerung<lb/>
die&#x017F;er Eigenthu&#x0364;mlichkeit gab es keine Lu&#x0364;cken, keine Still¬<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde; er hatte &#x017F;ich immer &#x017F;elb&#x017F;t, er hatte &#x017F;ich immer<lb/>
ganz, und keine &#x017F;einer Eigen&#x017F;chaften war ihm nur frag¬<lb/>
mentari&#x017F;ch verliehen.</p><lb/>
          <p>Daher die große Gei&#x017F;tesgegenwart, die große Ueber¬<lb/>
legenheit, mit welcher er allen Begegni&#x017F;&#x017F;en des gei&#x017F;tigen<lb/>
Lebensverkehrs gegenu&#x0364;ber&#x017F;tand, &#x017F;ie pru&#x0364;fend aufnahm,<lb/>
mit treffendem Urtheil an ihren Platz &#x017F;tellte, und mit<lb/>
gei&#x017F;treichen Zu&#x0364;gen fe&#x017F;thielt oder entließ. Daher die heitre<lb/>
Gela&#x017F;&#x017F;enheit, in welcher er dem Witze, der ihm zu Zeiten<lb/>
entgegentrat, den Verlegenheiten, welche Zufall oder<lb/>
Ab&#x017F;icht ihm zuwenden mochte, mit glu&#x0364;cklichem Ueber¬<lb/>
bieten &#x017F;tets &#x017F;o leicht und &#x017F;iegreich zu ent&#x017F;teigen wußte.</p><lb/>
          <p>Gedacht hatte er u&#x0364;ber alles; die Gebiete des Lebens<lb/>
wie der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften konnten einem &#x017F;o lebendigen<lb/>
Sinne nicht fremd bleiben; in dem Lichte &#x017F;eines Gei&#x017F;tes<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0152] reichte, den herrlichen Ruhm eines preiswuͤrdigen Mannes zu begruͤnden, uͤberlaſſen wir Andern zu reden. Deſto eifriger aber moͤgen wir hier die Zuͤge feſt¬ halten, die den Mann ſelbſt in ſeiner Perſoͤnlichkeit uns vor Augen ſtellen, und ſein entruͤcktes Daſein uns noch fuͤr Augenblicke vergegenwaͤrtigen. Was ihn auszeichnete, war die hohe Eigenthuͤmlich¬ keit ſeiner vollſtaͤndigen, durch und durch in alle Bezuͤge ſeines Weſens gedrungenen, gleichmaͤßig nach allen Richtungen ſeines Wollens und Thuns belebten, un¬ unterbrochenen Geiſtesbildung. In der Lebensaͤußerung dieſer Eigenthuͤmlichkeit gab es keine Luͤcken, keine Still¬ ſtaͤnde; er hatte ſich immer ſelbſt, er hatte ſich immer ganz, und keine ſeiner Eigenſchaften war ihm nur frag¬ mentariſch verliehen. Daher die große Geiſtesgegenwart, die große Ueber¬ legenheit, mit welcher er allen Begegniſſen des geiſtigen Lebensverkehrs gegenuͤberſtand, ſie pruͤfend aufnahm, mit treffendem Urtheil an ihren Platz ſtellte, und mit geiſtreichen Zuͤgen feſthielt oder entließ. Daher die heitre Gelaſſenheit, in welcher er dem Witze, der ihm zu Zeiten entgegentrat, den Verlegenheiten, welche Zufall oder Abſicht ihm zuwenden mochte, mit gluͤcklichem Ueber¬ bieten ſtets ſo leicht und ſiegreich zu entſteigen wußte. Gedacht hatte er uͤber alles; die Gebiete des Lebens wie der Wiſſenſchaften konnten einem ſo lebendigen Sinne nicht fremd bleiben; in dem Lichte ſeines Geiſtes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/152
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/152>, abgerufen am 22.11.2024.