selten sind, wie sie nach einem moralischen Ideal sein sollten, und die Eitelkeit uns veranlaßt, sich zu den Bessern zu zählen, so stieg in mir der Wunsch auf, die andern Menschen so gut zu machen, als ich nebst meinen Freunden zu sein glaubte, und einen Plan zu einem Bunde aller bessern Menschen zur Erziehung der übrigen zu entwerfen. Mein Plan erhielt den Beifall meiner innigsten Freunde, aber wie er ins Werk zu setzen, das wußte keiner, denn alle äußern Vortheile, welche geheime Gesellschaften dem größern Haufen wün¬ schenswerth machen, waren daraus verbannt, und wir konnten dadurch nicht inniger vereint werden. Die Kritik, die mir einer meiner frühern Lehrer, ein Jugendfreund meines Vaters, Rektor Lederer, als ich ihm den Plan meines Bundes zur Erziehung des Menschengeschlechts vorlas, darüber mit den Worten machte: "Ach Gott, wie leid thut es mir, daß ich keine Mitglieder dazu vorzuschlagen weiß!" schlug meine Hoffnung nieder und erweckte die Ueberzeugung, daß es zu dem wahren Guten keiner andern Verbindung, als der eines tugend¬ haften Wandels bedürfe.
Mit vieler Wehmuth erfüllte mich aber der Gedanke, daß es unmöglich sei, in meiner Lage etwas für die Menschheit Wichtiges zu beginnen. Das Streben nach idealischer Größe in meinem Innern und die Unmög¬ lichkeit, durch meine Thaten sie auch für andere schein¬ bar zu machen, hatte mich schon früher manchmal schwer¬
ſelten ſind, wie ſie nach einem moraliſchen Ideal ſein ſollten, und die Eitelkeit uns veranlaßt, ſich zu den Beſſern zu zaͤhlen, ſo ſtieg in mir der Wunſch auf, die andern Menſchen ſo gut zu machen, als ich nebſt meinen Freunden zu ſein glaubte, und einen Plan zu einem Bunde aller beſſern Menſchen zur Erziehung der uͤbrigen zu entwerfen. Mein Plan erhielt den Beifall meiner innigſten Freunde, aber wie er ins Werk zu ſetzen, das wußte keiner, denn alle aͤußern Vortheile, welche geheime Geſellſchaften dem groͤßern Haufen wuͤn¬ ſchenswerth machen, waren daraus verbannt, und wir konnten dadurch nicht inniger vereint werden. Die Kritik, die mir einer meiner fruͤhern Lehrer, ein Jugendfreund meines Vaters, Rektor Lederer, als ich ihm den Plan meines Bundes zur Erziehung des Menſchengeſchlechts vorlas, daruͤber mit den Worten machte: „Ach Gott, wie leid thut es mir, daß ich keine Mitglieder dazu vorzuſchlagen weiß!“ ſchlug meine Hoffnung nieder und erweckte die Ueberzeugung, daß es zu dem wahren Guten keiner andern Verbindung, als der eines tugend¬ haften Wandels beduͤrfe.
Mit vieler Wehmuth erfuͤllte mich aber der Gedanke, daß es unmoͤglich ſei, in meiner Lage etwas fuͤr die Menſchheit Wichtiges zu beginnen. Das Streben nach idealiſcher Groͤße in meinem Innern und die Unmoͤg¬ lichkeit, durch meine Thaten ſie auch fuͤr andere ſchein¬ bar zu machen, hatte mich ſchon fruͤher manchmal ſchwer¬
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ſelten ſind, wie ſie nach einem moraliſchen Ideal ſein
ſollten, und die Eitelkeit uns veranlaßt, ſich zu den
Beſſern zu zaͤhlen, ſo ſtieg in mir der Wunſch auf,
die andern Menſchen ſo gut zu machen, als ich nebſt
meinen Freunden zu ſein glaubte, und einen Plan zu
einem Bunde aller beſſern Menſchen zur Erziehung der
uͤbrigen zu entwerfen. Mein Plan erhielt den Beifall
meiner innigſten Freunde, aber wie er ins Werk zu
ſetzen, das wußte keiner, denn alle aͤußern Vortheile,
welche geheime Geſellſchaften dem groͤßern Haufen wuͤn¬
ſchenswerth machen, waren daraus verbannt, und wir
konnten dadurch nicht inniger vereint werden. Die Kritik,
die mir einer meiner fruͤhern Lehrer, ein Jugendfreund
meines Vaters, Rektor Lederer, als ich ihm den Plan
meines Bundes zur Erziehung des Menſchengeſchlechts
vorlas, daruͤber mit den Worten machte: „Ach Gott,
wie leid thut es mir, daß ich keine Mitglieder dazu
vorzuſchlagen weiß!“ ſchlug meine Hoffnung nieder und
erweckte die Ueberzeugung, daß es zu dem wahren
Guten keiner andern Verbindung, als der eines tugend¬
haften Wandels beduͤrfe.
Mit vieler Wehmuth erfuͤllte mich aber der Gedanke,
daß es unmoͤglich ſei, in meiner Lage etwas fuͤr die
Menſchheit Wichtiges zu beginnen. Das Streben nach
idealiſcher Groͤße in meinem Innern und die Unmoͤg¬
lichkeit, durch meine Thaten ſie auch fuͤr andere ſchein¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/261>, abgerufen am 24.11.2024.
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