wohl er Recht haben mochte, so hab' ich dennoch ihm lange Zeit diese Antwort nicht verziehen. --
Ueberhaupt hatte Narbonne, zuverlässig aus dem oben an¬ gegebenen Grunde, seit geraumer Zeit sich sehr zurückgezogen; er hatt' auch übel genommen, daß ich ihm von meinen Empfin¬ dungen für Madame de la Chatre nichts sagte, von denen er sah, daß sie mich quälten.-- Bei verschiedenen freundschaftlichen Unterhaltungen, die ich in der letzten Zeit in Kensington mit ihm einzuleiten suchte, blieb er kalt. Er verließ mich übrigens unter vielen Freundschaftsversicherungen, versprach, mich in London zu besuchen, mich zu Lord Grenville zu führen, an meinem Glücke zu arbeiten, u. s. w. -- Heisch, der ihn besuchte, hatt' er mit vieler Artigkeit empfangen und ihn gebeten, von seinen Empfeh¬ lungsbriefen noch keinen Gebrauch zu machen, indem er selbst bei verschied'nen angesehenen Kaufleuten in London von seiner Bekanntschaft sich bemühen wolle, ihm einen guten Platz zu ver¬ schaffen. Heisch war erfreut darüber, und versprach, Nachricht von ihm zu erwarten. --
Die Trennungen in Kensington gingen wie im Sturm, ich habe seitdem Madame de la Chatre, welche bald darauf nach Frankreich zurückkehrte, wo sie noch ist, nicht wiedergesehn. -- Ich logirte mich vorläufig mit Freund Heisch in London-Coffee¬ house, Ludgate-hill, einem großen Gasthof in London, und freute mich bald recht königlich meiner wiedererlangten morali¬ schen Freiheit. --
Ich hatte damals fünfzig Louisd'or, welche man mir in Paris gegeben hatte, um nicht ohne alle Hülfsmittel zu sein, im Falle wir arretirt würden, oder daß uns sonst etwas zustieße. -- Ich sprach in Kensington vom Zurückgeben, Narbonne fragte mich statt aller Antwort, ob ich nicht gescheidt sei? --
wohl er Recht haben mochte, ſo hab' ich dennoch ihm lange Zeit dieſe Antwort nicht verziehen. —
Ueberhaupt hatte Narbonne, zuverlaͤſſig aus dem oben an¬ gegebenen Grunde, ſeit geraumer Zeit ſich ſehr zuruͤckgezogen; er hatt' auch uͤbel genommen, daß ich ihm von meinen Empfin¬ dungen fuͤr Madame de la Châtre nichts ſagte, von denen er ſah, daß ſie mich quaͤlten.— Bei verſchiedenen freundſchaftlichen Unterhaltungen, die ich in der letzten Zeit in Kenſington mit ihm einzuleiten ſuchte, blieb er kalt. Er verließ mich uͤbrigens unter vielen Freundſchaftsverſicherungen, verſprach, mich in London zu beſuchen, mich zu Lord Grenville zu fuͤhren, an meinem Gluͤcke zu arbeiten, u. ſ. w. — Heiſch, der ihn beſuchte, hatt' er mit vieler Artigkeit empfangen und ihn gebeten, von ſeinen Empfeh¬ lungsbriefen noch keinen Gebrauch zu machen, indem er ſelbſt bei verſchied'nen angeſehenen Kaufleuten in London von ſeiner Bekanntſchaft ſich bemuͤhen wolle, ihm einen guten Platz zu ver¬ ſchaffen. Heiſch war erfreut daruͤber, und verſprach, Nachricht von ihm zu erwarten. —
Die Trennungen in Kenſington gingen wie im Sturm, ich habe ſeitdem Madame de la Châtre, welche bald darauf nach Frankreich zuruͤckkehrte, wo ſie noch iſt, nicht wiedergeſehn. — Ich logirte mich vorlaͤufig mit Freund Heiſch in London-Coffee¬ house, Ludgate-hill, einem großen Gaſthof in London, und freute mich bald recht koͤniglich meiner wiedererlangten morali¬ ſchen Freiheit. —
Ich hatte damals fuͤnfzig Louisd'or, welche man mir in Paris gegeben hatte, um nicht ohne alle Huͤlfsmittel zu ſein, im Falle wir arretirt wuͤrden, oder daß uns ſonſt etwas zuſtieße. — Ich ſprach in Kenſington vom Zuruͤckgeben, Narbonne fragte mich ſtatt aller Antwort, ob ich nicht geſcheidt ſei? —
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0058"n="44"/>
wohl er Recht haben mochte, ſo hab' ich dennoch ihm lange Zeit<lb/>
dieſe Antwort nicht verziehen. —</p><lb/><p>Ueberhaupt hatte Narbonne, zuverlaͤſſig aus dem oben an¬<lb/>
gegebenen Grunde, ſeit geraumer Zeit ſich ſehr zuruͤckgezogen;<lb/>
er hatt' auch uͤbel genommen, daß ich ihm von meinen Empfin¬<lb/>
dungen fuͤr Madame de la Ch<hirendition="#aq">â</hi>tre nichts ſagte, von denen er<lb/>ſah, daß ſie mich quaͤlten.— Bei verſchiedenen freundſchaftlichen<lb/>
Unterhaltungen, die ich in der letzten Zeit in Kenſington mit<lb/>
ihm einzuleiten ſuchte, blieb er kalt. Er verließ mich uͤbrigens<lb/>
unter vielen Freundſchaftsverſicherungen, verſprach, mich in London<lb/>
zu beſuchen, mich zu Lord Grenville zu fuͤhren, an meinem Gluͤcke<lb/>
zu arbeiten, u. ſ. w. — Heiſch, der ihn beſuchte, hatt' er mit<lb/>
vieler Artigkeit empfangen und ihn gebeten, von ſeinen Empfeh¬<lb/>
lungsbriefen noch keinen Gebrauch zu machen, indem er ſelbſt<lb/>
bei verſchied'nen angeſehenen Kaufleuten in London von ſeiner<lb/>
Bekanntſchaft ſich bemuͤhen wolle, ihm einen guten Platz zu ver¬<lb/>ſchaffen. Heiſch war erfreut daruͤber, und verſprach, Nachricht<lb/>
von ihm zu erwarten. —</p><lb/><p>Die Trennungen in Kenſington gingen wie im Sturm, ich<lb/>
habe ſeitdem Madame de la Ch<hirendition="#aq">â</hi>tre, welche bald darauf nach<lb/>
Frankreich zuruͤckkehrte, wo ſie noch iſt, nicht wiedergeſehn. —<lb/>
Ich logirte mich vorlaͤufig mit Freund Heiſch in <hirendition="#aq">London</hi>-<hirendition="#aq">Coffee</hi>¬<lb/><hirendition="#aq">house</hi>, <hirendition="#aq">Ludgate</hi>-<hirendition="#aq">hill</hi>, einem großen Gaſthof in London, und<lb/>
freute mich bald recht koͤniglich meiner wiedererlangten morali¬<lb/>ſchen Freiheit. —</p><lb/><p>Ich hatte damals fuͤnfzig Louisd'or, welche man mir in<lb/>
Paris gegeben hatte, um nicht ohne alle Huͤlfsmittel zu ſein,<lb/>
im Falle wir arretirt wuͤrden, oder daß uns ſonſt etwas zuſtieße.<lb/>— Ich ſprach in Kenſington vom Zuruͤckgeben, Narbonne fragte<lb/>
mich ſtatt aller Antwort, ob ich nicht geſcheidt ſei? —</p><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[44/0058]
wohl er Recht haben mochte, ſo hab' ich dennoch ihm lange Zeit
dieſe Antwort nicht verziehen. —
Ueberhaupt hatte Narbonne, zuverlaͤſſig aus dem oben an¬
gegebenen Grunde, ſeit geraumer Zeit ſich ſehr zuruͤckgezogen;
er hatt' auch uͤbel genommen, daß ich ihm von meinen Empfin¬
dungen fuͤr Madame de la Châtre nichts ſagte, von denen er
ſah, daß ſie mich quaͤlten.— Bei verſchiedenen freundſchaftlichen
Unterhaltungen, die ich in der letzten Zeit in Kenſington mit
ihm einzuleiten ſuchte, blieb er kalt. Er verließ mich uͤbrigens
unter vielen Freundſchaftsverſicherungen, verſprach, mich in London
zu beſuchen, mich zu Lord Grenville zu fuͤhren, an meinem Gluͤcke
zu arbeiten, u. ſ. w. — Heiſch, der ihn beſuchte, hatt' er mit
vieler Artigkeit empfangen und ihn gebeten, von ſeinen Empfeh¬
lungsbriefen noch keinen Gebrauch zu machen, indem er ſelbſt
bei verſchied'nen angeſehenen Kaufleuten in London von ſeiner
Bekanntſchaft ſich bemuͤhen wolle, ihm einen guten Platz zu ver¬
ſchaffen. Heiſch war erfreut daruͤber, und verſprach, Nachricht
von ihm zu erwarten. —
Die Trennungen in Kenſington gingen wie im Sturm, ich
habe ſeitdem Madame de la Châtre, welche bald darauf nach
Frankreich zuruͤckkehrte, wo ſie noch iſt, nicht wiedergeſehn. —
Ich logirte mich vorlaͤufig mit Freund Heiſch in London-Coffee¬
house, Ludgate-hill, einem großen Gaſthof in London, und
freute mich bald recht koͤniglich meiner wiedererlangten morali¬
ſchen Freiheit. —
Ich hatte damals fuͤnfzig Louisd'or, welche man mir in
Paris gegeben hatte, um nicht ohne alle Huͤlfsmittel zu ſein,
im Falle wir arretirt wuͤrden, oder daß uns ſonſt etwas zuſtieße.
— Ich ſprach in Kenſington vom Zuruͤckgeben, Narbonne fragte
mich ſtatt aller Antwort, ob ich nicht geſcheidt ſei? —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/58>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.