Druckes werth dünkten. Ein Mährchen von Chamisso fand Schleiermacher sehr schön, und lobte auch ein dra¬ matisches Spiel von mir, welches in künstlichen Formen einen erzwungenen Stoff mit einiger Gewandtheit ver¬ arbeitete. Früher schon hatte er meine Uebersetzung der Epigramme Platons mit Wohlgefallen aufgenommen, und mit genauer Sorgfalt mir manche Verbesserung angegeben. Der Beifall und die Aufmunterung eines solchen Meisters waren mir unschätzbar, und ich ver¬ hehlte nicht, mit welchen heißen Empfindungen ich hier mich anzuschließen begehrte, wo mir solche Gunst und Förderung schon gewährt wurde. Dergleichen sentimen¬ tale Bezeigungen wies die sonst kühle Besonnenheit Schleiermachers gar nicht ab. Jemehr ich aber unter Einwirkung seines Umgangs und seiner Vorträge in eigner Bildung fortschritt, desto mehr empfand ich Zu¬ rückhaltung und Scheu, meine Verehrung in jener anspruchsvollen Weise nach augenblicklichen Aufwallun¬ gen darzulegen; durch steigenden Gehalt und tiefere Innigkeit wurde meine Ehrfurcht nur bescheidener und schweigsamer. Dies aber wurde von Schleiermacher unglücklicherweise verkannt; die Veränderung entging ihm nicht, allein er schob sie irrig auf selbstische Kälte und hochfährtigen Dünkel, welche ihm mein besseres Gefühl zu verdrängen schienen. Er äußerte etwas die¬ ser Art, Löbell erfuhr davon ich weiß nicht wie, und machte eine gehörige Klatscherei daraus, die mir durch
Druckes werth duͤnkten. Ein Maͤhrchen von Chamiſſo fand Schleiermacher ſehr ſchoͤn, und lobte auch ein dra¬ matiſches Spiel von mir, welches in kuͤnſtlichen Formen einen erzwungenen Stoff mit einiger Gewandtheit ver¬ arbeitete. Fruͤher ſchon hatte er meine Ueberſetzung der Epigramme Platons mit Wohlgefallen aufgenommen, und mit genauer Sorgfalt mir manche Verbeſſerung angegeben. Der Beifall und die Aufmunterung eines ſolchen Meiſters waren mir unſchaͤtzbar, und ich ver¬ hehlte nicht, mit welchen heißen Empfindungen ich hier mich anzuſchließen begehrte, wo mir ſolche Gunſt und Foͤrderung ſchon gewaͤhrt wurde. Dergleichen ſentimen¬ tale Bezeigungen wies die ſonſt kuͤhle Beſonnenheit Schleiermachers gar nicht ab. Jemehr ich aber unter Einwirkung ſeines Umgangs und ſeiner Vortraͤge in eigner Bildung fortſchritt, deſto mehr empfand ich Zu¬ ruͤckhaltung und Scheu, meine Verehrung in jener anſpruchsvollen Weiſe nach augenblicklichen Aufwallun¬ gen darzulegen; durch ſteigenden Gehalt und tiefere Innigkeit wurde meine Ehrfurcht nur beſcheidener und ſchweigſamer. Dies aber wurde von Schleiermacher ungluͤcklicherweiſe verkannt; die Veraͤnderung entging ihm nicht, allein er ſchob ſie irrig auf ſelbſtiſche Kaͤlte und hochfaͤhrtigen Duͤnkel, welche ihm mein beſſeres Gefuͤhl zu verdraͤngen ſchienen. Er aͤußerte etwas die¬ ſer Art, Loͤbell erfuhr davon ich weiß nicht wie, und machte eine gehoͤrige Klatſcherei daraus, die mir durch
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Druckes werth duͤnkten. Ein Maͤhrchen von Chamiſſo
fand Schleiermacher ſehr ſchoͤn, und lobte auch ein dra¬
matiſches Spiel von mir, welches in kuͤnſtlichen Formen
einen erzwungenen Stoff mit einiger Gewandtheit ver¬
arbeitete. Fruͤher ſchon hatte er meine Ueberſetzung der
Epigramme Platons mit Wohlgefallen aufgenommen,
und mit genauer Sorgfalt mir manche Verbeſſerung
angegeben. Der Beifall und die Aufmunterung eines
ſolchen Meiſters waren mir unſchaͤtzbar, und ich ver¬
hehlte nicht, mit welchen heißen Empfindungen ich hier
mich anzuſchließen begehrte, wo mir ſolche Gunſt und
Foͤrderung ſchon gewaͤhrt wurde. Dergleichen ſentimen¬
tale Bezeigungen wies die ſonſt kuͤhle Beſonnenheit
Schleiermachers gar nicht ab. Jemehr ich aber unter
Einwirkung ſeines Umgangs und ſeiner Vortraͤge in
eigner Bildung fortſchritt, deſto mehr empfand ich Zu¬
ruͤckhaltung und Scheu, meine Verehrung in jener
anſpruchsvollen Weiſe nach augenblicklichen Aufwallun¬
gen darzulegen; durch ſteigenden Gehalt und tiefere
Innigkeit wurde meine Ehrfurcht nur beſcheidener und
ſchweigſamer. Dies aber wurde von Schleiermacher
ungluͤcklicherweiſe verkannt; die Veraͤnderung entging
ihm nicht, allein er ſchob ſie irrig auf ſelbſtiſche Kaͤlte
und hochfaͤhrtigen Duͤnkel, welche ihm mein beſſeres
Gefuͤhl zu verdraͤngen ſchienen. Er aͤußerte etwas die¬
ſer Art, Loͤbell erfuhr davon ich weiß nicht wie, und
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/126>, abgerufen am 21.11.2024.
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