Neander endlich zu Ohren kam. Kein größeres Unrecht konnte mir widerfahren, ich empfand es gekränkt, aber mehr noch empört, und stand jetzt nur um so trotziger in dem Scheine da, welchen zu zerstreuen ich um kei¬ nen Preis auch nur die kleinste Bewegung gemacht hätte. Daß zugleich meiner vielen und schönen Kenntnisse ge¬ dacht worden, und Schleiermacher gemeint hatte, sie machten mich hochfährtig, erregte mein bitteres Lachen, denn ich fühlte tief die Unzulänglichkeit alles meines Wissens, sah mich in vielem hinter den gemeinsten An¬ fängern zurückstehen, glaubte nie genug zu thun, um die beschämenden Blößen zu decken, deren ich mir be¬ wußt war. Meine Hochachtung für Schleiermacher wurde jedoch durch dieses Begegniß nicht geschwächt, noch mein Benehmen gegen ihn seitdem verändert. Auch wandte er sich bei nachfolgenden Gelegenheiten auszeich¬ nend und traulich zu mir, indem er zugleich gegen Andre meine Gesinnung und meine Fähigkeiten rühmte; aber dennoch warf jenes erste unglückliche Mißverstehen den Keim einer Unvereinbarkeit zwischen uns aus, welche in der Folge neue Irrungen nur um so leichter entste¬ hen ließ.
Von Berlin her war die Gründung eines besondern Gottesdienstes für die Universität betrieben und so weit gefördert worden, daß diese Anstalt am 3. August, als dem Geburtstage des Königs, wirklich eröffnet werden konnte. Eine leerstehende, bisher zu andern Zwecken
II. 8
Neander endlich zu Ohren kam. Kein groͤßeres Unrecht konnte mir widerfahren, ich empfand es gekraͤnkt, aber mehr noch empoͤrt, und ſtand jetzt nur um ſo trotziger in dem Scheine da, welchen zu zerſtreuen ich um kei¬ nen Preis auch nur die kleinſte Bewegung gemacht haͤtte. Daß zugleich meiner vielen und ſchoͤnen Kenntniſſe ge¬ dacht worden, und Schleiermacher gemeint hatte, ſie machten mich hochfaͤhrtig, erregte mein bitteres Lachen, denn ich fuͤhlte tief die Unzulaͤnglichkeit alles meines Wiſſens, ſah mich in vielem hinter den gemeinſten An¬ faͤngern zuruͤckſtehen, glaubte nie genug zu thun, um die beſchaͤmenden Bloͤßen zu decken, deren ich mir be¬ wußt war. Meine Hochachtung fuͤr Schleiermacher wurde jedoch durch dieſes Begegniß nicht geſchwaͤcht, noch mein Benehmen gegen ihn ſeitdem veraͤndert. Auch wandte er ſich bei nachfolgenden Gelegenheiten auszeich¬ nend und traulich zu mir, indem er zugleich gegen Andre meine Geſinnung und meine Faͤhigkeiten ruͤhmte; aber dennoch warf jenes erſte ungluͤckliche Mißverſtehen den Keim einer Unvereinbarkeit zwiſchen uns aus, welche in der Folge neue Irrungen nur um ſo leichter entſte¬ hen ließ.
Von Berlin her war die Gruͤndung eines beſondern Gottesdienſtes fuͤr die Univerſitaͤt betrieben und ſo weit gefoͤrdert worden, daß dieſe Anſtalt am 3. Auguſt, als dem Geburtstage des Koͤnigs, wirklich eroͤffnet werden konnte. Eine leerſtehende, bisher zu andern Zwecken
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Neander endlich zu Ohren kam. Kein groͤßeres Unrecht
konnte mir widerfahren, ich empfand es gekraͤnkt, aber
mehr noch empoͤrt, und ſtand jetzt nur um ſo trotziger
in dem Scheine da, welchen zu zerſtreuen ich um kei¬
nen Preis auch nur die kleinſte Bewegung gemacht haͤtte.
Daß zugleich meiner vielen und ſchoͤnen Kenntniſſe ge¬
dacht worden, und Schleiermacher gemeint hatte, ſie
machten mich hochfaͤhrtig, erregte mein bitteres Lachen,
denn ich fuͤhlte tief die Unzulaͤnglichkeit alles meines
Wiſſens, ſah mich in vielem hinter den gemeinſten An¬
faͤngern zuruͤckſtehen, glaubte nie genug zu thun, um
die beſchaͤmenden Bloͤßen zu decken, deren ich mir be¬
wußt war. Meine Hochachtung fuͤr Schleiermacher
wurde jedoch durch dieſes Begegniß nicht geſchwaͤcht,
noch mein Benehmen gegen ihn ſeitdem veraͤndert. Auch
wandte er ſich bei nachfolgenden Gelegenheiten auszeich¬
nend und traulich zu mir, indem er zugleich gegen
Andre meine Geſinnung und meine Faͤhigkeiten ruͤhmte;
aber dennoch warf jenes erſte ungluͤckliche Mißverſtehen
den Keim einer Unvereinbarkeit zwiſchen uns aus, welche
in der Folge neue Irrungen nur um ſo leichter entſte¬
hen ließ.
Von Berlin her war die Gruͤndung eines beſondern
Gottesdienſtes fuͤr die Univerſitaͤt betrieben und ſo weit
gefoͤrdert worden, daß dieſe Anſtalt am 3. Auguſt, als
dem Geburtstage des Koͤnigs, wirklich eroͤffnet werden
konnte. Eine leerſtehende, bisher zu andern Zwecken
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/127>, abgerufen am 21.11.2024.
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