Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

in buntem Glanz, und mein Bund war mit Perlen und
Steinen reich besetzt. Das Aergerniß einiger pfäffisch¬
gesinnten Leute, welche von solcher, den Ungläubigen
nachgeahmten, Kleidung auch auf die unchristlichen
Grundsätze schließen wollten, die sich darin argwöhnen
ließen, konnte nur den Trotz verstärken, und die Be¬
friedigung erhöhen, welche mein Vater dabei empfand,
daß dieser Augenscherz auch ein erfreuliches Bild sein
wolle, das auf die allgepriesene Toleranz so glücklich
hindeutete. --

Ein Gefühl von Einsamkeit, das ich freilich damals
mir nicht deutlich zu machen wußte, begleitete mich aus
der Stille auch in Geräusch und Lärm. Ich hatte keine
eigentliche Spielkammeraden, nur gelegentlich und auf
abgerissene Stunden fand ich solche Gesellschafter; meine
Sinnesart und Tagesgewöhnung aber floß nie mit der
ihrigen zusammen, ich behielt in der größten äußern
Hingebung innerlich etwas Fremdes gegen sie, wie über¬
haupt etwas Absonderndes gegen die Welt und ihre
Darbietungen. Meinem Vater hing ich mit der grö߬
ten Zärtlichkeit an, und ich hatte ein unbegränztes Ver¬
trauen zu ihm; allein dasselbe sollte schon früh durch
einen Vorfall beträchtlich leiden.

Eines Tages, bei schönem Sonnenwetter, trafen
wir auf dem Grafenberg eine muntere Gesellschaft, wor¬
unter auch mehrere unsrer Schauspieler und Schauspie¬
lerinnen. Nichts konnte reizender für mich sein, ich

2 *

in buntem Glanz, und mein Bund war mit Perlen und
Steinen reich beſetzt. Das Aergerniß einiger pfaͤffiſch¬
geſinnten Leute, welche von ſolcher, den Unglaͤubigen
nachgeahmten, Kleidung auch auf die unchriſtlichen
Grundſaͤtze ſchließen wollten, die ſich darin argwoͤhnen
ließen, konnte nur den Trotz verſtaͤrken, und die Be¬
friedigung erhoͤhen, welche mein Vater dabei empfand,
daß dieſer Augenſcherz auch ein erfreuliches Bild ſein
wolle, das auf die allgeprieſene Toleranz ſo gluͤcklich
hindeutete. —

Ein Gefuͤhl von Einſamkeit, das ich freilich damals
mir nicht deutlich zu machen wußte, begleitete mich aus
der Stille auch in Geraͤuſch und Laͤrm. Ich hatte keine
eigentliche Spielkammeraden, nur gelegentlich und auf
abgeriſſene Stunden fand ich ſolche Geſellſchafter; meine
Sinnesart und Tagesgewoͤhnung aber floß nie mit der
ihrigen zuſammen, ich behielt in der groͤßten aͤußern
Hingebung innerlich etwas Fremdes gegen ſie, wie uͤber¬
haupt etwas Abſonderndes gegen die Welt und ihre
Darbietungen. Meinem Vater hing ich mit der groͤ߬
ten Zaͤrtlichkeit an, und ich hatte ein unbegraͤnztes Ver¬
trauen zu ihm; allein daſſelbe ſollte ſchon fruͤh durch
einen Vorfall betraͤchtlich leiden.

Eines Tages, bei ſchoͤnem Sonnenwetter, trafen
wir auf dem Grafenberg eine muntere Geſellſchaft, wor¬
unter auch mehrere unſrer Schauſpieler und Schauſpie¬
lerinnen. Nichts konnte reizender fuͤr mich ſein, ich

2 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0033" n="19"/>
in buntem Glanz, und mein Bund war mit Perlen und<lb/>
Steinen reich be&#x017F;etzt. Das Aergerniß einiger pfa&#x0364;ffi&#x017F;ch¬<lb/>
ge&#x017F;innten Leute, welche von &#x017F;olcher, den Ungla&#x0364;ubigen<lb/>
nachgeahmten, Kleidung auch auf die unchri&#x017F;tlichen<lb/>
Grund&#x017F;a&#x0364;tze &#x017F;chließen wollten, die &#x017F;ich darin argwo&#x0364;hnen<lb/>
ließen, konnte nur den Trotz ver&#x017F;ta&#x0364;rken, und die Be¬<lb/>
friedigung erho&#x0364;hen, welche mein Vater dabei empfand,<lb/>
daß die&#x017F;er Augen&#x017F;cherz auch ein erfreuliches Bild &#x017F;ein<lb/>
wolle, das auf die allgeprie&#x017F;ene Toleranz &#x017F;o glu&#x0364;cklich<lb/>
hindeutete. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ein Gefu&#x0364;hl von Ein&#x017F;amkeit, das ich freilich damals<lb/>
mir nicht deutlich zu machen wußte, begleitete mich aus<lb/>
der Stille auch in Gera&#x0364;u&#x017F;ch und La&#x0364;rm. Ich hatte keine<lb/>
eigentliche Spielkammeraden, nur gelegentlich und auf<lb/>
abgeri&#x017F;&#x017F;ene Stunden fand ich &#x017F;olche Ge&#x017F;ell&#x017F;chafter; meine<lb/>
Sinnesart und Tagesgewo&#x0364;hnung aber floß nie mit der<lb/>
ihrigen zu&#x017F;ammen, ich behielt in der gro&#x0364;ßten a&#x0364;ußern<lb/>
Hingebung innerlich etwas Fremdes gegen &#x017F;ie, wie u&#x0364;ber¬<lb/>
haupt etwas Ab&#x017F;onderndes gegen die Welt und ihre<lb/>
Darbietungen. Meinem Vater hing ich mit der gro&#x0364;߬<lb/>
ten Za&#x0364;rtlichkeit an, und ich hatte ein unbegra&#x0364;nztes Ver¬<lb/>
trauen zu ihm; allein da&#x017F;&#x017F;elbe &#x017F;ollte &#x017F;chon fru&#x0364;h durch<lb/>
einen Vorfall betra&#x0364;chtlich leiden.</p><lb/>
          <p>Eines Tages, bei &#x017F;cho&#x0364;nem Sonnenwetter, trafen<lb/>
wir auf dem Grafenberg eine muntere Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, wor¬<lb/>
unter auch mehrere un&#x017F;rer Schau&#x017F;pieler und Schau&#x017F;pie¬<lb/>
lerinnen. Nichts konnte reizender fu&#x0364;r mich &#x017F;ein, ich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#b">2</hi> *<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0033] in buntem Glanz, und mein Bund war mit Perlen und Steinen reich beſetzt. Das Aergerniß einiger pfaͤffiſch¬ geſinnten Leute, welche von ſolcher, den Unglaͤubigen nachgeahmten, Kleidung auch auf die unchriſtlichen Grundſaͤtze ſchließen wollten, die ſich darin argwoͤhnen ließen, konnte nur den Trotz verſtaͤrken, und die Be¬ friedigung erhoͤhen, welche mein Vater dabei empfand, daß dieſer Augenſcherz auch ein erfreuliches Bild ſein wolle, das auf die allgeprieſene Toleranz ſo gluͤcklich hindeutete. — Ein Gefuͤhl von Einſamkeit, das ich freilich damals mir nicht deutlich zu machen wußte, begleitete mich aus der Stille auch in Geraͤuſch und Laͤrm. Ich hatte keine eigentliche Spielkammeraden, nur gelegentlich und auf abgeriſſene Stunden fand ich ſolche Geſellſchafter; meine Sinnesart und Tagesgewoͤhnung aber floß nie mit der ihrigen zuſammen, ich behielt in der groͤßten aͤußern Hingebung innerlich etwas Fremdes gegen ſie, wie uͤber¬ haupt etwas Abſonderndes gegen die Welt und ihre Darbietungen. Meinem Vater hing ich mit der groͤ߬ ten Zaͤrtlichkeit an, und ich hatte ein unbegraͤnztes Ver¬ trauen zu ihm; allein daſſelbe ſollte ſchon fruͤh durch einen Vorfall betraͤchtlich leiden. Eines Tages, bei ſchoͤnem Sonnenwetter, trafen wir auf dem Grafenberg eine muntere Geſellſchaft, wor¬ unter auch mehrere unſrer Schauſpieler und Schauſpie¬ lerinnen. Nichts konnte reizender fuͤr mich ſein, ich 2 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/33
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/33>, abgerufen am 21.11.2024.