Tagebuch eines fränkischen Kriegers aus der Zeit Karl's des Großen haben, oder jedes Bruchstück von Denk¬ würdigkeiten eines Mönchs, der mit dem heiligen Anno von Köln gelebt hätte! Welchen Preis würden wir nicht für irgend solche Ueberlieferungen aus der Zeit des großen Kaisers Heinrichs des Voglers gern hin¬ geben! Wir Deutschen wissen den Werth des still¬ kräftigen Einzellebens wohl zu schätzen, die eigenthüm¬ liche Tüchtigkeit auch des Untergeordneten anzuerkennen und ausbildend zu erhöhen; aber Denkmale desselben haben wir weniger als andere Nationen aufzuzeigen, wir haben sie weniger hervorgebracht oder doch weniger bewahrt und gesammelt. Unsere neueste Zeit indeß verspricht, diesen Vorwurf etwas zu mindern, und bietet uns schon manche geglückte Schilderung des mittleren und unteren Volkslebens dar. Die von Goethe her¬ ausgegebene Reihe von Lebensläufen und Kriegsge¬ schichten, des Deutschen Gil Blas, des Feldjägers und seiner Kameraden, ferner Nettelbecks Leben und noch andere Schriften solcher Art bezeugen den Werth dieser Richtung.
In einer schon höheren und gebildeteren Sphäre, aber durchaus eben so auf dem Boden des Persönlichen und Privaten und eben so im Gewande schlichter Na¬ türlichkeit und liebenswürdiger Offenheit, bewegt sich der Inhalt des kleinen wohlgeschriebenen Buches, welches wir gegenwärtig zur Anzeige bringen. Der Verfasser,
Tagebuch eines fraͤnkiſchen Kriegers aus der Zeit Karl’s des Großen haben, oder jedes Bruchſtuͤck von Denk¬ wuͤrdigkeiten eines Moͤnchs, der mit dem heiligen Anno von Koͤln gelebt haͤtte! Welchen Preis wuͤrden wir nicht fuͤr irgend ſolche Ueberlieferungen aus der Zeit des großen Kaiſers Heinrichs des Voglers gern hin¬ geben! Wir Deutſchen wiſſen den Werth des ſtill¬ kraͤftigen Einzellebens wohl zu ſchaͤtzen, die eigenthuͤm¬ liche Tuͤchtigkeit auch des Untergeordneten anzuerkennen und ausbildend zu erhoͤhen; aber Denkmale deſſelben haben wir weniger als andere Nationen aufzuzeigen, wir haben ſie weniger hervorgebracht oder doch weniger bewahrt und geſammelt. Unſere neueſte Zeit indeß verſpricht, dieſen Vorwurf etwas zu mindern, und bietet uns ſchon manche gegluͤckte Schilderung des mittleren und unteren Volkslebens dar. Die von Goethe her¬ ausgegebene Reihe von Lebenslaͤufen und Kriegsge¬ ſchichten, des Deutſchen Gil Blas, des Feldjaͤgers und ſeiner Kameraden, ferner Nettelbecks Leben und noch andere Schriften ſolcher Art bezeugen den Werth dieſer Richtung.
In einer ſchon hoͤheren und gebildeteren Sphaͤre, aber durchaus eben ſo auf dem Boden des Perſoͤnlichen und Privaten und eben ſo im Gewande ſchlichter Na¬ tuͤrlichkeit und liebenswuͤrdiger Offenheit, bewegt ſich der Inhalt des kleinen wohlgeſchriebenen Buches, welches wir gegenwaͤrtig zur Anzeige bringen. Der Verfaſſer,
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Tagebuch eines fraͤnkiſchen Kriegers aus der Zeit Karl’s
des Großen haben, oder jedes Bruchſtuͤck von Denk¬
wuͤrdigkeiten eines Moͤnchs, der mit dem heiligen Anno
von Koͤln gelebt haͤtte! Welchen Preis wuͤrden wir
nicht fuͤr irgend ſolche Ueberlieferungen aus der Zeit
des großen Kaiſers Heinrichs des Voglers gern hin¬
geben! Wir Deutſchen wiſſen den Werth des ſtill¬
kraͤftigen Einzellebens wohl zu ſchaͤtzen, die eigenthuͤm¬
liche Tuͤchtigkeit auch des Untergeordneten anzuerkennen
und ausbildend zu erhoͤhen; aber Denkmale deſſelben
haben wir weniger als andere Nationen aufzuzeigen,
wir haben ſie weniger hervorgebracht oder doch weniger
bewahrt und geſammelt. Unſere neueſte Zeit indeß
verſpricht, dieſen Vorwurf etwas zu mindern, und bietet
uns ſchon manche gegluͤckte Schilderung des mittleren
und unteren Volkslebens dar. Die von Goethe her¬
ausgegebene Reihe von Lebenslaͤufen und Kriegsge¬
ſchichten, des Deutſchen Gil Blas, des Feldjaͤgers und
ſeiner Kameraden, ferner Nettelbecks Leben und noch
andere Schriften ſolcher Art bezeugen den Werth dieſer
Richtung.
In einer ſchon hoͤheren und gebildeteren Sphaͤre,
aber durchaus eben ſo auf dem Boden des Perſoͤnlichen
und Privaten und eben ſo im Gewande ſchlichter Na¬
tuͤrlichkeit und liebenswuͤrdiger Offenheit, bewegt ſich
der Inhalt des kleinen wohlgeſchriebenen Buches, welches
wir gegenwaͤrtig zur Anzeige bringen. Der Verfaſſer,
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/393>, abgerufen am 23.11.2024.
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