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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838.

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den Buchstaben des Christenthums zurückführt, alle ge¬
selligen und politischen Ereignisse davon abhängig macht,
das Feuer seiner Ueberzeugung, alles dies reißt unsern
Glauben auf einen Augenblick hin, und uns're Phan¬
tasie nimmt er auf's ungeheuerste dadurch ein, daß er
alles, was für sie gelten soll, grade als die baarste
Wirklichkeit nicht ihr, sondern der sinnlichen Anschauung
aufdrängt. Wer dürfte alles, was er erzählt, Täu¬
schung nennen, aber in einigen Stücken ist doch der
plumpe Aberglauben handgreiflich! Die Erscheinungen
des Magnetismus muß man am meisten zugestehen,
doch sind das dunkle Regionen, mit denen sich der be¬
sonnene, dem Tage zugewandte Geist nicht gern befaßt,
sondern sie den Forschern überläßt, die dazu durch Na¬
turanlage begünstigt sind. Jung war Arzt, indeß da¬
von kommt dem Buche nichts zu gut, als daß er bei
manchen Wundern zweifelt, und sie als Verirrungen
des Aberglaubens verwirft. Aber seine willkürlichen
Vorstellungen vom bläulichen Dunstkreis der Seele,
vom Hades, und andres dergleichen, stellt er als un¬
zweifelhafte Naturwahrheiten hin. Seine Gläubigkeit
ist rührend, seine Absicht sehr redlich, nur hat er nicht
frische Geisteskraft und scharfen Verstand genug, um
die wahre Bahn zwischen Unglauben und Aberglauben
zu bestimmen. Diese Bahn bestimmt sich für jeden
Menschen wohl nach eignem Maße. Die auffallende
Prophezeihung von Cazotte zum Beispiel, die hier nach

den Buchſtaben des Chriſtenthums zuruͤckfuͤhrt, alle ge¬
ſelligen und politiſchen Ereigniſſe davon abhaͤngig macht,
das Feuer ſeiner Ueberzeugung, alles dies reißt unſern
Glauben auf einen Augenblick hin, und unſ're Phan¬
taſie nimmt er auf's ungeheuerſte dadurch ein, daß er
alles, was fuͤr ſie gelten ſoll, grade als die baarſte
Wirklichkeit nicht ihr, ſondern der ſinnlichen Anſchauung
aufdraͤngt. Wer duͤrfte alles, was er erzaͤhlt, Taͤu¬
ſchung nennen, aber in einigen Stuͤcken iſt doch der
plumpe Aberglauben handgreiflich! Die Erſcheinungen
des Magnetismus muß man am meiſten zugeſtehen,
doch ſind das dunkle Regionen, mit denen ſich der be¬
ſonnene, dem Tage zugewandte Geiſt nicht gern befaßt,
ſondern ſie den Forſchern uͤberlaͤßt, die dazu durch Na¬
turanlage beguͤnſtigt ſind. Jung war Arzt, indeß da¬
von kommt dem Buche nichts zu gut, als daß er bei
manchen Wundern zweifelt, und ſie als Verirrungen
des Aberglaubens verwirft. Aber ſeine willkuͤrlichen
Vorſtellungen vom blaͤulichen Dunſtkreis der Seele,
vom Hades, und andres dergleichen, ſtellt er als un¬
zweifelhafte Naturwahrheiten hin. Seine Glaͤubigkeit
iſt ruͤhrend, ſeine Abſicht ſehr redlich, nur hat er nicht
friſche Geiſteskraft und ſcharfen Verſtand genug, um
die wahre Bahn zwiſchen Unglauben und Aberglauben
zu beſtimmen. Dieſe Bahn beſtimmt ſich fuͤr jeden
Menſchen wohl nach eignem Maße. Die auffallende
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[108/0120] den Buchſtaben des Chriſtenthums zuruͤckfuͤhrt, alle ge¬ ſelligen und politiſchen Ereigniſſe davon abhaͤngig macht, das Feuer ſeiner Ueberzeugung, alles dies reißt unſern Glauben auf einen Augenblick hin, und unſ're Phan¬ taſie nimmt er auf's ungeheuerſte dadurch ein, daß er alles, was fuͤr ſie gelten ſoll, grade als die baarſte Wirklichkeit nicht ihr, ſondern der ſinnlichen Anſchauung aufdraͤngt. Wer duͤrfte alles, was er erzaͤhlt, Taͤu¬ ſchung nennen, aber in einigen Stuͤcken iſt doch der plumpe Aberglauben handgreiflich! Die Erſcheinungen des Magnetismus muß man am meiſten zugeſtehen, doch ſind das dunkle Regionen, mit denen ſich der be¬ ſonnene, dem Tage zugewandte Geiſt nicht gern befaßt, ſondern ſie den Forſchern uͤberlaͤßt, die dazu durch Na¬ turanlage beguͤnſtigt ſind. Jung war Arzt, indeß da¬ von kommt dem Buche nichts zu gut, als daß er bei manchen Wundern zweifelt, und ſie als Verirrungen des Aberglaubens verwirft. Aber ſeine willkuͤrlichen Vorſtellungen vom blaͤulichen Dunſtkreis der Seele, vom Hades, und andres dergleichen, ſtellt er als un¬ zweifelhafte Naturwahrheiten hin. Seine Glaͤubigkeit iſt ruͤhrend, ſeine Abſicht ſehr redlich, nur hat er nicht friſche Geiſteskraft und ſcharfen Verſtand genug, um die wahre Bahn zwiſchen Unglauben und Aberglauben zu beſtimmen. Dieſe Bahn beſtimmt ſich fuͤr jeden Menſchen wohl nach eignem Maße. Die auffallende Prophezeihung von Cazotte zum Beiſpiel, die hier nach

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/120>, abgerufen am 04.12.2024.