des Helden endigt. Geniale Züge bezeichnen diese Bahn von Anfang bis zu Ende; einige derselben habe ich mir besonders aufgezeichnet. Es wäre der Mühe werth, daß dieser Mann sein eignes Leben schriebe, wozu doch seine praktische Rastlosigkeit ihn schwerlich gelangen läßt.
Tübingen, Donnerstag den 29. December 1808. Hier hat sich noch ein Poet eingefunden, mit dem ich bei Cotta einen Abend zugebracht habe. Es ist der Däne Jens Baggesen, der mir auf das Wort von Voß, Erhard, und Andern, bisher viel galt, und der mir nun auf sein eignes wenig gilt. Er kommt von Paris, hat gegen Napoleon einen politischen Faust ge¬ dichtet, den er natürlich nicht kann drucken lassen, macht Spottgedichte gegen die deutschen Romantiker, will sogar von Göthe wenig wissen, und meint, man sei ein Dichter, wenn man sich selbstgefällig über alles erhebt, und von Voß die Schmiedearbeit deutscher Hera¬ meter gelernt hat! Er ist gränzenlos eitel, trägt sich immer vor, paßt sich alte Anekdoten und Geschichten an, sucht Effekt darin zu machen, und das läuft bis¬ weilen so schal und kläglich ab, daß ich mich für ihn schäme. Er thut sehr wichtig damit, daß er die fran¬ zösischen Sachen und die bedeutenden Personen in Paris einigermaßen kennt, spricht von seinen großen Verbin¬ dungen, Planen, sogar Gefahren. Cotta'n hat er ganz für sich eingenommen, und die Frau gleichfalls. Sie sind beide geschmeichelt durch die Art, wie er sich um
des Helden endigt. Geniale Zuͤge bezeichnen dieſe Bahn von Anfang bis zu Ende; einige derſelben habe ich mir beſonders aufgezeichnet. Es waͤre der Muͤhe werth, daß dieſer Mann ſein eignes Leben ſchriebe, wozu doch ſeine praktiſche Raſtloſigkeit ihn ſchwerlich gelangen laͤßt.
Tuͤbingen, Donnerstag den 29. December 1808. Hier hat ſich noch ein Poet eingefunden, mit dem ich bei Cotta einen Abend zugebracht habe. Es iſt der Daͤne Jens Baggeſen, der mir auf das Wort von Voß, Erhard, und Andern, bisher viel galt, und der mir nun auf ſein eignes wenig gilt. Er kommt von Paris, hat gegen Napoleon einen politiſchen Fauſt ge¬ dichtet, den er natuͤrlich nicht kann drucken laſſen, macht Spottgedichte gegen die deutſchen Romantiker, will ſogar von Goͤthe wenig wiſſen, und meint, man ſei ein Dichter, wenn man ſich ſelbſtgefaͤllig uͤber alles erhebt, und von Voß die Schmiedearbeit deutſcher Hera¬ meter gelernt hat! Er iſt graͤnzenlos eitel, traͤgt ſich immer vor, paßt ſich alte Anekdoten und Geſchichten an, ſucht Effekt darin zu machen, und das laͤuft bis¬ weilen ſo ſchal und klaͤglich ab, daß ich mich fuͤr ihn ſchaͤme. Er thut ſehr wichtig damit, daß er die fran¬ zoͤſiſchen Sachen und die bedeutenden Perſonen in Paris einigermaßen kennt, ſpricht von ſeinen großen Verbin¬ dungen, Planen, ſogar Gefahren. Cotta'n hat er ganz fuͤr ſich eingenommen, und die Frau gleichfalls. Sie ſind beide geſchmeichelt durch die Art, wie er ſich um
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des Helden endigt. Geniale Zuͤge bezeichnen dieſe Bahn
von Anfang bis zu Ende; einige derſelben habe ich mir
beſonders aufgezeichnet. Es waͤre der Muͤhe werth,
daß dieſer Mann ſein eignes Leben ſchriebe, wozu doch
ſeine praktiſche Raſtloſigkeit ihn ſchwerlich gelangen laͤßt.
Tuͤbingen, Donnerstag den 29. December 1808.
Hier hat ſich noch ein Poet eingefunden, mit dem ich
bei Cotta einen Abend zugebracht habe. Es iſt der
Daͤne Jens Baggeſen, der mir auf das Wort von
Voß, Erhard, und Andern, bisher viel galt, und der
mir nun auf ſein eignes wenig gilt. Er kommt von
Paris, hat gegen Napoleon einen politiſchen Fauſt ge¬
dichtet, den er natuͤrlich nicht kann drucken laſſen,
macht Spottgedichte gegen die deutſchen Romantiker,
will ſogar von Goͤthe wenig wiſſen, und meint, man
ſei ein Dichter, wenn man ſich ſelbſtgefaͤllig uͤber alles
erhebt, und von Voß die Schmiedearbeit deutſcher Hera¬
meter gelernt hat! Er iſt graͤnzenlos eitel, traͤgt ſich
immer vor, paßt ſich alte Anekdoten und Geſchichten
an, ſucht Effekt darin zu machen, und das laͤuft bis¬
weilen ſo ſchal und klaͤglich ab, daß ich mich fuͤr ihn
ſchaͤme. Er thut ſehr wichtig damit, daß er die fran¬
zoͤſiſchen Sachen und die bedeutenden Perſonen in Paris
einigermaßen kennt, ſpricht von ſeinen großen Verbin¬
dungen, Planen, ſogar Gefahren. Cotta'n hat er ganz
fuͤr ſich eingenommen, und die Frau gleichfalls. Sie
ſind beide geſchmeichelt durch die Art, wie er ſich um
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/128>, abgerufen am 11.12.2024.
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