Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

ihren Beifall bewirbt, und Cotta findet, daß er Geist
und Witz im Uebermaß habe. Ich aber empfehle mich
nicht durch meinen Witz, daß ich sage, sein Faust sei
doch nur eine Faust in der Tasche! -- Baggesen scheint
in Stuttgart etwas zu suchen, und einiger Gunst schon
versichert zu sein, das wirkt auch bei Cotta mit, wie
ich das schon in Betreff Matthisson's gesehen, der die
entschiedene Vorliebe des Königs gewonnen und eine
schöne Anstellung erhalten hat, weshalb ihm nun von
allen Seiten auf die widerwärtigste Weise der Hof ge¬
macht wird, und er in poetischen und litterarischen Din¬
gen plötzlich eine Ministerautorität sein soll; das Mor¬
genblatt ist da denn eifrig auf dem Platz, und lächelt
huldigend! --

Zu einem andern Dichter hat mich Kerner geführt,
zu einem Dichter im wahren vollen Sinne, einem
ächten Meister der Poesie, der aber nicht am Hofe zu
suchen ist, noch in Cotta's Abendgesellschaft, sondern --
im Irrenhaus. Wie ein Strafschauder traf es mich,
als ich zuerst vernahm, Hölderlin lebe hier seit ein
paar Jahren als Wahnsinniger! Der edle Dichter des
Hyperion, und so manches herrlichen Liedes voll Sehn¬
sucht und Heldenmuth, hatte allerdings eine Uebersetzung
des Sophokles in Druck gegeben, die mir ziemlich toll
vorgekommen war, aber nur litterarisch toll, worin
man bei uns sehr weit gehen kann, ohne grade wahn¬
sinnig zu sein, oder dafür gehalten zu werden. Diese

ihren Beifall bewirbt, und Cotta findet, daß er Geiſt
und Witz im Uebermaß habe. Ich aber empfehle mich
nicht durch meinen Witz, daß ich ſage, ſein Fauſt ſei
doch nur eine Fauſt in der Taſche! — Baggeſen ſcheint
in Stuttgart etwas zu ſuchen, und einiger Gunſt ſchon
verſichert zu ſein, das wirkt auch bei Cotta mit, wie
ich das ſchon in Betreff Matthiſſon's geſehen, der die
entſchiedene Vorliebe des Koͤnigs gewonnen und eine
ſchoͤne Anſtellung erhalten hat, weshalb ihm nun von
allen Seiten auf die widerwaͤrtigſte Weiſe der Hof ge¬
macht wird, und er in poetiſchen und litterariſchen Din¬
gen ploͤtzlich eine Miniſterautoritaͤt ſein ſoll; das Mor¬
genblatt iſt da denn eifrig auf dem Platz, und laͤchelt
huldigend! —

Zu einem andern Dichter hat mich Kerner gefuͤhrt,
zu einem Dichter im wahren vollen Sinne, einem
aͤchten Meiſter der Poeſie, der aber nicht am Hofe zu
ſuchen iſt, noch in Cotta's Abendgeſellſchaft, ſondern —
im Irrenhaus. Wie ein Strafſchauder traf es mich,
als ich zuerſt vernahm, Hoͤlderlin lebe hier ſeit ein
paar Jahren als Wahnſinniger! Der edle Dichter des
Hyperion, und ſo manches herrlichen Liedes voll Sehn¬
ſucht und Heldenmuth, hatte allerdings eine Ueberſetzung
des Sophokles in Druck gegeben, die mir ziemlich toll
vorgekommen war, aber nur litterariſch toll, worin
man bei uns ſehr weit gehen kann, ohne grade wahn¬
ſinnig zu ſein, oder dafuͤr gehalten zu werden. Dieſe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0129" n="117"/>
ihren Beifall bewirbt, und Cotta findet, daß er Gei&#x017F;t<lb/>
und Witz im Uebermaß habe. Ich aber empfehle mich<lb/>
nicht durch <hi rendition="#g">meinen</hi> Witz, daß ich &#x017F;age, &#x017F;ein Fau&#x017F;t &#x017F;ei<lb/>
doch nur eine Fau&#x017F;t in der Ta&#x017F;che! &#x2014; Bagge&#x017F;en &#x017F;cheint<lb/>
in Stuttgart etwas zu &#x017F;uchen, und einiger Gun&#x017F;t &#x017F;chon<lb/>
ver&#x017F;ichert zu &#x017F;ein, das wirkt auch bei Cotta mit, wie<lb/>
ich das &#x017F;chon in Betreff Matthi&#x017F;&#x017F;on's ge&#x017F;ehen, der die<lb/>
ent&#x017F;chiedene Vorliebe des Ko&#x0364;nigs gewonnen und eine<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;ne An&#x017F;tellung erhalten hat, weshalb ihm nun von<lb/>
allen Seiten auf die widerwa&#x0364;rtig&#x017F;te Wei&#x017F;e der Hof ge¬<lb/>
macht wird, und er in poeti&#x017F;chen und litterari&#x017F;chen Din¬<lb/>
gen plo&#x0364;tzlich eine Mini&#x017F;terautorita&#x0364;t &#x017F;ein &#x017F;oll; das Mor¬<lb/>
genblatt i&#x017F;t da denn eifrig auf dem Platz, und la&#x0364;chelt<lb/>
huldigend! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Zu einem andern Dichter hat mich Kerner gefu&#x0364;hrt,<lb/>
zu einem Dichter im wahren vollen Sinne, einem<lb/>
a&#x0364;chten Mei&#x017F;ter der Poe&#x017F;ie, der aber nicht am Hofe zu<lb/>
&#x017F;uchen i&#x017F;t, noch in Cotta's Abendge&#x017F;ell&#x017F;chaft, &#x017F;ondern &#x2014;<lb/>
im Irrenhaus. Wie ein Straf&#x017F;chauder traf es mich,<lb/>
als ich zuer&#x017F;t vernahm, Ho&#x0364;lderlin lebe hier &#x017F;eit ein<lb/>
paar Jahren als Wahn&#x017F;inniger! Der edle Dichter des<lb/>
Hyperion, und &#x017F;o manches herrlichen Liedes voll Sehn¬<lb/>
&#x017F;ucht und Heldenmuth, hatte allerdings eine Ueber&#x017F;etzung<lb/>
des Sophokles in Druck gegeben, die mir ziemlich toll<lb/>
vorgekommen war, aber nur litterari&#x017F;ch toll, worin<lb/>
man bei uns &#x017F;ehr weit gehen kann, ohne grade wahn¬<lb/>
&#x017F;innig zu &#x017F;ein, oder dafu&#x0364;r gehalten zu werden. Die&#x017F;e<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0129] ihren Beifall bewirbt, und Cotta findet, daß er Geiſt und Witz im Uebermaß habe. Ich aber empfehle mich nicht durch meinen Witz, daß ich ſage, ſein Fauſt ſei doch nur eine Fauſt in der Taſche! — Baggeſen ſcheint in Stuttgart etwas zu ſuchen, und einiger Gunſt ſchon verſichert zu ſein, das wirkt auch bei Cotta mit, wie ich das ſchon in Betreff Matthiſſon's geſehen, der die entſchiedene Vorliebe des Koͤnigs gewonnen und eine ſchoͤne Anſtellung erhalten hat, weshalb ihm nun von allen Seiten auf die widerwaͤrtigſte Weiſe der Hof ge¬ macht wird, und er in poetiſchen und litterariſchen Din¬ gen ploͤtzlich eine Miniſterautoritaͤt ſein ſoll; das Mor¬ genblatt iſt da denn eifrig auf dem Platz, und laͤchelt huldigend! — Zu einem andern Dichter hat mich Kerner gefuͤhrt, zu einem Dichter im wahren vollen Sinne, einem aͤchten Meiſter der Poeſie, der aber nicht am Hofe zu ſuchen iſt, noch in Cotta's Abendgeſellſchaft, ſondern — im Irrenhaus. Wie ein Strafſchauder traf es mich, als ich zuerſt vernahm, Hoͤlderlin lebe hier ſeit ein paar Jahren als Wahnſinniger! Der edle Dichter des Hyperion, und ſo manches herrlichen Liedes voll Sehn¬ ſucht und Heldenmuth, hatte allerdings eine Ueberſetzung des Sophokles in Druck gegeben, die mir ziemlich toll vorgekommen war, aber nur litterariſch toll, worin man bei uns ſehr weit gehen kann, ohne grade wahn¬ ſinnig zu ſein, oder dafuͤr gehalten zu werden. Dieſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/129
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/129>, abgerufen am 14.05.2024.