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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838.

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Nacht zurück, und kamen durch die dunkle Wüste spät
und voll schauerlicher Betrachtungen in Steinfurt wie¬
der an, das uns mit seinen Lichtern und bekannten
Wohnräumen wie der neuste, heiterste Ort erschien.

Noch vor Eintritt des Winters kehrte die Fürstin
von Solms-Lich mit ihren vier Söhnen nach der Wet¬
terau zurück, und die Gesellschaft in Steinfurt wurde
merklich einfacher und stiller. Die nasse Witterung er¬
laubte weniger, im Freien zu sein, und man sah sich
auf die Hülfsquellen winterlicher Unterhaltung beschränkt.
Die Aussicht, daß auch wir die Rückreise nach Wien
und Prag bald antreten könnten, verhüllte sich mehr
und mehr, und wir mußten uns darin ergeben, einen
Theil des Winters hier abzuwarten. Für mich und
mein Bedürfniß war am leichtesten gesorgt, der frühere
Abend ging mir in der herkömmlichen Geselligkeit an¬
genehm hin, und wenn diese Pflicht so weit erfüllt war,
als die Neigung mit ihr Schritt hielt, zog ich mich
gewöhnlich bei Zeiten auf mein Zimmer zurück, und
fing mein arbeitsames Nachtleben wieder an. Die reiche
Büchersammlung des Grafen war mir zum Gebrauch
eröffnet, und ich schwelgte in den mannigfachsten Gei¬
stesrichtungen. Große Sammlungen, wie Schlözer's
Briefwechsel und Staatsanzeigen, las oder blätterte ich
durch, und merkte mir durch Auszüge vieles an. Ein
näheres Eingehen in die Geschichte von Westphalen
führte mir in den langweilig ausgesponnenen Einzeln¬

III. 10

Nacht zuruͤck, und kamen durch die dunkle Wuͤſte ſpaͤt
und voll ſchauerlicher Betrachtungen in Steinfurt wie¬
der an, das uns mit ſeinen Lichtern und bekannten
Wohnraͤumen wie der neuſte, heiterſte Ort erſchien.

Noch vor Eintritt des Winters kehrte die Fuͤrſtin
von Solms-Lich mit ihren vier Soͤhnen nach der Wet¬
terau zuruͤck, und die Geſellſchaft in Steinfurt wurde
merklich einfacher und ſtiller. Die naſſe Witterung er¬
laubte weniger, im Freien zu ſein, und man ſah ſich
auf die Huͤlfsquellen winterlicher Unterhaltung beſchraͤnkt.
Die Ausſicht, daß auch wir die Ruͤckreiſe nach Wien
und Prag bald antreten koͤnnten, verhuͤllte ſich mehr
und mehr, und wir mußten uns darin ergeben, einen
Theil des Winters hier abzuwarten. Fuͤr mich und
mein Beduͤrfniß war am leichteſten geſorgt, der fruͤhere
Abend ging mir in der herkoͤmmlichen Geſelligkeit an¬
genehm hin, und wenn dieſe Pflicht ſo weit erfuͤllt war,
als die Neigung mit ihr Schritt hielt, zog ich mich
gewoͤhnlich bei Zeiten auf mein Zimmer zuruͤck, und
fing mein arbeitſames Nachtleben wieder an. Die reiche
Buͤcherſammlung des Grafen war mir zum Gebrauch
eroͤffnet, und ich ſchwelgte in den mannigfachſten Gei¬
ſtesrichtungen. Große Sammlungen, wie Schloͤzer's
Briefwechſel und Staatsanzeigen, las oder blaͤtterte ich
durch, und merkte mir durch Auszuͤge vieles an. Ein
naͤheres Eingehen in die Geſchichte von Weſtphalen
fuͤhrte mir in den langweilig ausgeſponnenen Einzeln¬

III. 10
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[145/0157] Nacht zuruͤck, und kamen durch die dunkle Wuͤſte ſpaͤt und voll ſchauerlicher Betrachtungen in Steinfurt wie¬ der an, das uns mit ſeinen Lichtern und bekannten Wohnraͤumen wie der neuſte, heiterſte Ort erſchien. Noch vor Eintritt des Winters kehrte die Fuͤrſtin von Solms-Lich mit ihren vier Soͤhnen nach der Wet¬ terau zuruͤck, und die Geſellſchaft in Steinfurt wurde merklich einfacher und ſtiller. Die naſſe Witterung er¬ laubte weniger, im Freien zu ſein, und man ſah ſich auf die Huͤlfsquellen winterlicher Unterhaltung beſchraͤnkt. Die Ausſicht, daß auch wir die Ruͤckreiſe nach Wien und Prag bald antreten koͤnnten, verhuͤllte ſich mehr und mehr, und wir mußten uns darin ergeben, einen Theil des Winters hier abzuwarten. Fuͤr mich und mein Beduͤrfniß war am leichteſten geſorgt, der fruͤhere Abend ging mir in der herkoͤmmlichen Geſelligkeit an¬ genehm hin, und wenn dieſe Pflicht ſo weit erfuͤllt war, als die Neigung mit ihr Schritt hielt, zog ich mich gewoͤhnlich bei Zeiten auf mein Zimmer zuruͤck, und fing mein arbeitſames Nachtleben wieder an. Die reiche Buͤcherſammlung des Grafen war mir zum Gebrauch eroͤffnet, und ich ſchwelgte in den mannigfachſten Gei¬ ſtesrichtungen. Große Sammlungen, wie Schloͤzer's Briefwechſel und Staatsanzeigen, las oder blaͤtterte ich durch, und merkte mir durch Auszuͤge vieles an. Ein naͤheres Eingehen in die Geſchichte von Weſtphalen fuͤhrte mir in den langweilig ausgeſponnenen Einzeln¬ III. 10

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/157>, abgerufen am 14.05.2024.