nicht ab, im Gegentheil, Stein's Unfall beglaubigte ihn als unwiderruflichen Feind der Franzosen, dem keine Aussöhnung möglich sei, und dessen Versehen sogar nur den Eifer kund gab, der in jeder auch kleinsten Gele¬ genheit sich selber bloßzustellen kein Bedenken trug. In solchem Ansehen und solcher Würdigung lebte Stein bei den Besten und Würdigsten auch in Prag.
Er stand mit den vornehmen Familien in herge¬ brachtem Verkehr, hielt sich aber im Ganzen sehr zu¬ rückgezogen, und hatte nur wenig Umgang, der auch selten seinen Ansprüchen genügen konnte. Denn er machte unausgesetzt die größten Forderungen. Ehrenfest und deutsch wollte er die Menschen, aber auch fein und wohlgesittet, von wissenschaftlicher Bildung, aber auch entschlossen und thatkräftig, wo möglich noch unterhal¬ tend durch Geist und Witz. Freilich war er selbst dies alles, aber nur selten wurde ihm dergleichen dargebo¬ ten, in Prag nur durch Pfuel, die Grafen von Stern¬ berg, und vielleicht noch zwei bis drei Andere. Er war auch schon zufrieden, solche Eigenschaften theilweise vorzufinden, oder in solcher Richtung den guten Willen. Ich hatte über Paris und Napoleon mancherlei aufge¬ schrieben, war kürzlich durch einen großen Theil von Deutschland gereist, hatte ja auch schon gegen die Fran¬ zosen gefochten, dies alles, wovon Stein hörte und angezogen wurde, verschaffte auch mir die Gunst, daß er mich kennen lernen wollte. Pfuel führte mich zu ihm.
nicht ab, im Gegentheil, Stein's Unfall beglaubigte ihn als unwiderruflichen Feind der Franzoſen, dem keine Ausſoͤhnung moͤglich ſei, und deſſen Verſehen ſogar nur den Eifer kund gab, der in jeder auch kleinſten Gele¬ genheit ſich ſelber bloßzuſtellen kein Bedenken trug. In ſolchem Anſehen und ſolcher Wuͤrdigung lebte Stein bei den Beſten und Wuͤrdigſten auch in Prag.
Er ſtand mit den vornehmen Familien in herge¬ brachtem Verkehr, hielt ſich aber im Ganzen ſehr zu¬ ruͤckgezogen, und hatte nur wenig Umgang, der auch ſelten ſeinen Anſpruͤchen genuͤgen konnte. Denn er machte unausgeſetzt die groͤßten Forderungen. Ehrenfeſt und deutſch wollte er die Menſchen, aber auch fein und wohlgeſittet, von wiſſenſchaftlicher Bildung, aber auch entſchloſſen und thatkraͤftig, wo moͤglich noch unterhal¬ tend durch Geiſt und Witz. Freilich war er ſelbſt dies alles, aber nur ſelten wurde ihm dergleichen dargebo¬ ten, in Prag nur durch Pfuel, die Grafen von Stern¬ berg, und vielleicht noch zwei bis drei Andere. Er war auch ſchon zufrieden, ſolche Eigenſchaften theilweiſe vorzufinden, oder in ſolcher Richtung den guten Willen. Ich hatte uͤber Paris und Napoleon mancherlei aufge¬ ſchrieben, war kuͤrzlich durch einen großen Theil von Deutſchland gereiſt, hatte ja auch ſchon gegen die Fran¬ zoſen gefochten, dies alles, wovon Stein hoͤrte und angezogen wurde, verſchaffte auch mir die Gunſt, daß er mich kennen lernen wollte. Pfuel fuͤhrte mich zu ihm.
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nicht ab, im Gegentheil, Stein's Unfall beglaubigte ihn
als unwiderruflichen Feind der Franzoſen, dem keine
Ausſoͤhnung moͤglich ſei, und deſſen Verſehen ſogar nur
den Eifer kund gab, der in jeder auch kleinſten Gele¬
genheit ſich ſelber bloßzuſtellen kein Bedenken trug.
In ſolchem Anſehen und ſolcher Wuͤrdigung lebte Stein
bei den Beſten und Wuͤrdigſten auch in Prag.
Er ſtand mit den vornehmen Familien in herge¬
brachtem Verkehr, hielt ſich aber im Ganzen ſehr zu¬
ruͤckgezogen, und hatte nur wenig Umgang, der auch
ſelten ſeinen Anſpruͤchen genuͤgen konnte. Denn er
machte unausgeſetzt die groͤßten Forderungen. Ehrenfeſt
und deutſch wollte er die Menſchen, aber auch fein und
wohlgeſittet, von wiſſenſchaftlicher Bildung, aber auch
entſchloſſen und thatkraͤftig, wo moͤglich noch unterhal¬
tend durch Geiſt und Witz. Freilich war er ſelbſt dies
alles, aber nur ſelten wurde ihm dergleichen dargebo¬
ten, in Prag nur durch Pfuel, die Grafen von Stern¬
berg, und vielleicht noch zwei bis drei Andere. Er
war auch ſchon zufrieden, ſolche Eigenſchaften theilweiſe
vorzufinden, oder in ſolcher Richtung den guten Willen.
Ich hatte uͤber Paris und Napoleon mancherlei aufge¬
ſchrieben, war kuͤrzlich durch einen großen Theil von
Deutſchland gereiſt, hatte ja auch ſchon gegen die Fran¬
zoſen gefochten, dies alles, wovon Stein hoͤrte und
angezogen wurde, verſchaffte auch mir die Gunſt, daß
er mich kennen lernen wollte. Pfuel fuͤhrte mich zu ihm.
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/185>, abgerufen am 24.11.2024.
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