die ausgezeichnetsten Personen aus der höhern Gesell¬ schaft sich einfanden, und wo überhaupt ein eben so anständiger als ungezwungner Ton herrschte.
Ich übergehe hier eine Menge von Erscheinungen, Wirren und Entwicklungen, welche zum Theil den reichsten Stoff romantischer Lebensbilder darböten, und eile zunächst nur die Züge flüchtig zu erfassen, welche mit der Wendung der politischen Angelegenheiten in Zusammenhang stehen.
Der Winter war mir trotz aller Zerstreuungen doch größtentheils in Stille und Fleiß vergangen. Mit dem Frühjahr wurden die Aussichten zum Kriege zwischen Rußland und Frankreich immer deutlicher, und setzten alles in unruhige Bewegung. Die Uebungen frischer Thätigkeit wurden vorgenommen; die Reitbahn, der Fechtboden, die von dem Grafen zu Bentheim mit thätigster Beihülfe Pfuel's errichtete Schwimmschule, wurden fleißig besucht. Die größten Zweifel und Ueber¬ legungen aber kämpften in den Gemüthern, welchen Antheil bei den bevorstehenden Ereignissen der Einzelne in den jetzigen Verhältnissen hoffen könne, welche neue er wählen dürfe? In Prag hatten sich die stärksten Mächte und Antriebe zum Hasse gegen Napoleon zu¬ sammengehäuft. Der Kurfürst von Hessen-Kassel lebte dort als Vertriebener, mit vielem Anhang und seinem größtentheils geretteten Schatze, voll Trotz und Ver¬ trauen auf einen Umschwung der Dinge, und stets
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die ausgezeichnetſten Perſonen aus der hoͤhern Geſell¬ ſchaft ſich einfanden, und wo uͤberhaupt ein eben ſo anſtaͤndiger als ungezwungner Ton herrſchte.
Ich uͤbergehe hier eine Menge von Erſcheinungen, Wirren und Entwicklungen, welche zum Theil den reichſten Stoff romantiſcher Lebensbilder darboͤten, und eile zunaͤchſt nur die Zuͤge fluͤchtig zu erfaſſen, welche mit der Wendung der politiſchen Angelegenheiten in Zuſammenhang ſtehen.
Der Winter war mir trotz aller Zerſtreuungen doch groͤßtentheils in Stille und Fleiß vergangen. Mit dem Fruͤhjahr wurden die Ausſichten zum Kriege zwiſchen Rußland und Frankreich immer deutlicher, und ſetzten alles in unruhige Bewegung. Die Uebungen friſcher Thaͤtigkeit wurden vorgenommen; die Reitbahn, der Fechtboden, die von dem Grafen zu Bentheim mit thaͤtigſter Beihuͤlfe Pfuel's errichtete Schwimmſchule, wurden fleißig beſucht. Die groͤßten Zweifel und Ueber¬ legungen aber kaͤmpften in den Gemuͤthern, welchen Antheil bei den bevorſtehenden Ereigniſſen der Einzelne in den jetzigen Verhaͤltniſſen hoffen koͤnne, welche neue er waͤhlen duͤrfe? In Prag hatten ſich die ſtaͤrkſten Maͤchte und Antriebe zum Haſſe gegen Napoleon zu¬ ſammengehaͤuft. Der Kurfuͤrſt von Heſſen-Kaſſel lebte dort als Vertriebener, mit vielem Anhang und ſeinem groͤßtentheils geretteten Schatze, voll Trotz und Ver¬ trauen auf einen Umſchwung der Dinge, und ſtets
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[195/0207]
die ausgezeichnetſten Perſonen aus der hoͤhern Geſell¬
ſchaft ſich einfanden, und wo uͤberhaupt ein eben ſo
anſtaͤndiger als ungezwungner Ton herrſchte.
Ich uͤbergehe hier eine Menge von Erſcheinungen,
Wirren und Entwicklungen, welche zum Theil den
reichſten Stoff romantiſcher Lebensbilder darboͤten, und
eile zunaͤchſt nur die Zuͤge fluͤchtig zu erfaſſen, welche
mit der Wendung der politiſchen Angelegenheiten in
Zuſammenhang ſtehen.
Der Winter war mir trotz aller Zerſtreuungen doch
groͤßtentheils in Stille und Fleiß vergangen. Mit dem
Fruͤhjahr wurden die Ausſichten zum Kriege zwiſchen
Rußland und Frankreich immer deutlicher, und ſetzten
alles in unruhige Bewegung. Die Uebungen friſcher
Thaͤtigkeit wurden vorgenommen; die Reitbahn, der
Fechtboden, die von dem Grafen zu Bentheim mit
thaͤtigſter Beihuͤlfe Pfuel's errichtete Schwimmſchule,
wurden fleißig beſucht. Die groͤßten Zweifel und Ueber¬
legungen aber kaͤmpften in den Gemuͤthern, welchen
Antheil bei den bevorſtehenden Ereigniſſen der Einzelne
in den jetzigen Verhaͤltniſſen hoffen koͤnne, welche neue
er waͤhlen duͤrfe? In Prag hatten ſich die ſtaͤrkſten
Maͤchte und Antriebe zum Haſſe gegen Napoleon zu¬
ſammengehaͤuft. Der Kurfuͤrſt von Heſſen-Kaſſel lebte
dort als Vertriebener, mit vielem Anhang und ſeinem
groͤßtentheils geretteten Schatze, voll Trotz und Ver¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/207>, abgerufen am 24.11.2024.
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