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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

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bei mir, ist jetzt für mich gar nichts. Jeder andere Fremde
hätte mich auch gar nicht affiziren können. Nur dein L. der
sich mir gleich als edel ankündigte; dem ich einmal -- wie
eine Karpe den Rachen aufsperrt zum Bissen -- gute Zeit
machen wollte. Dies sei meine Entschuldigung! Ich bin
noch mehr zu entschuldigen; der Mensch gefiel mir in
ihm, aber -- doch genug! ich bin ihm gut, sehr gut; und
habe die beste Meinung von ihm. Es ist mir ein Trost, ihn
für dich in Stralsund zu wissen. Bleibt doch beide nicht dort!

Ich reise nun mit der Schlabrendorf. Siehst du, ich, die
nie wollte, habe weichen müssen. Ich muß alles, was ich
kenne, was ich liebe, was mich ärgert und kränkt, reizt und
freut, verlassen! -- Um nichts. In keiner Hoffnung. Es
ist eine Art Tod. Das Schmerzliche davon ist es: das Schreck-
liche und Erhabene davon hat es nur nicht. Sterben muß ich:
aber todt werd' ich nicht sein. Ich weiß die Sache geht wei-
ter. Nun! es giebt geborne Krieger und geborne Gärtner,
ich muß zur Schlacht! -- und als Gemeiner -- still den
Kanonenkuglen entgegen stehen. Wem ich gehorche, weiß ich
nicht; aber geschoben werd' ich, nicht kommandirt. -- Alles
geht hier auseinander. K'n schreib' ich nicht mehr und er mir
auch nicht. Ich habe wie Posa verloren. Und möchte doch
nicht zu den Menschen gehören, die nicht sich auf das Spiel
setzen. Alle, die ich hier liebte, haben mich mißhandelt. Sie
wissen's nicht: ich sag' es nicht; drum geh' ich. Glaube nur
nicht, daß ich hoffe, dort würd' ich würdig empfangen: Gott
bewahre! Die Komödie geht von neuem los; lieben muß ich.
Nur bei dieser Truppe durft' ich nicht mehr bleiben. In's

bei mir, iſt jetzt für mich gar nichts. Jeder andere Fremde
hätte mich auch gar nicht affiziren können. Nur dein L. der
ſich mir gleich als edel ankündigte; dem ich einmal — wie
eine Karpe den Rachen aufſperrt zum Biſſen — gute Zeit
machen wollte. Dies ſei meine Entſchuldigung! Ich bin
noch mehr zu entſchuldigen; der Menſch gefiel mir in
ihm, aber — doch genug! ich bin ihm gut, ſehr gut; und
habe die beſte Meinung von ihm. Es iſt mir ein Troſt, ihn
für dich in Stralſund zu wiſſen. Bleibt doch beide nicht dort!

Ich reiſe nun mit der Schlabrendorf. Siehſt du, ich, die
nie wollte, habe weichen müſſen. Ich muß alles, was ich
kenne, was ich liebe, was mich ärgert und kränkt, reizt und
freut, verlaſſen! — Um nichts. In keiner Hoffnung. Es
iſt eine Art Tod. Das Schmerzliche davon iſt es: das Schreck-
liche und Erhabene davon hat es nur nicht. Sterben muß ich:
aber todt werd’ ich nicht ſein. Ich weiß die Sache geht wei-
ter. Nun! es giebt geborne Krieger und geborne Gärtner,
ich muß zur Schlacht! — und als Gemeiner — ſtill den
Kanonenkuglen entgegen ſtehen. Wem ich gehorche, weiß ich
nicht; aber geſchoben werd’ ich, nicht kommandirt. — Alles
geht hier auseinander. K’n ſchreib’ ich nicht mehr und er mir
auch nicht. Ich habe wie Poſa verloren. Und möchte doch
nicht zu den Menſchen gehören, die nicht ſich auf das Spiel
ſetzen. Alle, die ich hier liebte, haben mich mißhandelt. Sie
wiſſen’s nicht: ich ſag’ es nicht; drum geh’ ich. Glaube nur
nicht, daß ich hoffe, dort würd’ ich würdig empfangen: Gott
bewahre! Die Komödie geht von neuem los; lieben muß ich.
Nur bei dieſer Truppe durft’ ich nicht mehr bleiben. In’s

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[207/0221] bei mir, iſt jetzt für mich gar nichts. Jeder andere Fremde hätte mich auch gar nicht affiziren können. Nur dein L. der ſich mir gleich als edel ankündigte; dem ich einmal — wie eine Karpe den Rachen aufſperrt zum Biſſen — gute Zeit machen wollte. Dies ſei meine Entſchuldigung! Ich bin noch mehr zu entſchuldigen; der Menſch gefiel mir in ihm, aber — doch genug! ich bin ihm gut, ſehr gut; und habe die beſte Meinung von ihm. Es iſt mir ein Troſt, ihn für dich in Stralſund zu wiſſen. Bleibt doch beide nicht dort! Ich reiſe nun mit der Schlabrendorf. Siehſt du, ich, die nie wollte, habe weichen müſſen. Ich muß alles, was ich kenne, was ich liebe, was mich ärgert und kränkt, reizt und freut, verlaſſen! — Um nichts. In keiner Hoffnung. Es iſt eine Art Tod. Das Schmerzliche davon iſt es: das Schreck- liche und Erhabene davon hat es nur nicht. Sterben muß ich: aber todt werd’ ich nicht ſein. Ich weiß die Sache geht wei- ter. Nun! es giebt geborne Krieger und geborne Gärtner, ich muß zur Schlacht! — und als Gemeiner — ſtill den Kanonenkuglen entgegen ſtehen. Wem ich gehorche, weiß ich nicht; aber geſchoben werd’ ich, nicht kommandirt. — Alles geht hier auseinander. K’n ſchreib’ ich nicht mehr und er mir auch nicht. Ich habe wie Poſa verloren. Und möchte doch nicht zu den Menſchen gehören, die nicht ſich auf das Spiel ſetzen. Alle, die ich hier liebte, haben mich mißhandelt. Sie wiſſen’s nicht: ich ſag’ es nicht; drum geh’ ich. Glaube nur nicht, daß ich hoffe, dort würd’ ich würdig empfangen: Gott bewahre! Die Komödie geht von neuem los; lieben muß ich. Nur bei dieſer Truppe durft’ ich nicht mehr bleiben. In’s

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/221>, abgerufen am 22.12.2024.