mir gewiß, was ich brauche, oder beweine es! In Dumpfheit wird mich mein Schöpfer nicht lassen. --
Die Anekdote von dem sächsischen Handwerksburschen ist eine der großartigsten, es ist mir unendlich lieb, daß sie Ihnen begegnet ist; dem einfachsten Menschen. Ich gönne sie Ihnen mehr, als mir. --
Sonntag, 9 Uhr Morgens.
Ich habe Ihnen gestern Abend in der entsetzlichsten Eil rasend schlecht geschrieben: nicht eins wie es aus dem andern hervorgeht, nicht ein bischen Zustand, Stimmung ausgedrückt, Gedanken dargestellt. (Auch jetzt, schon bei den wenigen Wor- ten, bin ich dreimal hinausgeholt worden, zu einer con- sulte,) -- Daß ich mich gestern Abend in allem ärmer nannte, damit meinte ich nicht besonders das Geld; aber ich meine es sehr mit. Bedenken Sie, welche Gesellschaft ich verlor: wel- chen reichen geselligen Umgang, -- den Aufenthalt bei meiner Mutter, der noch Sinn in mein Leben brachte -- mein einzi- ger nennbarer Titel, -- und bei der ich wirklich dreimal rei- cher war, als noch vor einem Monat. Wie behaglich wenig- stens dies alles meinen Aufenthalt hier machte; wie ich mich für Andere regen konnte, ihnen und Freunden zu allen Tages- stunden angenehm sein konnte. Dies alles müssen Sie nur noch hören, damit Sie eine Einsicht in meine Zerschlagenheit bekommen, und mir die dumpfe Klage, den benommenen Sinn zu Gute halten, mit dem ich Sie seit Potsdam quäle; rechnen Sie dazu die Art meiner Komplexion, und was Sie schon von mir und meinem Leben wissen. Ich hatte beinah nie ein re- elles mir gehöriges; und mir ist genommen worden, und ge-
mir gewiß, was ich brauche, oder beweine es! In Dumpfheit wird mich mein Schöpfer nicht laſſen. —
Die Anekdote von dem ſächſiſchen Handwerksburſchen iſt eine der großartigſten, es iſt mir unendlich lieb, daß ſie Ihnen begegnet iſt; dem einfachſten Menſchen. Ich gönne ſie Ihnen mehr, als mir. —
Sonntag, 9 Uhr Morgens.
Ich habe Ihnen geſtern Abend in der entſetzlichſten Eil raſend ſchlecht geſchrieben: nicht eins wie es aus dem andern hervorgeht, nicht ein bischen Zuſtand, Stimmung ausgedrückt, Gedanken dargeſtellt. (Auch jetzt, ſchon bei den wenigen Wor- ten, bin ich dreimal hinausgeholt worden, zu einer con- sulte,) — Daß ich mich geſtern Abend in allem ärmer nannte, damit meinte ich nicht beſonders das Geld; aber ich meine es ſehr mit. Bedenken Sie, welche Geſellſchaft ich verlor: wel- chen reichen geſelligen Umgang, — den Aufenthalt bei meiner Mutter, der noch Sinn in mein Leben brachte — mein einzi- ger nennbarer Titel, — und bei der ich wirklich dreimal rei- cher war, als noch vor einem Monat. Wie behaglich wenig- ſtens dies alles meinen Aufenthalt hier machte; wie ich mich für Andere regen konnte, ihnen und Freunden zu allen Tages- ſtunden angenehm ſein konnte. Dies alles müſſen Sie nur noch hören, damit Sie eine Einſicht in meine Zerſchlagenheit bekommen, und mir die dumpfe Klage, den benommenen Sinn zu Gute halten, mit dem ich Sie ſeit Potsdam quäle; rechnen Sie dazu die Art meiner Komplexion, und was Sie ſchon von mir und meinem Leben wiſſen. Ich hatte beinah nie ein re- elles mir gehöriges; und mir iſt genommen worden, und ge-
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mir gewiß, was ich brauche, oder beweine es! In Dumpfheit
wird mich mein Schöpfer nicht laſſen. —
Die Anekdote von dem ſächſiſchen Handwerksburſchen iſt
eine der großartigſten, es iſt mir unendlich lieb, daß ſie Ihnen
begegnet iſt; dem einfachſten Menſchen. Ich gönne ſie Ihnen
mehr, als mir. —
Sonntag, 9 Uhr Morgens.
Ich habe Ihnen geſtern Abend in der entſetzlichſten Eil
raſend ſchlecht geſchrieben: nicht eins wie es aus dem andern
hervorgeht, nicht ein bischen Zuſtand, Stimmung ausgedrückt,
Gedanken dargeſtellt. (Auch jetzt, ſchon bei den wenigen Wor-
ten, bin ich dreimal hinausgeholt worden, zu einer con-
sulte,) — Daß ich mich geſtern Abend in allem ärmer nannte,
damit meinte ich nicht beſonders das Geld; aber ich meine es
ſehr mit. Bedenken Sie, welche Geſellſchaft ich verlor: wel-
chen reichen geſelligen Umgang, — den Aufenthalt bei meiner
Mutter, der noch Sinn in mein Leben brachte — mein einzi-
ger nennbarer Titel, — und bei der ich wirklich dreimal rei-
cher war, als noch vor einem Monat. Wie behaglich wenig-
ſtens dies alles meinen Aufenthalt hier machte; wie ich mich
für Andere regen konnte, ihnen und Freunden zu allen Tages-
ſtunden angenehm ſein konnte. Dies alles müſſen Sie nur
noch hören, damit Sie eine Einſicht in meine Zerſchlagenheit
bekommen, und mir die dumpfe Klage, den benommenen Sinn
zu Gute halten, mit dem ich Sie ſeit Potsdam quäle; rechnen
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/553>, abgerufen am 23.12.2024.
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