nommen. Schlag auf Schlag auf mich gefallen, seit Jahren! -- dies alles erwägend werden Sie mir sogar noch Fassung finden. Kommt mir das Leben entgegen, auch noch so kärglich, so bin ich immer da; selten dauert's länger als Augenblicke, daß ich ganz losgelassen meinen persönlichen Schmerz aus dem Herzen lasse, und nur mit meiner eigenen Erlaubniß in Ge- genwart eines Freundes; bald bin ich immer wieder gefaßt, und zu seiner Rede, zu was ihm lieb ist, fertig. Nur in Brie- fen ist das anders. Wo kein Gegenstand meinen Blick trifft, kein fortschreitendes Verhältniß mich auffordert und in Anspruch nimmt, da bin ich nur mir selbst gegenüber, und schaue immer nur in mein Inneres: ein Vergangenes -- Unthätiges -- was wahrlich zu herb wenigstens, wenn auch nicht zu schlecht, der großen sich bildenden Folgen wegen, für ein so zartes leicht tonangebendes Innre war, Dies ist aber alles schon wieder vorüber mit Ihrem gestrigen Briefe. Seine Worte, und die Hoffnung Sie zu sehen, entbanden mir das Herz, Leben sehe ich wieder überall: wie der Sommer den Winter wegtreibt, man weiß nicht wie so; weil er da ist, man weiß nicht wo der Winter bleibt, der vorher so wirklich da war; mit seinem Zusammenziehen, Erstarren, Dunkelheit, Trübe und Zugeschlos- senheit. Sie sehen, ich habe wieder mit einem Lobe von mir geendigt. Ich kann die Furie bei Ihnen nicht untergehen las- sen. Sie und diese, sind mir beide zu lieb. Aber, wenn ich auch oft denke, auch ihm lügst du doch; man ist nicht wahr. So bedenke ich wieder; Sie kennen mich doch, und auch mein Elendestes, und ich bin aufrichtig genug zu wünschen, es möchte wahr sein. So ist es auch; denn nach und nach sage ich
nommen. Schlag auf Schlag auf mich gefallen, ſeit Jahren! — dies alles erwägend werden Sie mir ſogar noch Faſſung finden. Kommt mir das Leben entgegen, auch noch ſo kärglich, ſo bin ich immer da; ſelten dauert’s länger als Augenblicke, daß ich ganz losgelaſſen meinen perſönlichen Schmerz aus dem Herzen laſſe, und nur mit meiner eigenen Erlaubniß in Ge- genwart eines Freundes; bald bin ich immer wieder gefaßt, und zu ſeiner Rede, zu was ihm lieb iſt, fertig. Nur in Brie- fen iſt das anders. Wo kein Gegenſtand meinen Blick trifft, kein fortſchreitendes Verhältniß mich auffordert und in Anſpruch nimmt, da bin ich nur mir ſelbſt gegenüber, und ſchaue immer nur in mein Inneres: ein Vergangenes — Unthätiges — was wahrlich zu herb wenigſtens, wenn auch nicht zu ſchlecht, der großen ſich bildenden Folgen wegen, für ein ſo zartes leicht tonangebendes Innre war, Dies iſt aber alles ſchon wieder vorüber mit Ihrem geſtrigen Briefe. Seine Worte, und die Hoffnung Sie zu ſehen, entbanden mir das Herz, Leben ſehe ich wieder überall: wie der Sommer den Winter wegtreibt, man weiß nicht wie ſo; weil er da iſt, man weiß nicht wo der Winter bleibt, der vorher ſo wirklich da war; mit ſeinem Zuſammenziehen, Erſtarren, Dunkelheit, Trübe und Zugeſchloſ- ſenheit. Sie ſehen, ich habe wieder mit einem Lobe von mir geendigt. Ich kann die Furie bei Ihnen nicht untergehen laſ- ſen. Sie und dieſe, ſind mir beide zu lieb. Aber, wenn ich auch oft denke, auch ihm lügſt du doch; man iſt nicht wahr. So bedenke ich wieder; Sie kennen mich doch, und auch mein Elendeſtes, und ich bin aufrichtig genug zu wünſchen, es möchte wahr ſein. So iſt es auch; denn nach und nach ſage ich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0554"n="540"/>
nommen. Schlag auf Schlag auf mich gefallen, ſeit Jahren!<lb/>— dies alles erwägend werden Sie mir ſogar noch Faſſung<lb/>
finden. Kommt mir das Leben entgegen, auch noch ſo kärglich,<lb/>ſo bin ich immer da; ſelten dauert’s länger als Augenblicke,<lb/>
daß ich ganz losgelaſſen meinen perſönlichen Schmerz aus dem<lb/>
Herzen laſſe, und nur mit meiner eigenen Erlaubniß in Ge-<lb/>
genwart eines Freundes; bald bin ich immer wieder gefaßt,<lb/>
und zu ſeiner Rede, zu was ihm lieb iſt, fertig. Nur in Brie-<lb/>
fen iſt das anders. Wo kein Gegenſtand meinen Blick trifft,<lb/>
kein fortſchreitendes Verhältniß mich auffordert und in Anſpruch<lb/>
nimmt, da bin ich nur mir ſelbſt gegenüber, und ſchaue immer<lb/>
nur in mein Inneres: ein Vergangenes — Unthätiges — was<lb/>
wahrlich zu herb wenigſtens, wenn auch nicht zu <hirendition="#g">ſchlecht</hi>,<lb/>
der großen ſich bildenden Folgen wegen, für ein ſo zartes leicht<lb/>
tonangebendes Innre war, Dies iſt aber alles ſchon wieder<lb/>
vorüber mit Ihrem geſtrigen Briefe. Seine Worte, und die<lb/>
Hoffnung Sie zu ſehen, entbanden mir das Herz, Leben ſehe<lb/>
ich wieder überall: wie der Sommer den Winter wegtreibt,<lb/>
man weiß nicht wie ſo; weil <hirendition="#g">er da</hi> iſt, man weiß nicht wo<lb/>
der Winter bleibt, der vorher ſo wirklich da war; mit ſeinem<lb/>
Zuſammenziehen, Erſtarren, Dunkelheit, Trübe und Zugeſchloſ-<lb/>ſenheit. Sie ſehen, ich habe wieder mit einem Lobe von mir<lb/>
geendigt. Ich kann die Furie bei Ihnen nicht untergehen laſ-<lb/>ſen. Sie und dieſe, ſind mir beide zu lieb. Aber, wenn ich<lb/>
auch oft denke, auch ihm lügſt du doch; man iſt nicht wahr.<lb/>
So bedenke ich wieder; Sie kennen mich doch, und auch mein<lb/>
Elendeſtes, und ich bin aufrichtig genug zu wünſchen, es möchte<lb/>
wahr ſein. So iſt es auch; denn nach und nach ſage ich<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[540/0554]
nommen. Schlag auf Schlag auf mich gefallen, ſeit Jahren!
— dies alles erwägend werden Sie mir ſogar noch Faſſung
finden. Kommt mir das Leben entgegen, auch noch ſo kärglich,
ſo bin ich immer da; ſelten dauert’s länger als Augenblicke,
daß ich ganz losgelaſſen meinen perſönlichen Schmerz aus dem
Herzen laſſe, und nur mit meiner eigenen Erlaubniß in Ge-
genwart eines Freundes; bald bin ich immer wieder gefaßt,
und zu ſeiner Rede, zu was ihm lieb iſt, fertig. Nur in Brie-
fen iſt das anders. Wo kein Gegenſtand meinen Blick trifft,
kein fortſchreitendes Verhältniß mich auffordert und in Anſpruch
nimmt, da bin ich nur mir ſelbſt gegenüber, und ſchaue immer
nur in mein Inneres: ein Vergangenes — Unthätiges — was
wahrlich zu herb wenigſtens, wenn auch nicht zu ſchlecht,
der großen ſich bildenden Folgen wegen, für ein ſo zartes leicht
tonangebendes Innre war, Dies iſt aber alles ſchon wieder
vorüber mit Ihrem geſtrigen Briefe. Seine Worte, und die
Hoffnung Sie zu ſehen, entbanden mir das Herz, Leben ſehe
ich wieder überall: wie der Sommer den Winter wegtreibt,
man weiß nicht wie ſo; weil er da iſt, man weiß nicht wo
der Winter bleibt, der vorher ſo wirklich da war; mit ſeinem
Zuſammenziehen, Erſtarren, Dunkelheit, Trübe und Zugeſchloſ-
ſenheit. Sie ſehen, ich habe wieder mit einem Lobe von mir
geendigt. Ich kann die Furie bei Ihnen nicht untergehen laſ-
ſen. Sie und dieſe, ſind mir beide zu lieb. Aber, wenn ich
auch oft denke, auch ihm lügſt du doch; man iſt nicht wahr.
So bedenke ich wieder; Sie kennen mich doch, und auch mein
Elendeſtes, und ich bin aufrichtig genug zu wünſchen, es möchte
wahr ſein. So iſt es auch; denn nach und nach ſage ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/554>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.