die Wahrheit nicht sagen soll, so hab' ich Ihnen gleich gar nichts zu sagen; dies ist unser einzig Verhältniß." Ich schrieb ihm "Gnädiger Herr;" und "Königliche Hoheit;" und Sie. Im Gespräch eben so, nur in sehr guter Laune, im Scherz, und urgenten Fällen anders. Er nannte mich Kleine, Levi, oder Rahel, oder Mlle. Levi vor Leuten. Vor vielen Jahren, als wir noch nicht so sehr liirt waren, und er nur viel zu mir kam: attakirt' er mich über Goethe. Ich sprach nie von Goe- the. Fing mich in einer Thüre; und docirte, wie schlecht Eg- mont sei, sehr lange, mir zur marterndsten Langenweile, weil ich nur der Schicklichkeit fünf Worte opferte, und gar nicht antwortete. Wie Goethe einen Helden habe so schildern kön- nen! in einer miserablen Liebschaft mit solchem Klärchen etc. Ein Jahr vor seinem Tod schrieb er aber seiner Geliebten, er sei vom Herzog von Weimar mit Goethen zu Hause gegangen, habe sich in sein Bette gelegt; Goethe davor; und da wäre er denn bei Punsch aufgethaut, er habe über alles mit ihm gesprochen, und nun habe er gesehen, was es für ein Mann ist; mit noch vielem Lobe; welches er so beschließt; "Laß dies ja der Kleinen lesen; denn alsdann bin ich ihr gewiß unter Brüdern dreitausend Thaler mehr werth." Dies, Fouque, war mein größter Triumph in der Welt.
Ein großer Prinz, mein Freund, der Vetter meines Königs, der Neffe Friedrichs des Zweiten, der noch von Friedrich selbst gekannt war, mußte mir das schreiben; ohne daß ich je von Goethe mit ihm gesprochen hatte. Es mußte der menschlichste Prinz seiner Zeit, in seinen eigenen leibhaften Freunden dem größten Dichter huldigen. Dies schreib' ich Ihnen aus Eitel-
die Wahrheit nicht ſagen ſoll, ſo hab’ ich Ihnen gleich gar nichts zu ſagen; dies iſt unſer einzig Verhältniß.“ Ich ſchrieb ihm „Gnädiger Herr;“ und „Königliche Hoheit;“ und Sie. Im Geſpräch eben ſo, nur in ſehr guter Laune, im Scherz, und urgenten Fällen anders. Er nannte mich Kleine, Levi, oder Rahel, oder Mlle. Levi vor Leuten. Vor vielen Jahren, als wir noch nicht ſo ſehr liirt waren, und er nur viel zu mir kam: attakirt’ er mich über Goethe. Ich ſprach nie von Goe- the. Fing mich in einer Thüre; und docirte, wie ſchlecht Eg- mont ſei, ſehr lange, mir zur marterndſten Langenweile, weil ich nur der Schicklichkeit fünf Worte opferte, und gar nicht antwortete. Wie Goethe einen Helden habe ſo ſchildern kön- nen! in einer miſerablen Liebſchaft mit ſolchem Klärchen ꝛc. Ein Jahr vor ſeinem Tod ſchrieb er aber ſeiner Geliebten, er ſei vom Herzog von Weimar mit Goethen zu Hauſe gegangen, habe ſich in ſein Bette gelegt; Goethe davor; und da wäre er denn bei Punſch aufgethaut, er habe über alles mit ihm geſprochen, und nun habe er geſehen, was es für ein Mann iſt; mit noch vielem Lobe; welches er ſo beſchließt; „Laß dies ja der Kleinen leſen; denn alsdann bin ich ihr gewiß unter Brüdern dreitauſend Thaler mehr werth.“ Dies, Fouqué, war mein größter Triumph in der Welt.
Ein großer Prinz, mein Freund, der Vetter meines Königs, der Neffe Friedrichs des Zweiten, der noch von Friedrich ſelbſt gekannt war, mußte mir das ſchreiben; ohne daß ich je von Goethe mit ihm geſprochen hatte. Es mußte der menſchlichſte Prinz ſeiner Zeit, in ſeinen eigenen leibhaften Freunden dem größten Dichter huldigen. Dies ſchreib’ ich Ihnen aus Eitel-
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die Wahrheit nicht ſagen ſoll, ſo hab’ ich Ihnen gleich gar
nichts zu ſagen; dies iſt unſer einzig Verhältniß.“ Ich ſchrieb
ihm „Gnädiger Herr;“ und „Königliche Hoheit;“ und Sie.
Im Geſpräch eben ſo, nur in ſehr guter Laune, im Scherz,
und urgenten Fällen anders. Er nannte mich Kleine, Levi,
oder Rahel, oder Mlle. Levi vor Leuten. Vor vielen Jahren,
als wir noch nicht ſo ſehr liirt waren, und er nur viel zu mir
kam: attakirt’ er mich über Goethe. Ich ſprach nie von Goe-
the. Fing mich in einer Thüre; und docirte, wie ſchlecht Eg-
mont ſei, ſehr lange, mir zur marterndſten Langenweile, weil
ich nur der Schicklichkeit fünf Worte opferte, und gar nicht
antwortete. Wie Goethe einen Helden habe ſo ſchildern kön-
nen! in einer miſerablen Liebſchaft mit ſolchem Klärchen ꝛc.
Ein Jahr vor ſeinem Tod ſchrieb er aber ſeiner Geliebten, er
ſei vom Herzog von Weimar mit Goethen zu Hauſe gegangen,
habe ſich in ſein Bette gelegt; Goethe davor; und da wäre
er denn bei Punſch aufgethaut, er habe über alles mit ihm
geſprochen, und nun habe er geſehen, was es für ein Mann
iſt; mit noch vielem Lobe; welches er ſo beſchließt; „Laß dies
ja der Kleinen leſen; denn alsdann bin ich ihr gewiß unter
Brüdern dreitauſend Thaler mehr werth.“ Dies, Fouqué, war
mein größter Triumph in der Welt.
Ein großer Prinz, mein Freund, der Vetter meines Königs,
der Neffe Friedrichs des Zweiten, der noch von Friedrich ſelbſt
gekannt war, mußte mir das ſchreiben; ohne daß ich je von
Goethe mit ihm geſprochen hatte. Es mußte der menſchlichſte
Prinz ſeiner Zeit, in ſeinen eigenen leibhaften Freunden dem
größten Dichter huldigen. Dies ſchreib’ ich Ihnen aus Eitel-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/572>, abgerufen am 23.12.2024.
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