sam in einem fremden Hause? nicht bequem? an mein Mäd- chen gewöhnt? Ist nicht trübes Wetter? Sie haben Recht, lieber Fouque, daß Sie sich voraus entschuldigen: Sie werden wohl in den vierzehn Tagen nicht zu mir kommen! Kommt Frau von Fouque nach Berlin? Legen Sie mich ihr zu Fü- ßen: ich könnte wohl vor ihr knien und mir erzählen lassen, nach den Augen sehen: und auch ihr vom Sommer erzählen. Ich empfehle mich dem ältesten Fräulein, wie alle Meinigen thun. Robert will ja mit dem Fest zu Ihnen schliddren. Adieu! Trauen Sie mir wie bis jetzt. Ihre Freundin R. R.
Ich habe den ganzen Sommer mit Varnhagen gelebt: im Anfang schlecht; und dann sehr gut. Heute sähe ich ihn sehr gerne. Ich lieb' ihn.
An Alexander von der Marwitz, in Potsdam.
Dienstag, den 3. December 1811.
Ich bin es gar nicht werth, an Sie zu schreiben; ich bin zu disgustirt; nicht etwa auf eine schöne Art, wie ich es sonst wohl war in witziger Verzweiflung, in schmerzhaft-reicher Her- zensempörung! Nein, hölzern und zu bin ich geworden, stumm: und eine Talbot'sche Verachtung drückt mir das inn're Reich wie mit einem unerbittlich-künstlichen, höllischen Grabstein zu: ein Indignationsgefühl nur steigt wie scheuer Seufzer, oder Blick, nach den ehmals gekannten, lichten, reichen, Jugendhö- hen, mir selbst zum Zeichen, daß ich noch lebe, noch weiter zu leben habe. Es kann mir kein Mensch hierauf antworten:
denn
ſam in einem fremden Hauſe? nicht bequem? an mein Mäd- chen gewöhnt? Iſt nicht trübes Wetter? Sie haben Recht, lieber Fouqué, daß Sie ſich voraus entſchuldigen: Sie werden wohl in den vierzehn Tagen nicht zu mir kommen! Kommt Frau von Fouqué nach Berlin? Legen Sie mich ihr zu Fü- ßen: ich könnte wohl vor ihr knien und mir erzählen laſſen, nach den Augen ſehen: und auch ihr vom Sommer erzählen. Ich empfehle mich dem älteſten Fräulein, wie alle Meinigen thun. Robert will ja mit dem Feſt zu Ihnen ſchliddren. Adieu! Trauen Sie mir wie bis jetzt. Ihre Freundin R. R.
Ich habe den ganzen Sommer mit Varnhagen gelebt: im Anfang ſchlecht; und dann ſehr gut. Heute ſähe ich ihn ſehr gerne. Ich lieb’ ihn.
An Alexander von der Marwitz, in Potsdam.
Dienstag, den 3. December 1811.
Ich bin es gar nicht werth, an Sie zu ſchreiben; ich bin zu disguſtirt; nicht etwa auf eine ſchöne Art, wie ich es ſonſt wohl war in witziger Verzweiflung, in ſchmerzhaft-reicher Her- zensempörung! Nein, hölzern und zu bin ich geworden, ſtumm: und eine Talbot’ſche Verachtung drückt mir das inn’re Reich wie mit einem unerbittlich-künſtlichen, hölliſchen Grabſtein zu: ein Indignationsgefühl nur ſteigt wie ſcheuer Seufzer, oder Blick, nach den ehmals gekannten, lichten, reichen, Jugendhö- hen, mir ſelbſt zum Zeichen, daß ich noch lebe, noch weiter zu leben habe. Es kann mir kein Menſch hierauf antworten:
denn
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ſam in einem fremden Hauſe? nicht bequem? an mein Mäd-
chen gewöhnt? Iſt nicht trübes Wetter? Sie haben Recht,
lieber Fouqué, daß Sie ſich voraus entſchuldigen: Sie werden
wohl in den vierzehn Tagen nicht zu mir kommen! Kommt
Frau von Fouqué nach Berlin? Legen Sie mich ihr zu Fü-
ßen: ich könnte wohl vor ihr knien und mir erzählen laſſen,
nach den Augen ſehen: und auch ihr vom Sommer erzählen.
Ich empfehle mich dem älteſten Fräulein, wie alle Meinigen
thun. Robert will ja mit dem Feſt zu Ihnen ſchliddren.
Adieu! Trauen Sie mir wie bis jetzt. Ihre Freundin R. R.
Ich habe den ganzen Sommer mit Varnhagen gelebt:
im Anfang ſchlecht; und dann ſehr gut. Heute ſähe ich ihn
ſehr gerne. Ich lieb’ ihn.
An Alexander von der Marwitz, in Potsdam.
Dienstag, den 3. December 1811.
Ich bin es gar nicht werth, an Sie zu ſchreiben; ich bin
zu disguſtirt; nicht etwa auf eine ſchöne Art, wie ich es ſonſt
wohl war in witziger Verzweiflung, in ſchmerzhaft-reicher Her-
zensempörung! Nein, hölzern und zu bin ich geworden, ſtumm:
und eine Talbot’ſche Verachtung drückt mir das inn’re Reich
wie mit einem unerbittlich-künſtlichen, hölliſchen Grabſtein zu:
ein Indignationsgefühl nur ſteigt wie ſcheuer Seufzer, oder
Blick, nach den ehmals gekannten, lichten, reichen, Jugendhö-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/574>, abgerufen am 23.12.2024.
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