men. Grüßen Sie alles! Moritz muß mir mehr schreiben! jede Zeile amüsirt mich, dann schreibe ich wieder und auch amüsant. Ihre R. R. Frau von Sparre tausend Schönes!
An Frau von Grotthuß, in Dresden.
Prag, den 2. Februar 1814.
Arme liebe theure Freundin! Und in welchem Zustand traf dein Brief mich! Auch heute werde ich dir nur in den kürzest abgebrochnen Perioden das Nothwendigste schreiben. Wisse also kurz! Ich bin nach tausend Noth, Angst, Krän- kungen, Mühe und Sorgen, endlich den 9. Mai 1813. aus Berlin dem Landsturm entflohn; ohne Schutz. Kam den vierten Tag nach Breslau, wo ich vier Tage blieb, und von dort nach Reinerz getrieben wurde, von dort wieder weg mußte, und direkt hierher fuhr; die Gräfin Pachta war zwanzig Meilen von hier auf einem Gute, und antwortete mir also nach Reinerz, nur als ich schon weg war: als ich die letzte Post von hier war, mit ganz Preußen, erfuhr ich, daß man hier kein Unterkommen fände, und sah es auch schon unter- wegs. Ich schickte dem Grafen Bentheim einen Boten hier- her, und sprach ihn um seinen Schutz an, -- meine Seele hatte sich schon längst an diese Flucht denkend nur auf ihn verlassen --, er verlieh ihn mir ganz, und ich stieg bei einer Freundin von ihm ab. Diese beiden waren für mich wie Geschwister. Alle alte Freunde nichts. Auch hier erlebte ich noch große Angst, große Noth. Und die größten Evene-
men. Grüßen Sie alles! Moritz muß mir mehr ſchreiben! jede Zeile amüſirt mich, dann ſchreibe ich wieder und auch amüſant. Ihre R. R. Frau von Sparre tauſend Schönes!
An Frau von Grotthuß, in Dresden.
Prag, den 2. Februar 1814.
Arme liebe theure Freundin! Und in welchem Zuſtand traf dein Brief mich! Auch heute werde ich dir nur in den kürzeſt abgebrochnen Perioden das Nothwendigſte ſchreiben. Wiſſe alſo kurz! Ich bin nach tauſend Noth, Angſt, Krän- kungen, Mühe und Sorgen, endlich den 9. Mai 1813. aus Berlin dem Landſturm entflohn; ohne Schutz. Kam den vierten Tag nach Breslau, wo ich vier Tage blieb, und von dort nach Reinerz getrieben wurde, von dort wieder weg mußte, und direkt hierher fuhr; die Gräfin Pachta war zwanzig Meilen von hier auf einem Gute, und antwortete mir alſo nach Reinerz, nur als ich ſchon weg war: als ich die letzte Poſt von hier war, mit ganz Preußen, erfuhr ich, daß man hier kein Unterkommen fände, und ſah es auch ſchon unter- wegs. Ich ſchickte dem Grafen Bentheim einen Boten hier- her, und ſprach ihn um ſeinen Schutz an, — meine Seele hatte ſich ſchon längſt an dieſe Flucht denkend nur auf ihn verlaſſen —, er verlieh ihn mir ganz, und ich ſtieg bei einer Freundin von ihm ab. Dieſe beiden waren für mich wie Geſchwiſter. Alle alte Freunde nichts. Auch hier erlebte ich noch große Angſt, große Noth. Und die größten Evene-
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men. Grüßen Sie alles! Moritz muß mir mehr ſchreiben!
jede Zeile amüſirt mich, dann ſchreibe ich wieder und auch
amüſant. Ihre R. R. Frau von Sparre tauſend Schönes!
An Frau von Grotthuß, in Dresden.
Prag, den 2. Februar 1814.
Arme liebe theure Freundin! Und in welchem Zuſtand
traf dein Brief mich! Auch heute werde ich dir nur in den
kürzeſt abgebrochnen Perioden das Nothwendigſte ſchreiben.
Wiſſe alſo kurz! Ich bin nach tauſend Noth, Angſt, Krän-
kungen, Mühe und Sorgen, endlich den 9. Mai 1813.
aus Berlin dem Landſturm entflohn; ohne Schutz. Kam den
vierten Tag nach Breslau, wo ich vier Tage blieb, und von
dort nach Reinerz getrieben wurde, von dort wieder weg mußte,
und direkt hierher fuhr; die Gräfin Pachta war zwanzig
Meilen von hier auf einem Gute, und antwortete mir alſo
nach Reinerz, nur als ich ſchon weg war: als ich die letzte
Poſt von hier war, mit ganz Preußen, erfuhr ich, daß man
hier kein Unterkommen fände, und ſah es auch ſchon unter-
wegs. Ich ſchickte dem Grafen Bentheim einen Boten hier-
her, und ſprach ihn um ſeinen Schutz an, — meine Seele
hatte ſich ſchon längſt an dieſe Flucht denkend nur auf ihn
verlaſſen —, er verlieh ihn mir ganz, und ich ſtieg bei einer
Freundin von ihm ab. Dieſe beiden waren für mich wie
Geſchwiſter. Alle alte Freunde nichts. Auch hier erlebte
ich noch große Angſt, große Noth. Und die größten Evene-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/174>, abgerufen am 25.11.2024.
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