Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

so: aber definitiv ist nichts ausgemacht, nämlich abgeschlossen.
Ganz Sachsen bekommen wir nicht. Mir ist es lieb, wenn
es jetzt nicht geschieht, da doch -- und es ist auch mechanisch
genommen nicht gleich möglich zu machen -- in Deutschland
eine Menge Dinge im Gewirr bleiben werden, so würde man,
nähmen wir jetzt S., bei allen nur möglichen Widerwärtig-
keiten nach jeder Seite, uns nur die Schuld geben: ist es
wahr, daß S. und Pr. in Deutschland zusammen gehören
müssen, so wird sich das beim ersten Ereigniß doch ergeben.
Krieg hasse ich, und die Deutschen unter sich werden ihn auch
wohl nicht anfangen; weil das Gefühl zu sehr dagegen ist;
und sie nicht gern thätlich sind: d. h. schwer anfangen zu
stechen, morden, hauen. Aber es wird wohl bei andern Na-
tionen losbrechen, -- nicht so bald: dann nehmen wir Theil,
und entzweien uns mittelbar. So weit ist unser Land mei-
nes Bedünkens in der Einheit und Einigkeit gekommen. Durch
diese werden wir unter Eine Regierung kommen, anstatt daß
die andern zur Einigkeit durch die Einheit ihrer Regierung
gekommen sind. So denk' ich. So liegt die Sache: ma-
chen kann man wenig: die Natur der großen Dinge, als
Länder und Völker, ist an sich sittlich, wenn man ihr nach-
giebt. Also jetzt bleibt Friede. Theile es nur Moritz mit;
und die klügsten Leute behaupten, Österreich und Preußen
müssen gut bleiben. -- (Ich bin jetzt entsetzlich durch den rus-
sischen Obristen Nostitz gestört.) Läßt denn Ludwig nicht seine
fertigen Gesänge drucken? -- Gott! ich bin blau auf den
Backen vor Röthe und Echauffement, so haben mich Varnha-
gen und Nostitz gestört! Schrecklich! nicht eine Minute!!! --

ſo: aber definitiv iſt nichts ausgemacht, nämlich abgeſchloſſen.
Ganz Sachſen bekommen wir nicht. Mir iſt es lieb, wenn
es jetzt nicht geſchieht, da doch — und es iſt auch mechaniſch
genommen nicht gleich möglich zu machen — in Deutſchland
eine Menge Dinge im Gewirr bleiben werden, ſo würde man,
nähmen wir jetzt S., bei allen nur möglichen Widerwärtig-
keiten nach jeder Seite, uns nur die Schuld geben: iſt es
wahr, daß S. und Pr. in Deutſchland zuſammen gehören
müſſen, ſo wird ſich das beim erſten Ereigniß doch ergeben.
Krieg haſſe ich, und die Deutſchen unter ſich werden ihn auch
wohl nicht anfangen; weil das Gefühl zu ſehr dagegen iſt;
und ſie nicht gern thätlich ſind: d. h. ſchwer anfangen zu
ſtechen, morden, hauen. Aber es wird wohl bei andern Na-
tionen losbrechen, — nicht ſo bald: dann nehmen wir Theil,
und entzweien uns mittelbar. So weit iſt unſer Land mei-
nes Bedünkens in der Einheit und Einigkeit gekommen. Durch
dieſe werden wir unter Eine Regierung kommen, anſtatt daß
die andern zur Einigkeit durch die Einheit ihrer Regierung
gekommen ſind. So denk’ ich. So liegt die Sache: ma-
chen kann man wenig: die Natur der großen Dinge, als
Länder und Völker, iſt an ſich ſittlich, wenn man ihr nach-
giebt. Alſo jetzt bleibt Friede. Theile es nur Moritz mit;
und die klügſten Leute behaupten, Öſterreich und Preußen
müſſen gut bleiben. — (Ich bin jetzt entſetzlich durch den ruſ-
ſiſchen Obriſten Noſtitz geſtört.) Läßt denn Ludwig nicht ſeine
fertigen Geſänge drucken? — Gott! ich bin blau auf den
Backen vor Röthe und Echauffement, ſo haben mich Varnha-
gen und Noſtitz geſtört! Schrecklich! nicht eine Minute!!! —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0261" n="253"/>
&#x017F;o: aber definitiv i&#x017F;t nichts ausgemacht, nämlich abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Ganz Sach&#x017F;en bekommen wir nicht. <hi rendition="#g">Mir</hi> i&#x017F;t es lieb, wenn<lb/>
es jetzt nicht ge&#x017F;chieht, da doch &#x2014; und es i&#x017F;t auch mechani&#x017F;ch<lb/>
genommen nicht gleich möglich zu machen &#x2014; in Deut&#x017F;chland<lb/>
eine Menge Dinge im Gewirr bleiben werden, &#x017F;o würde man,<lb/>
nähmen wir jetzt S., bei allen nur möglichen Widerwärtig-<lb/>
keiten nach jeder Seite, uns nur die Schuld geben: i&#x017F;t es<lb/>
wahr, daß S. und Pr. in Deut&#x017F;chland zu&#x017F;ammen gehören<lb/>&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o wird &#x017F;ich das beim er&#x017F;ten Ereigniß doch ergeben.<lb/>
Krieg ha&#x017F;&#x017F;e ich, und die Deut&#x017F;chen unter &#x017F;ich werden ihn auch<lb/>
wohl nicht anfangen; weil das Gefühl zu &#x017F;ehr dagegen i&#x017F;t;<lb/>
und &#x017F;ie nicht gern thätlich &#x017F;ind: d. h. <hi rendition="#g">&#x017F;chwer</hi> anfangen zu<lb/>
&#x017F;techen, morden, hauen. Aber es wird wohl bei andern Na-<lb/>
tionen losbrechen, &#x2014; nicht &#x017F;o bald: dann nehmen wir Theil,<lb/>
und entzweien uns <hi rendition="#g">mittelbar. So</hi> weit i&#x017F;t un&#x017F;er Land mei-<lb/>
nes Bedünkens in der Einheit und Einigkeit gekommen. Durch<lb/>
die&#x017F;e werden wir unter Eine Regierung kommen, an&#x017F;tatt daß<lb/>
die andern zur Einigkeit durch die Einheit ihrer Regierung<lb/>
gekommen &#x017F;ind. So <hi rendition="#g">denk&#x2019; ich</hi>. So <hi rendition="#g">liegt</hi> die Sache: ma-<lb/>
chen kann man wenig: die Natur der <hi rendition="#g">großen</hi> Dinge, als<lb/>
Länder und Völker, i&#x017F;t <hi rendition="#g">an &#x017F;ich</hi> &#x017F;ittlich, wenn man ihr nach-<lb/>
giebt. Al&#x017F;o jetzt bleibt Friede. Theile es nur Moritz mit;<lb/>
und die klüg&#x017F;ten Leute behaupten, Ö&#x017F;terreich und Preußen<lb/>&#x017F;&#x017F;en gut bleiben. &#x2014; (Ich bin jetzt ent&#x017F;etzlich durch den ru&#x017F;-<lb/>
&#x017F;i&#x017F;chen Obri&#x017F;ten No&#x017F;titz ge&#x017F;tört.) Läßt denn Ludwig nicht &#x017F;eine<lb/>
fertigen Ge&#x017F;änge drucken? &#x2014; Gott! ich bin blau auf den<lb/>
Backen vor Röthe und Echauffement, &#x017F;o haben mich Varnha-<lb/>
gen und No&#x017F;titz ge&#x017F;tört! Schrecklich! nicht eine <hi rendition="#g">Minute</hi>!!! &#x2014;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[253/0261] ſo: aber definitiv iſt nichts ausgemacht, nämlich abgeſchloſſen. Ganz Sachſen bekommen wir nicht. Mir iſt es lieb, wenn es jetzt nicht geſchieht, da doch — und es iſt auch mechaniſch genommen nicht gleich möglich zu machen — in Deutſchland eine Menge Dinge im Gewirr bleiben werden, ſo würde man, nähmen wir jetzt S., bei allen nur möglichen Widerwärtig- keiten nach jeder Seite, uns nur die Schuld geben: iſt es wahr, daß S. und Pr. in Deutſchland zuſammen gehören müſſen, ſo wird ſich das beim erſten Ereigniß doch ergeben. Krieg haſſe ich, und die Deutſchen unter ſich werden ihn auch wohl nicht anfangen; weil das Gefühl zu ſehr dagegen iſt; und ſie nicht gern thätlich ſind: d. h. ſchwer anfangen zu ſtechen, morden, hauen. Aber es wird wohl bei andern Na- tionen losbrechen, — nicht ſo bald: dann nehmen wir Theil, und entzweien uns mittelbar. So weit iſt unſer Land mei- nes Bedünkens in der Einheit und Einigkeit gekommen. Durch dieſe werden wir unter Eine Regierung kommen, anſtatt daß die andern zur Einigkeit durch die Einheit ihrer Regierung gekommen ſind. So denk’ ich. So liegt die Sache: ma- chen kann man wenig: die Natur der großen Dinge, als Länder und Völker, iſt an ſich ſittlich, wenn man ihr nach- giebt. Alſo jetzt bleibt Friede. Theile es nur Moritz mit; und die klügſten Leute behaupten, Öſterreich und Preußen müſſen gut bleiben. — (Ich bin jetzt entſetzlich durch den ruſ- ſiſchen Obriſten Noſtitz geſtört.) Läßt denn Ludwig nicht ſeine fertigen Geſänge drucken? — Gott! ich bin blau auf den Backen vor Röthe und Echauffement, ſo haben mich Varnha- gen und Noſtitz geſtört! Schrecklich! nicht eine Minute!!! —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/261
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/261>, abgerufen am 21.11.2024.