dem Kourier, d. h. die Woche dreimal. Dein Brief hat mich sehr unterhalten: und vornehmlich die Aufzählung der Witzi- gen; und daß die Generale ausgehauen werden sollen, in Marmor! Heute habe ich nichts zu schreiben: Neues giebt es wieder nichts. -- Gestern war Sonntag, und ich bei Arn- steins, wo alle Menschen, außer Stägemann, Otterstedt und Varnhagen, der nicht mehr hin geht, waren. Viele Da- men, und alle Herren; ich amüsorr mich, weil man nur so viel sprach, und zu sprechen braucht, als man will, Leute sieht und hört, die nicht schreien und diskutiren, und sich in der Artigkeit halten, die wohlthut und mir durchaus nöthig ist; für Nervenleib, und Seelenüberdruß. Das Gegentheil macht mich ganz erliegen. Neben der Ephraim und einer Baro- nin Oertzen aus Mecklenburg saß ich, dann bei Frau von Arn- stein, und der Portugiesin de Castro. Ich fuhr mit Hedemann, der mich besuchen wollte, hin: und mit Bollmann, der mit mir zu Hause wollte, her. Auch habe ich, trotz allem Sträu- ben, vorgestern freundschaftlich bei Eskeles gespeist: da war es auch hübsch: wenig Menschen; der Dr. Buchholz aus Lü- beck mit seiner sehr hübschen Frau, Pilat, Carpani, ein Baron Kollenbach, ein stummer Komikus wenn er spricht; Eskeles: den ich sehr liebe, weil ihm seine Klugheit bis aus den Poren dringt, er ißt, er schweigt, er lacht klug: er sagt lauter Selbst- gedachtes, Originales. Ja! er amüsirt mich in gewissem Sinn hier besser, als alle andere Leute; weil er ganz altväterisch geblieben ist, mit geistigen Gaben, und ein reiches Leben über ihn weggegangen ist, welches er ganz nach seiner Art bearbei- tet hat, und lauter Originales davon ausgiebt, mit der aisance
dem Kourier, d. h. die Woche dreimal. Dein Brief hat mich ſehr unterhalten: und vornehmlich die Aufzählung der Witzi- gen; und daß die Generale ausgehauen werden ſollen, in Marmor! Heute habe ich nichts zu ſchreiben: Neues giebt es wieder nichts. — Geſtern war Sonntag, und ich bei Arn- ſteins, wo alle Menſchen, außer Stägemann, Otterſtedt und Varnhagen, der nicht mehr hin geht, waren. Viele Da- men, und alle Herren; ich amüſorr mich, weil man nur ſo viel ſprach, und zu ſprechen braucht, als man will, Leute ſieht und hört, die nicht ſchreien und diskutiren, und ſich in der Artigkeit halten, die wohlthut und mir durchaus nöthig iſt; für Nervenleib, und Seelenüberdruß. Das Gegentheil macht mich ganz erliegen. Neben der Ephraim und einer Baro- nin Oertzen aus Mecklenburg ſaß ich, dann bei Frau von Arn- ſtein, und der Portugieſin de Caſtro. Ich fuhr mit Hedemann, der mich beſuchen wollte, hin: und mit Bollmann, der mit mir zu Hauſe wollte, her. Auch habe ich, trotz allem Sträu- ben, vorgeſtern freundſchaftlich bei Eskeles geſpeiſt: da war es auch hübſch: wenig Menſchen; der Dr. Buchholz aus Lü- beck mit ſeiner ſehr hübſchen Frau, Pilat, Carpani, ein Baron Kollenbach, ein ſtummer Komikus wenn er ſpricht; Eskeles: den ich ſehr liebe, weil ihm ſeine Klugheit bis aus den Poren dringt, er ißt, er ſchweigt, er lacht klug: er ſagt lauter Selbſt- gedachtes, Originales. Ja! er amüſirt mich in gewiſſem Sinn hier beſſer, als alle andere Leute; weil er ganz altväteriſch geblieben iſt, mit geiſtigen Gaben, und ein reiches Leben über ihn weggegangen iſt, welches er ganz nach ſeiner Art bearbei- tet hat, und lauter Originales davon ausgiebt, mit der aisance
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dem Kourier, d. h. die Woche dreimal. Dein Brief hat mich
ſehr unterhalten: und vornehmlich die Aufzählung der Witzi-
gen; und daß die Generale ausgehauen werden ſollen, in
Marmor! Heute habe ich nichts zu ſchreiben: Neues giebt
es wieder nichts. — Geſtern war Sonntag, und ich bei Arn-
ſteins, wo alle Menſchen, außer Stägemann, Otterſtedt
und Varnhagen, der nicht mehr hin geht, waren. Viele Da-
men, und alle Herren; ich amüſorr mich, weil man nur ſo
viel ſprach, und zu ſprechen braucht, als man will, Leute ſieht
und hört, die nicht ſchreien und diskutiren, und ſich in der
Artigkeit halten, die wohlthut und mir durchaus nöthig iſt;
für Nervenleib, und Seelenüberdruß. Das Gegentheil macht
mich ganz erliegen. Neben der Ephraim und einer Baro-
nin Oertzen aus Mecklenburg ſaß ich, dann bei Frau von Arn-
ſtein, und der Portugieſin de Caſtro. Ich fuhr mit Hedemann,
der mich beſuchen wollte, hin: und mit Bollmann, der mit
mir zu Hauſe wollte, her. Auch habe ich, trotz allem Sträu-
ben, vorgeſtern freundſchaftlich bei Eskeles geſpeiſt: da war
es auch hübſch: wenig Menſchen; der Dr. Buchholz aus Lü-
beck mit ſeiner ſehr hübſchen Frau, Pilat, Carpani, ein Baron
Kollenbach, ein ſtummer Komikus wenn er ſpricht; Eskeles:
den ich ſehr liebe, weil ihm ſeine Klugheit bis aus den Poren
dringt, er ißt, er ſchweigt, er lacht klug: er ſagt lauter Selbſt-
gedachtes, Originales. Ja! er amüſirt mich in gewiſſem Sinn
hier beſſer, als alle andere Leute; weil er ganz altväteriſch
geblieben iſt, mit geiſtigen Gaben, und ein reiches Leben über
ihn weggegangen iſt, welches er ganz nach ſeiner Art bearbei-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/266>, abgerufen am 21.11.2024.
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