des gelebtesten Menschen auf gut alttestamentliche Weise. -- In die Komödie gehe ich nicht mehr. Heute kommt Auguste in Prag an, bleibt bis zum 10. Besorge ja alles!!! Erne- stinen habe ich ja geschrieben, und grüße sie. -- Ich weiß heute nichts Besonderes. Obgleich de Ligne bei den Vätern ist, so kann der Kongreß nicht aus dem Walzen in's Gehen kommen. Major von Hedemann wollte gestern wetten, in sechs Wochen seien sie zu Hause: aber ich glaube keinem Men- schen mehr: weil alle jetzt nichts wissen. -- Zerboni sah ich gestern; ein ausgearbeitetes Amtsgesicht; im Ganzen ein alt- berlinisch-kolonistischer thatreger Mann; in Sprache und al- lem: aber friedrichzweitisch. -- Noch Eins, Ohme! Schicke mir um Gottes willen mehr Thee. Hier ist keiner zu haben für Millionen, und mit einemmale ist der Kongreß doch aus! Ich schreibe alles auf, was du auslegst. Adieu! Ernestine! Sie haben Recht: keine Fete zu Hause! -- ohne Haushof- meister; setz' ich hinzu.
Wien, Sonnabend den 4. Februar 1815.
-- Von den Theatern hier sind nur die komischen gut. Gesang viel weiter als bei uns; schon weil er auf einem ganz andern Wege ist, und erlernt und beurtheilt wird. Die Adamberger so, eine rechte Aktrice (sie spielte Minna, Minna, sage Minna!), falschen Ton, falschen Scherz, falsche vornehme Haltung, und nicht ein bischen frisch, wel- ches ich wenigstens dachte. Einen Grüner haben sie hier mit der schönsten Stimme, dem gesammeltsten Furienwesen,
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des gelebteſten Menſchen auf gut altteſtamentliche Weiſe. — In die Komödie gehe ich nicht mehr. Heute kommt Auguſte in Prag an, bleibt bis zum 10. Beſorge ja alles!!! Erne- ſtinen habe ich ja geſchrieben, und grüße ſie. — Ich weiß heute nichts Beſonderes. Obgleich de Ligne bei den Vätern iſt, ſo kann der Kongreß nicht aus dem Walzen in’s Gehen kommen. Major von Hedemann wollte geſtern wetten, in ſechs Wochen ſeien ſie zu Hauſe: aber ich glaube keinem Men- ſchen mehr: weil alle jetzt nichts wiſſen. — Zerboni ſah ich geſtern; ein ausgearbeitetes Amtsgeſicht; im Ganzen ein alt- berliniſch-koloniſtiſcher thatreger Mann; in Sprache und al- lem: aber friedrichzweitiſch. — Noch Eins, Ohme! Schicke mir um Gottes willen mehr Thee. Hier iſt keiner zu haben für Millionen, und mit einemmale iſt der Kongreß doch aus! Ich ſchreibe alles auf, was du auslegſt. Adieu! Erneſtine! Sie haben Recht: keine Fête zu Hauſe! — ohne Haushof- meiſter; ſetz’ ich hinzu.
Wien, Sonnabend den 4. Februar 1815.
— Von den Theatern hier ſind nur die komiſchen gut. Geſang viel weiter als bei uns; ſchon weil er auf einem ganz andern Wege iſt, und erlernt und beurtheilt wird. Die Adamberger ſo, eine rechte Aktrice (ſie ſpielte Minna, Minna, ſage Minna!), falſchen Ton, falſchen Scherz, falſche vornehme Haltung, und nicht ein bischen friſch, wel- ches ich wenigſtens dachte. Einen Grüner haben ſie hier mit der ſchönſten Stimme, dem geſammeltſten Furienweſen,
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des gelebteſten Menſchen auf gut altteſtamentliche Weiſe. —
In die Komödie gehe ich nicht mehr. Heute kommt Auguſte
in Prag an, bleibt bis zum 10. Beſorge ja alles!!! Erne-
ſtinen habe ich ja geſchrieben, und grüße ſie. — Ich weiß
heute nichts Beſonderes. Obgleich de Ligne bei den Vätern
iſt, ſo kann der Kongreß nicht aus dem Walzen in’s Gehen
kommen. Major von Hedemann wollte geſtern wetten, in
ſechs Wochen ſeien ſie zu Hauſe: aber ich glaube keinem Men-
ſchen mehr: weil alle jetzt nichts wiſſen. — Zerboni ſah ich
geſtern; ein ausgearbeitetes Amtsgeſicht; im Ganzen ein alt-
berliniſch-koloniſtiſcher thatreger Mann; in Sprache und al-
lem: aber friedrichzweitiſch. — Noch Eins, Ohme! Schicke
mir um Gottes willen mehr Thee. Hier iſt keiner zu haben
für Millionen, und mit einemmale iſt der Kongreß doch aus!
Ich ſchreibe alles auf, was du auslegſt. Adieu! Erneſtine!
Sie haben Recht: keine Fête zu Hauſe! — ohne Haushof-
meiſter; ſetz’ ich hinzu.
Wien, Sonnabend den 4. Februar 1815.
— Von den Theatern hier ſind nur die komiſchen gut.
Geſang viel weiter als bei uns; ſchon weil er auf einem
ganz andern Wege iſt, und erlernt und beurtheilt wird. Die
Adamberger ſo, eine rechte Aktrice (ſie ſpielte Minna,
Minna, ſage Minna!), falſchen Ton, falſchen Scherz,
falſche vornehme Haltung, und nicht ein bischen friſch, wel-
ches ich wenigſtens dachte. Einen Grüner haben ſie hier
mit der ſchönſten Stimme, dem geſammeltſten Furienweſen,
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/267>, abgerufen am 21.11.2024.
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