Möritzken! du bist 'n ehrlicher Kerl! Gestern erhielt ich zwei Briefe von dir vom 6. und 8., heute ist Freitag und der 14. April: aber ich bin zu echauffirt nach Theodors Brief, den du auch lesen mußt, um dir auch zu schreiben. Ich danke dir, daß du mir den Schreck über den engländischen S. erspa- ren wolltest. Es ist der dritte Mensch, der an einer sich selbst eingetrichterten Meinung stirbt, von meinen Bekannten. Fin- kenstein aus Ärger über die Franzosen, aus denen er sich gar nichts machte. Prinz Louis im Kriege, aus dem er sich auch nichts machte; wie ihm der Haß gegen Napoleon unnatürlich war. Marwitz, der auch gar nicht acharnirt war, und mir es sagte. Das wird die Nachwelt nicht glauben, auch sehe ich Geschichte nicht dahin in's Gesichte, wo es die meisten setzen, da hat sie's nicht. Der Brief war mir sehr wichtig und unter- haltend. In dieser Zeit, aus Antwerpen. Wenn dich nur deine Laune nicht verläßt! schmeichle ihr ja! Ernestinen und Babetten danke ich! Ich liebe solche Details, Babettchen, wie Sie mir geben! wie können Sie mich gelehrt nennen? haben Sie denn den Fisch und den Salat schon vergessen, den wir mit Tieck in Eintracht verzehrten? bin ich nicht immer un- schuldig und gut gewesen? führe ich mich nicht wie ein Kind bei Josty auf? ist meine Chokolade nicht gut? warum schim- pfen Sie mich? was habt ihr denn für Hüte? ich noch mei- nen aus Berlin, außer einem von blauem Levantine, den
An Moritz Robert, in Berlin.
Wien, Freitag den 14. April 1815.
Möritzken! du biſt ’n ehrlicher Kerl! Geſtern erhielt ich zwei Briefe von dir vom 6. und 8., heute iſt Freitag und der 14. April: aber ich bin zu echauffirt nach Theodors Brief, den du auch leſen mußt, um dir auch zu ſchreiben. Ich danke dir, daß du mir den Schreck über den engländiſchen S. erſpa- ren wollteſt. Es iſt der dritte Menſch, der an einer ſich ſelbſt eingetrichterten Meinung ſtirbt, von meinen Bekannten. Fin- kenſtein aus Ärger über die Franzoſen, aus denen er ſich gar nichts machte. Prinz Louis im Kriege, aus dem er ſich auch nichts machte; wie ihm der Haß gegen Napoleon unnatürlich war. Marwitz, der auch gar nicht acharnirt war, und mir es ſagte. Das wird die Nachwelt nicht glauben, auch ſehe ich Geſchichte nicht dahin in’s Geſichte, wo es die meiſten ſetzen, da hat ſie’s nicht. Der Brief war mir ſehr wichtig und unter- haltend. In dieſer Zeit, aus Antwerpen. Wenn dich nur deine Laune nicht verläßt! ſchmeichle ihr ja! Erneſtinen und Babetten danke ich! Ich liebe ſolche Details, Babettchen, wie Sie mir geben! wie können Sie mich gelehrt nennen? haben Sie denn den Fiſch und den Salat ſchon vergeſſen, den wir mit Tieck in Eintracht verzehrten? bin ich nicht immer un- ſchuldig und gut geweſen? führe ich mich nicht wie ein Kind bei Joſty auf? iſt meine Chokolade nicht gut? warum ſchim- pfen Sie mich? was habt ihr denn für Hüte? ich noch mei- nen aus Berlin, außer einem von blauem Levantine, den
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An Moritz Robert, in Berlin.
Wien, Freitag den 14. April 1815.
Möritzken! du biſt ’n ehrlicher Kerl! Geſtern erhielt ich
zwei Briefe von dir vom 6. und 8., heute iſt Freitag und der
14. April: aber ich bin zu echauffirt nach Theodors Brief,
den du auch leſen mußt, um dir auch zu ſchreiben. Ich danke
dir, daß du mir den Schreck über den engländiſchen S. erſpa-
ren wollteſt. Es iſt der dritte Menſch, der an einer ſich ſelbſt
eingetrichterten Meinung ſtirbt, von meinen Bekannten. Fin-
kenſtein aus Ärger über die Franzoſen, aus denen er ſich gar
nichts machte. Prinz Louis im Kriege, aus dem er ſich auch
nichts machte; wie ihm der Haß gegen Napoleon unnatürlich
war. Marwitz, der auch gar nicht acharnirt war, und mir es
ſagte. Das wird die Nachwelt nicht glauben, auch ſehe ich
Geſchichte nicht dahin in’s Geſichte, wo es die meiſten ſetzen,
da hat ſie’s nicht. Der Brief war mir ſehr wichtig und unter-
haltend. In dieſer Zeit, aus Antwerpen. Wenn dich nur
deine Laune nicht verläßt! ſchmeichle ihr ja! Erneſtinen und
Babetten danke ich! Ich liebe ſolche Details, Babettchen, wie
Sie mir geben! wie können Sie mich gelehrt nennen? haben
Sie denn den Fiſch und den Salat ſchon vergeſſen, den wir
mit Tieck in Eintracht verzehrten? bin ich nicht immer un-
ſchuldig und gut geweſen? führe ich mich nicht wie ein Kind
bei Joſty auf? iſt meine Chokolade nicht gut? warum ſchim-
pfen Sie mich? was habt ihr denn für Hüte? ich noch mei-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/294>, abgerufen am 21.11.2024.
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