Ich bin nicht bettlägerig gewesen, und habe keinen ge- sunden Tag; nicht viel solche Stunden. Gehe manche Woche nicht aus (ein heilloses Wetter im Ganzen); sehe alle Tage einige Leute Abends; und bekomme mehr Visiten, als ich nur bestreiten mag und kann. Wohne ziemlich gut; recht be- quem: hinlänglich eingerichtet: aber sehr gering, sehr einfach; nur was wir bedürfen. Nichts was scheint; nicht einmal an den Dingen Zierrath oder Eleganz. Schlechter als es bei mir zu Hause war; zum Beispiel! Weil? -- ich ohne Sor- gen lebrn will; da ich sehr gut ohne Prahlerei leben kann. Wollte man, daß wir prahlten, so könnte man's befehlen, und bezahlen. V. ist sehr fleißig: und besucht den Hof, und die Orte, die er muß. Ich halte mich von allem soviel möglich zurück. Wir haben aber beiderseits unsere große Partisans; und auch ich; ich glaube, weil ich sie nicht, und nichts suche. Dies aber auch kommt sehr natürlich; ich kann mich nicht tummlen und placken, und in der weiten Welt suchen, was ich schon kenne, und habe: war zu lange Padrona um Klien- tin sein zu können: und so bleib' ich das erste, bei mir; und werde nach und nach, durch meinen bloßen Karakter, der mir natürlich ist, dafür anerkannt. Im Sommer kann ich eine Reise machen, welche ich will; ich bin auch zu Zeiten in Mann- heim; noch bis jetzt, die Messen in Frankfurt: wir haben auch manchen Besuch von diesen und andern Orten hier bei uns. Nach und nach gewöhne ich mich ein. Dies ist eine Folge meines großen Heimathsbedürfnisses, welches mich auch große herbe Schmerzen empfinden läßt. Ich kann, und konnte be- sonders, mein Zuhause, meinen Kreis von Bekannten, meine
Ich bin nicht bettlägerig geweſen, und habe keinen ge- ſunden Tag; nicht viel ſolche Stunden. Gehe manche Woche nicht aus (ein heilloſes Wetter im Ganzen); ſehe alle Tage einige Leute Abends; und bekomme mehr Viſiten, als ich nur beſtreiten mag und kann. Wohne ziemlich gut; recht be- quem: hinlänglich eingerichtet: aber ſehr gering, ſehr einfach; nur was wir bedürfen. Nichts was ſcheint; nicht einmal an den Dingen Zierrath oder Eleganz. Schlechter als es bei mir zu Hauſe war; zum Beiſpiel! Weil? — ich ohne Sor- gen lebrn will; da ich ſehr gut ohne Prahlerei leben kann. Wollte man, daß wir prahlten, ſo könnte man’s befehlen, und bezahlen. V. iſt ſehr fleißig: und beſucht den Hof, und die Orte, die er muß. Ich halte mich von allem ſoviel möglich zurück. Wir haben aber beiderſeits unſere große Partiſans; und auch ich; ich glaube, weil ich ſie nicht, und nichts ſuche. Dies aber auch kommt ſehr natürlich; ich kann mich nicht tummlen und placken, und in der weiten Welt ſuchen, was ich ſchon kenne, und habe: war zu lange Padrona um Klien- tin ſein zu können: und ſo bleib’ ich das erſte, bei mir; und werde nach und nach, durch meinen bloßen Karakter, der mir natürlich iſt, dafür anerkannt. Im Sommer kann ich eine Reiſe machen, welche ich will; ich bin auch zu Zeiten in Mann- heim; noch bis jetzt, die Meſſen in Frankfurt: wir haben auch manchen Beſuch von dieſen und andern Orten hier bei uns. Nach und nach gewöhne ich mich ein. Dies iſt eine Folge meines großen Heimathsbedürfniſſes, welches mich auch große herbe Schmerzen empfinden läßt. Ich kann, und konnte be- ſonders, mein Zuhauſe, meinen Kreis von Bekannten, meine
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Ich bin nicht bettlägerig geweſen, und habe keinen ge-
ſunden Tag; nicht viel ſolche Stunden. Gehe manche Woche
nicht aus (ein heilloſes Wetter im Ganzen); ſehe alle Tage
einige Leute Abends; und bekomme mehr Viſiten, als ich
nur beſtreiten mag und kann. Wohne ziemlich gut; recht be-
quem: hinlänglich eingerichtet: aber ſehr gering, ſehr einfach;
nur was wir bedürfen. Nichts was ſcheint; nicht einmal
an den Dingen Zierrath oder Eleganz. Schlechter als es bei
mir zu Hauſe war; zum Beiſpiel! Weil? — ich ohne Sor-
gen lebrn will; da ich ſehr gut ohne Prahlerei leben kann.
Wollte man, daß wir prahlten, ſo könnte man’s befehlen, und
bezahlen. V. iſt ſehr fleißig: und beſucht den Hof, und die
Orte, die er muß. Ich halte mich von allem ſoviel möglich
zurück. Wir haben aber beiderſeits unſere große Partiſans;
und auch ich; ich glaube, weil ich ſie nicht, und nichts ſuche.
Dies aber auch kommt ſehr natürlich; ich kann mich nicht
tummlen und placken, und in der weiten Welt ſuchen, was
ich ſchon kenne, und habe: war zu lange Padrona um Klien-
tin ſein zu können: und ſo bleib’ ich das erſte, bei mir; und
werde nach und nach, durch meinen bloßen Karakter, der mir
natürlich iſt, dafür anerkannt. Im Sommer kann ich eine
Reiſe machen, welche ich will; ich bin auch zu Zeiten in Mann-
heim; noch bis jetzt, die Meſſen in Frankfurt: wir haben auch
manchen Beſuch von dieſen und andern Orten hier bei uns.
Nach und nach gewöhne ich mich ein. Dies iſt eine Folge
meines großen Heimathsbedürfniſſes, welches mich auch große
herbe Schmerzen empfinden läßt. Ich kann, und konnte be-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/464>, abgerufen am 22.11.2024.
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