Rottecks Ideen über Landstände. Vorerinnerung. S. 4. "Die philosophische Theorie läßt alles Vorhandene auf seinem Werth oder Unwerth beruhen. Dasselbe mag als historisch Begründetes, überhaupt, als Gegebenes, seines besondern Rechtes sich erfreuen." Das Wort "historisch" schlägt keinen reinen bestimmten Ton im Ver- ständniß an, und wird daher jetzt besonders gemißbraucht. Alles Ereignete, was sich ereignete, ist nicht historisch. Was sich ereignet, dies gehört ganz gewiß mit zur allgemeinen, großen Entwickelung in der uns bekannten Natur, des Men- schen Geist und der Menschen Zustand mit eingerechnet; aber historisch ist nur das, was die weisesten Leute, Beobachter, Historiker, wie auf einem Faden aufgereiht uns darzustellen für würdig fanden, weil sie es in seinen Beziehungen auf Entwickelung nöthig hielten. Nöthig ist auch alles, was sich nur ergeben mag, für Wesen, die das Universum in seinen Bedürfnissen und Zwecken überschauen: für Menschen aber bleibt nur wenig historisch: und alle schlechten Einrichtungen, oder gute für schlechte Dinge, und Anstalten müssen abgetra- gen werden, zerstört, und sind, weil sie Schlechtes befördern wollen und nicht die bessern Ansprüche im Menschen, nur simple Ergebnisse, Ereignisse; und müssen nicht historisch Begründetes genannt werden; damit man es auch gleich an seinem Namen erkenne, und es Verwirrten keinen Anlaß gebe, in der Verwirrung mit ehrwürdigen Worten eingeengt zu bleiben.
Karlsruhe, den 13. Mai 1819.
Rottecks Ideen über Landſtände. Vorerinnerung. S. 4. „Die philoſophiſche Theorie läßt alles Vorhandene auf ſeinem Werth oder Unwerth beruhen. Daſſelbe mag als hiſtoriſch Begründetes, überhaupt, als Gegebenes, ſeines beſondern Rechtes ſich erfreuen.“ Das Wort „hiſtoriſch“ ſchlägt keinen reinen beſtimmten Ton im Ver- ſtändniß an, und wird daher jetzt beſonders gemißbraucht. Alles Ereignete, was ſich ereignete, iſt nicht hiſtoriſch. Was ſich ereignet, dies gehört ganz gewiß mit zur allgemeinen, großen Entwickelung in der uns bekannten Natur, des Men- ſchen Geiſt und der Menſchen Zuſtand mit eingerechnet; aber hiſtoriſch iſt nur das, was die weiſeſten Leute, Beobachter, Hiſtoriker, wie auf einem Faden aufgereiht uns darzuſtellen für würdig fanden, weil ſie es in ſeinen Beziehungen auf Entwickelung nöthig hielten. Nöthig iſt auch alles, was ſich nur ergeben mag, für Weſen, die das Univerſum in ſeinen Bedürfniſſen und Zwecken überſchauen: für Menſchen aber bleibt nur wenig hiſtoriſch: und alle ſchlechten Einrichtungen, oder gute für ſchlechte Dinge, und Anſtalten müſſen abgetra- gen werden, zerſtört, und ſind, weil ſie Schlechtes befördern wollen und nicht die beſſern Anſprüche im Menſchen, nur ſimple Ergebniſſe, Ereigniſſe; und müſſen nicht hiſtoriſch Begründetes genannt werden; damit man es auch gleich an ſeinem Namen erkenne, und es Verwirrten keinen Anlaß gebe, in der Verwirrung mit ehrwürdigen Worten eingeengt zu bleiben.
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Karlsruhe, den 13. Mai 1819.
Rottecks Ideen über Landſtände. Vorerinnerung.
S. 4. „Die philoſophiſche Theorie läßt alles Vorhandene
auf ſeinem Werth oder Unwerth beruhen. Daſſelbe mag als
hiſtoriſch Begründetes, überhaupt, als Gegebenes,
ſeines beſondern Rechtes ſich erfreuen.“ Das Wort
„hiſtoriſch“ ſchlägt keinen reinen beſtimmten Ton im Ver-
ſtändniß an, und wird daher jetzt beſonders gemißbraucht.
Alles Ereignete, was ſich ereignete, iſt nicht hiſtoriſch. Was
ſich ereignet, dies gehört ganz gewiß mit zur allgemeinen,
großen Entwickelung in der uns bekannten Natur, des Men-
ſchen Geiſt und der Menſchen Zuſtand mit eingerechnet; aber
hiſtoriſch iſt nur das, was die weiſeſten Leute, Beobachter,
Hiſtoriker, wie auf einem Faden aufgereiht uns darzuſtellen
für würdig fanden, weil ſie es in ſeinen Beziehungen auf
Entwickelung nöthig hielten. Nöthig iſt auch alles, was ſich
nur ergeben mag, für Weſen, die das Univerſum in ſeinen
Bedürfniſſen und Zwecken überſchauen: für Menſchen aber
bleibt nur wenig hiſtoriſch: und alle ſchlechten Einrichtungen,
oder gute für ſchlechte Dinge, und Anſtalten müſſen abgetra-
gen werden, zerſtört, und ſind, weil ſie Schlechtes befördern
wollen und nicht die beſſern Anſprüche im Menſchen, nur
ſimple Ergebniſſe, Ereigniſſe; und müſſen nicht hiſtoriſch
Begründetes genannt werden; damit man es auch gleich
an ſeinem Namen erkenne, und es Verwirrten keinen Anlaß
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/581>, abgerufen am 22.11.2024.
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