Wesen sein, von dem wir, der Natur der Verehrung nach, nichts verlangen. Was wäre er sonst?
Den 17. December 1824.
Es wird fast unglaublich, wenn man Belmonte und Kon- stanze hört, daß es nicht an einem südlichen Meeresufer und üppigen Aufenthalt komponirt sein sollte! So durchaus herrscht nur ein und dieselbe Eingebung und Stimmung darin, die auf solche Lokalität bezogen sein wollen. Diese haben so mächtig gewirkt, und gleichsam eine organische Geburt zur Welt gefördert, daß auch Mozart die wenigsten Mittel zur Ausführung dieses Werks vor allen seinen andern gebraucht hat. Vollsaftig, möchte man sagen, fließt ihm eine gleichsam von Sonne gereifte üppige Sprache der Musik zu! Hitze, Liebe, das Wälzen in Pracht und Müssigkeit, Luxus, Zorn, Sklavenwohlsein, Wasserfahrt, orientalische Hofunterwerfung, Wetter, Freude, Liebesstandhaftigkeit, die Ironie darüber, ein ganzes Wühlen von Leben auf einen gewöhnlichen Text, er- schuf sich in dem Dichter, und ohne seine, ohne unsere An- strengung theilt er uns dies freudige Werk mit, sein einge- bungsvollstes; Muster von Heiterkeit, weil sie voller Leben ohne Suchen danach ist. Nach den vielen durch Mozart hergekommenen Nachahmungen eine wahre Erholung noch obenein! --
An
Weſen ſein, von dem wir, der Natur der Verehrung nach, nichts verlangen. Was wäre er ſonſt?
Den 17. December 1824.
Es wird faſt unglaublich, wenn man Belmonte und Kon- ſtanze hört, daß es nicht an einem ſüdlichen Meeresufer und üppigen Aufenthalt komponirt ſein ſollte! So durchaus herrſcht nur ein und dieſelbe Eingebung und Stimmung darin, die auf ſolche Lokalität bezogen ſein wollen. Dieſe haben ſo mächtig gewirkt, und gleichſam eine organiſche Geburt zur Welt gefördert, daß auch Mozart die wenigſten Mittel zur Ausführung dieſes Werks vor allen ſeinen andern gebraucht hat. Vollſaftig, möchte man ſagen, fließt ihm eine gleichſam von Sonne gereifte üppige Sprache der Muſik zu! Hitze, Liebe, das Wälzen in Pracht und Müſſigkeit, Luxus, Zorn, Sklavenwohlſein, Waſſerfahrt, orientaliſche Hofunterwerfung, Wetter, Freude, Liebesſtandhaftigkeit, die Ironie darüber, ein ganzes Wühlen von Leben auf einen gewöhnlichen Text, er- ſchuf ſich in dem Dichter, und ohne ſeine, ohne unſere An- ſtrengung theilt er uns dies freudige Werk mit, ſein einge- bungsvollſtes; Muſter von Heiterkeit, weil ſie voller Leben ohne Suchen danach iſt. Nach den vielen durch Mozart hergekommenen Nachahmungen eine wahre Erholung noch obenein! —
An
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Weſen ſein, von dem wir, der Natur der Verehrung nach,
nichts verlangen. Was wäre er ſonſt?
Den 17. December 1824.
Es wird faſt unglaublich, wenn man Belmonte und Kon-
ſtanze hört, daß es nicht an einem ſüdlichen Meeresufer und
üppigen Aufenthalt komponirt ſein ſollte! So durchaus herrſcht
nur ein und dieſelbe Eingebung und Stimmung darin, die
auf ſolche Lokalität bezogen ſein wollen. Dieſe haben ſo
mächtig gewirkt, und gleichſam eine organiſche Geburt zur
Welt gefördert, daß auch Mozart die wenigſten Mittel zur
Ausführung dieſes Werks vor allen ſeinen andern gebraucht
hat. Vollſaftig, möchte man ſagen, fließt ihm eine gleichſam
von Sonne gereifte üppige Sprache der Muſik zu! Hitze,
Liebe, das Wälzen in Pracht und Müſſigkeit, Luxus, Zorn,
Sklavenwohlſein, Waſſerfahrt, orientaliſche Hofunterwerfung,
Wetter, Freude, Liebesſtandhaftigkeit, die Ironie darüber, ein
ganzes Wühlen von Leben auf einen gewöhnlichen Text, er-
ſchuf ſich in dem Dichter, und ohne ſeine, ohne unſere An-
ſtrengung theilt er uns dies freudige Werk mit, ſein einge-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/184>, abgerufen am 24.11.2024.
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