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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

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erinnerte mich jetzt nur daran! Sind Sie wohl solchem un-
abweisbaren Wahnsinn unterworfen? Bei dieser Gelegenheit
muß ich Ihnen auch noch sagen, daß ich überhaupt als Re-
sultat, und letzten Punkt aller Anweisung meiner Untersuchung,
endlich und immer nur gefunden, daß all unser -- meines
gewiß -- Suchen nur ein Wiederfinden ist von dem, was
wir schon wußten, waren, hatten. (Hier sind zwei Kinder
gekommen mich zu stören: ich liebe sie zu sehr: sie sind herr-
lich.) Ich nehme mit Saint-Martin an, oder vielmehr, mir
ist einleuchtend: "daß wir einen entsetzlichen Fall thaten bis
auf die Erde, die uns aufnahm; von dem wir uns aber gar
nicht erholen, von dessen Zertrümmerung und Zerschmetterung
wir uns nicht wieder zusammenfinden können: aber es sollen."
Ein Sündenfall ist es bei mir aber doch nicht: ein Emanci-
pirungsfall vielmehr: wie auch das Kosten vom Baume der
Erkenntniß. Schrecklich! und alle Tage zu wiederholen. Ist
ein Kind nicht unschuldig, wenn es etwas wissen will?
Nur Unschuld darf gefordert werden: Heiligkeit ist glücklicher.
Aber heilig ist nur Gott: darum unerreichbar; enthoben.
Manchmal weiß ich einen Augenblick, was heilig ist:
dann wieder nicht. Das, was gar nicht unheilig werden
kann; ich habe schon ein paarmal ein Wissen, ein momenta-
nes, ein Gefühl darüber gehabt, als wär' ich für eine Sekunde
dahin geschwungen worden. So viel von dem Esel: möchte
ich sagen, wenn es nicht zu Jean-Paulisch wäre: und doch
weiß ich -- wie er -- keine andre Wendung hier zu finden
in der Geschwindigkeit. Wir beiden, er und ich, pfleg' ich zu
behaupten, können nicht schreiben. Von Peter Vischer bin

erinnerte mich jetzt nur daran! Sind Sie wohl ſolchem un-
abweisbaren Wahnſinn unterworfen? Bei dieſer Gelegenheit
muß ich Ihnen auch noch ſagen, daß ich überhaupt als Re-
ſultat, und letzten Punkt aller Anweiſung meiner Unterſuchung,
endlich und immer nur gefunden, daß all unſer — meines
gewiß — Suchen nur ein Wiederfinden iſt von dem, was
wir ſchon wußten, waren, hatten. (Hier ſind zwei Kinder
gekommen mich zu ſtören: ich liebe ſie zu ſehr: ſie ſind herr-
lich.) Ich nehme mit Saint-Martin an, oder vielmehr, mir
iſt einleuchtend: „daß wir einen entſetzlichen Fall thaten bis
auf die Erde, die uns aufnahm; von dem wir uns aber gar
nicht erholen, von deſſen Zertrümmerung und Zerſchmetterung
wir uns nicht wieder zuſammenfinden können: aber es ſollen.“
Ein Sündenfall iſt es bei mir aber doch nicht: ein Emanci-
pirungsfall vielmehr: wie auch das Koſten vom Baume der
Erkenntniß. Schrecklich! und alle Tage zu wiederholen. Iſt
ein Kind nicht unſchuldig, wenn es etwas wiſſen will?
Nur Unſchuld darf gefordert werden: Heiligkeit iſt glücklicher.
Aber heilig iſt nur Gott: darum unerreichbar; enthoben.
Manchmal weiß ich einen Augenblick, was heilig iſt:
dann wieder nicht. Das, was gar nicht unheilig werden
kann; ich habe ſchon ein paarmal ein Wiſſen, ein momenta-
nes, ein Gefühl darüber gehabt, als wär’ ich für eine Sekunde
dahin geſchwungen worden. So viel von dem Eſel: möchte
ich ſagen, wenn es nicht zu Jean-Pauliſch wäre: und doch
weiß ich — wie er — keine andre Wendung hier zu finden
in der Geſchwindigkeit. Wir beiden, er und ich, pfleg’ ich zu
behaupten, können nicht ſchreiben. Von Peter Viſcher bin

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[231/0239] erinnerte mich jetzt nur daran! Sind Sie wohl ſolchem un- abweisbaren Wahnſinn unterworfen? Bei dieſer Gelegenheit muß ich Ihnen auch noch ſagen, daß ich überhaupt als Re- ſultat, und letzten Punkt aller Anweiſung meiner Unterſuchung, endlich und immer nur gefunden, daß all unſer — meines gewiß — Suchen nur ein Wiederfinden iſt von dem, was wir ſchon wußten, waren, hatten. (Hier ſind zwei Kinder gekommen mich zu ſtören: ich liebe ſie zu ſehr: ſie ſind herr- lich.) Ich nehme mit Saint-Martin an, oder vielmehr, mir iſt einleuchtend: „daß wir einen entſetzlichen Fall thaten bis auf die Erde, die uns aufnahm; von dem wir uns aber gar nicht erholen, von deſſen Zertrümmerung und Zerſchmetterung wir uns nicht wieder zuſammenfinden können: aber es ſollen.“ Ein Sündenfall iſt es bei mir aber doch nicht: ein Emanci- pirungsfall vielmehr: wie auch das Koſten vom Baume der Erkenntniß. Schrecklich! und alle Tage zu wiederholen. Iſt ein Kind nicht unſchuldig, wenn es etwas wiſſen will? Nur Unſchuld darf gefordert werden: Heiligkeit iſt glücklicher. Aber heilig iſt nur Gott: darum unerreichbar; enthoben. Manchmal weiß ich einen Augenblick, was heilig iſt: dann wieder nicht. Das, was gar nicht unheilig werden kann; ich habe ſchon ein paarmal ein Wiſſen, ein momenta- nes, ein Gefühl darüber gehabt, als wär’ ich für eine Sekunde dahin geſchwungen worden. So viel von dem Eſel: möchte ich ſagen, wenn es nicht zu Jean-Pauliſch wäre: und doch weiß ich — wie er — keine andre Wendung hier zu finden in der Geſchwindigkeit. Wir beiden, er und ich, pfleg’ ich zu behaupten, können nicht ſchreiben. Von Peter Viſcher bin

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/239>, abgerufen am 24.11.2024.