zog sein Jagdmesser und fing es mit Beson- nenheit und Geistesgegenwart auf. Während dessen war der alte Herr aufgestanden, nä- herte sich dem Reisenden, und ergoß sich in Danksagungen und Lob wegen seines Muthes und seiner Geschicklichkeit. Dieser lehnte mit Anstand beydes von sich ab, erkundigte sich freundlich, ob der Gefallne keinen Schaden ge- nommen, und da dieser mit Nein antwor- tete, wandte er sich nach seinem Schimmel, der noch ruhig da stand, wo er ihn gelas- sen. Der Mann wunderte sich über die De- muth eines sonst so muthig aussehenden Pfer- des. -- "So eiferfüchtig ich sonst auch bin, nichts von meinem Gefährten sagen zu lassen, als was zu seinem Lobe gereicht, erwiederte der Reisende, so muß ich dennoch gestehen, daß er diesesmal gezwungen ist, tugendhaft zu seyn; das gute Thier ist erschöpft von Müdigkeit. Führt der Weg, auf dem ich hier vorbey kam, ganz durch den Wald, und wo führt er hin?" -- Er hatte sich während
zog ſein Jagdmeſſer und fing es mit Beſon- nenheit und Geiſtesgegenwart auf. Waͤhrend deſſen war der alte Herr aufgeſtanden, naͤ- herte ſich dem Reiſenden, und ergoß ſich in Dankſagungen und Lob wegen ſeines Muthes und ſeiner Geſchicklichkeit. Dieſer lehnte mit Anſtand beydes von ſich ab, erkundigte ſich freundlich, ob der Gefallne keinen Schaden ge- nommen, und da dieſer mit Nein antwor- tete, wandte er ſich nach ſeinem Schimmel, der noch ruhig da ſtand, wo er ihn gelaſ- ſen. Der Mann wunderte ſich uͤber die De- muth eines ſonſt ſo muthig ausſehenden Pfer- des. — „So eiferfuͤchtig ich ſonſt auch bin, nichts von meinem Gefaͤhrten ſagen zu laſſen, als was zu ſeinem Lobe gereicht, erwiederte der Reiſende, ſo muß ich dennoch geſtehen, daß er dieſesmal gezwungen iſt, tugendhaft zu ſeyn; das gute Thier iſt erſchoͤpft von Muͤdigkeit. Fuͤhrt der Weg, auf dem ich hier vorbey kam, ganz durch den Wald, und wo fuͤhrt er hin?‟ — Er hatte ſich waͤhrend
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0018"n="10"/>
zog ſein Jagdmeſſer und fing es mit Beſon-<lb/>
nenheit und Geiſtesgegenwart auf. Waͤhrend<lb/>
deſſen war der alte Herr aufgeſtanden, naͤ-<lb/>
herte ſich dem Reiſenden, und ergoß ſich in<lb/>
Dankſagungen und Lob wegen ſeines Muthes<lb/>
und ſeiner Geſchicklichkeit. Dieſer lehnte mit<lb/>
Anſtand beydes von ſich ab, erkundigte ſich<lb/>
freundlich, ob der Gefallne keinen Schaden ge-<lb/>
nommen, und da dieſer mit Nein antwor-<lb/>
tete, wandte er ſich nach ſeinem Schimmel,<lb/>
der noch ruhig da ſtand, wo er ihn gelaſ-<lb/>ſen. Der Mann wunderte ſich uͤber die De-<lb/>
muth eines ſonſt ſo muthig ausſehenden Pfer-<lb/>
des. —„So eiferfuͤchtig ich ſonſt auch bin,<lb/>
nichts von meinem Gefaͤhrten ſagen zu laſſen,<lb/>
als was zu ſeinem Lobe gereicht, erwiederte<lb/>
der Reiſende, ſo muß ich dennoch geſtehen,<lb/>
daß er dieſesmal gezwungen iſt, tugendhaft<lb/>
zu ſeyn; das gute Thier iſt erſchoͤpft von<lb/>
Muͤdigkeit. Fuͤhrt der Weg, auf dem ich<lb/>
hier vorbey kam, ganz durch den Wald, und<lb/>
wo fuͤhrt er hin?‟— Er hatte ſich waͤhrend<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[10/0018]
zog ſein Jagdmeſſer und fing es mit Beſon-
nenheit und Geiſtesgegenwart auf. Waͤhrend
deſſen war der alte Herr aufgeſtanden, naͤ-
herte ſich dem Reiſenden, und ergoß ſich in
Dankſagungen und Lob wegen ſeines Muthes
und ſeiner Geſchicklichkeit. Dieſer lehnte mit
Anſtand beydes von ſich ab, erkundigte ſich
freundlich, ob der Gefallne keinen Schaden ge-
nommen, und da dieſer mit Nein antwor-
tete, wandte er ſich nach ſeinem Schimmel,
der noch ruhig da ſtand, wo er ihn gelaſ-
ſen. Der Mann wunderte ſich uͤber die De-
muth eines ſonſt ſo muthig ausſehenden Pfer-
des. — „So eiferfuͤchtig ich ſonſt auch bin,
nichts von meinem Gefaͤhrten ſagen zu laſſen,
als was zu ſeinem Lobe gereicht, erwiederte
der Reiſende, ſo muß ich dennoch geſtehen,
daß er dieſesmal gezwungen iſt, tugendhaft
zu ſeyn; das gute Thier iſt erſchoͤpft von
Muͤdigkeit. Fuͤhrt der Weg, auf dem ich
hier vorbey kam, ganz durch den Wald, und
wo fuͤhrt er hin?‟ — Er hatte ſich waͤhrend
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/18>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.