griff hinaus zu gehen, als Eduard hereintrat, und in Julianens Namen den Müller und seine Frau ersuchte, die Nacht mit den beyden Herren durchzuwachen, sie selbst wollte versu- chen zu schlafen, sie wäre aber so ängstlich, daß sie gewiß nicht würde schlafen können, wenn nicht alles im Hause wachte. Sie ließ die Frau bitten, bey ihr im Zimmer zu bleiben, und den Müller, ja so bald der Tag anbräche, je- mand aufs Schloß zu schicken. Die Müllerin ging sogleich zu ihr, und der brave Mann war eben so willig, den Befehlen der jungen Gräfin zu gehorchen.
Florentin bemerkte etwas ungewöhnlich hef- tiges und leidenschaftliches an seinem Freunde. Er ließ sich in kein Gespräch mit hineinziehen, gab zerstreute oder gar keine Antwort, und ging hastig, und mit ungleichen Schritten in der Stube auf und ab. Florentin glaubte sogar in seinen Augen Spuren von vergoßnen Thränen wahrzunehmen. Diese Aeußerungen waren bey dem sonst sanften stillen Eduard etwas befrem- dend, doch beunruhigten sie seinen Freund nicht
griff hinaus zu gehen, als Eduard hereintrat, und in Julianens Namen den Muͤller und ſeine Frau erſuchte, die Nacht mit den beyden Herren durchzuwachen, ſie ſelbſt wollte verſu- chen zu ſchlafen, ſie waͤre aber ſo aͤngſtlich, daß ſie gewiß nicht wuͤrde ſchlafen koͤnnen, wenn nicht alles im Hauſe wachte. Sie ließ die Frau bitten, bey ihr im Zimmer zu bleiben, und den Muͤller, ja ſo bald der Tag anbraͤche, je- mand aufs Schloß zu ſchicken. Die Muͤllerin ging ſogleich zu ihr, und der brave Mann war eben ſo willig, den Befehlen der jungen Graͤfin zu gehorchen.
Florentin bemerkte etwas ungewoͤhnlich hef- tiges und leidenſchaftliches an ſeinem Freunde. Er ließ ſich in kein Geſpraͤch mit hineinziehen, gab zerſtreute oder gar keine Antwort, und ging haſtig, und mit ungleichen Schritten in der Stube auf und ab. Florentin glaubte ſogar in ſeinen Augen Spuren von vergoßnen Thraͤnen wahrzunehmen. Dieſe Aeußerungen waren bey dem ſonſt ſanften ſtillen Eduard etwas befrem- dend, doch beunruhigten ſie ſeinen Freund nicht
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griff hinaus zu gehen, als Eduard hereintrat,
und in Julianens Namen den Muͤller und
ſeine Frau erſuchte, die Nacht mit den beyden
Herren durchzuwachen, ſie ſelbſt wollte verſu-
chen zu ſchlafen, ſie waͤre aber ſo aͤngſtlich, daß
ſie gewiß nicht wuͤrde ſchlafen koͤnnen, wenn
nicht alles im Hauſe wachte. Sie ließ die Frau
bitten, bey ihr im Zimmer zu bleiben, und
den Muͤller, ja ſo bald der Tag anbraͤche, je-
mand aufs Schloß zu ſchicken. Die Muͤllerin
ging ſogleich zu ihr, und der brave Mann war
eben ſo willig, den Befehlen der jungen Graͤfin
zu gehorchen.
Florentin bemerkte etwas ungewoͤhnlich hef-
tiges und leidenſchaftliches an ſeinem Freunde.
Er ließ ſich in kein Geſpraͤch mit hineinziehen,
gab zerſtreute oder gar keine Antwort, und ging
haſtig, und mit ungleichen Schritten in der
Stube auf und ab. Florentin glaubte ſogar in
ſeinen Augen Spuren von vergoßnen Thraͤnen
wahrzunehmen. Dieſe Aeußerungen waren bey
dem ſonſt ſanften ſtillen Eduard etwas befrem-
dend, doch beunruhigten ſie ſeinen Freund nicht
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/231>, abgerufen am 21.11.2024.
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