Sie, der Tag bricht an, fuhr sie fort, nun dächte ich, während unser guter Herr Wirth Anstalten trifft, daß der Bote auf's Schloß geht, und die Frau Müllerin uns noch ein Frühstück bereitet, so singen Sie etwas, Flo- rentin! Jch kann nicht verhehlen, ich bin vol- ler Unruhe und Ungeduld, Musik wird am ersten fähig seyn, diese zu täuschen.
Der Müller und seine Frau gingen hinaus, um zu thun, was sie verlangt hatte. Nun fangen Sie an, sagte Juliane, die Guitarre werden Sie nicht brauchen können, sie hat wahrscheinlich sehr von der Nässe gelitten. -- Es thut nicht viel, sagte Florentin, sie wird noch immer gut genug seyn, Tact und Tonart ungefähr drauf zu bemerken, mehr braucht es nicht. Doch was verlangen Sie für ein Lied? -- Singen Sie, was Sie wollen, nur etwas neues und kluges! -- Nach einem kurzen Besinnen sang er folgende Strophen:
Mein Lied, was kann es neues euch verkünden? Und welche Weisheit, Freunde, fordert ihr?
Sie, der Tag bricht an, fuhr ſie fort, nun daͤchte ich, waͤhrend unſer guter Herr Wirth Anſtalten trifft, daß der Bote auf’s Schloß geht, und die Frau Muͤllerin uns noch ein Fruͤhſtuͤck bereitet, ſo ſingen Sie etwas, Flo- rentin! Jch kann nicht verhehlen, ich bin vol- ler Unruhe und Ungeduld, Muſik wird am erſten faͤhig ſeyn, dieſe zu taͤuſchen.
Der Muͤller und ſeine Frau gingen hinaus, um zu thun, was ſie verlangt hatte. Nun fangen Sie an, ſagte Juliane, die Guitarre werden Sie nicht brauchen koͤnnen, ſie hat wahrſcheinlich ſehr von der Naͤſſe gelitten. — Es thut nicht viel, ſagte Florentin, ſie wird noch immer gut genug ſeyn, Tact und Tonart ungefaͤhr drauf zu bemerken, mehr braucht es nicht. Doch was verlangen Sie fuͤr ein Lied? — Singen Sie, was Sie wollen, nur etwas neues und kluges! — Nach einem kurzen Beſinnen ſang er folgende Strophen:
Mein Lied, was kann es neues euch verkuͤnden? Und welche Weisheit, Freunde, fordert ihr?
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Sie, der Tag bricht an, fuhr ſie fort, nun
daͤchte ich, waͤhrend unſer guter Herr Wirth
Anſtalten trifft, daß der Bote auf’s Schloß
geht, und die Frau Muͤllerin uns noch ein
Fruͤhſtuͤck bereitet, ſo ſingen Sie etwas, Flo-
rentin! Jch kann nicht verhehlen, ich bin vol-
ler Unruhe und Ungeduld, Muſik wird am
erſten faͤhig ſeyn, dieſe zu taͤuſchen.
Der Muͤller und ſeine Frau gingen hinaus,
um zu thun, was ſie verlangt hatte. Nun
fangen Sie an, ſagte Juliane, die Guitarre
werden Sie nicht brauchen koͤnnen, ſie hat
wahrſcheinlich ſehr von der Naͤſſe gelitten. —
Es thut nicht viel, ſagte Florentin, ſie wird
noch immer gut genug ſeyn, Tact und Tonart
ungefaͤhr drauf zu bemerken, mehr braucht es
nicht. Doch was verlangen Sie fuͤr ein Lied?
— Singen Sie, was Sie wollen, nur etwas
neues und kluges! — Nach einem kurzen
Beſinnen ſang er folgende Strophen:
Mein Lied, was kann es neues euch verkuͤnden?
Und welche Weisheit, Freunde, fordert ihr?
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/259>, abgerufen am 24.11.2024.
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