Falle für die Gedanken der Menschen? ... Es ist aber ungesittet, wenn ich gehe ... es ist aber unwürdig, wenn ich bleibe. Eduard! wirst Du mich verstehen? wirst Du Dein schwankendes, zweifelndes Gemüth bald beru- higen können? ... Wie hat sich aber auch die Scene verändert! Wie sind die lieblichen Farben der Morgenröthe hingeschwunden, und haben dem lärmenden Tage Platz gemacht! Wie werden vom schweren Geschütz der Kon- ventionen Deine zarten Freuden zertrümmert, göttliche Liebe! Alles ist zerstört! Julianens holde Gestalt durch ein Gewicht angefesselt, verzerrt; das eigne, schöne, bewegliche Le- ben von versteinertem Krystall umstarrt. Eduard! was will der blasse Mondschimmer der heimlichen Kränkung auf Deinem Ge- sicht, worauf der Sonnenschein der glücklichen Liebe onst glänzte? O es ist wahr, daß Frie- de und Freude bald entfliehen, wo ich ver- weile. Fort will ich, fort muß ich! Alles wird bald gut werden für Dich, Eduard. Nur der Verbannte wird oft seine Arme um-
Falle fuͤr die Gedanken der Menſchen? … Es iſt aber ungeſittet, wenn ich gehe … es iſt aber unwuͤrdig, wenn ich bleibe. Eduard! wirſt Du mich verſtehen? wirſt Du Dein ſchwankendes, zweifelndes Gemuͤth bald beru- higen koͤnnen? … Wie hat ſich aber auch die Scene veraͤndert! Wie ſind die lieblichen Farben der Morgenroͤthe hingeſchwunden, und haben dem laͤrmenden Tage Platz gemacht! Wie werden vom ſchweren Geſchuͤtz der Kon- ventionen Deine zarten Freuden zertruͤmmert, goͤttliche Liebe! Alles iſt zerſtoͤrt! Julianens holde Geſtalt durch ein Gewicht angefeſſelt, verzerrt; das eigne, ſchoͤne, bewegliche Le- ben von verſteinertem Kryſtall umſtarrt. Eduard! was will der blaſſe Mondſchimmer der heimlichen Kraͤnkung auf Deinem Ge- ſicht, worauf der Sonnenſchein der gluͤcklichen Liebe onſt glaͤnzte? O es iſt wahr, daß Frie- de und Freude bald entfliehen, wo ich ver- weile. Fort will ich, fort muß ich! Alles wird bald gut werden fuͤr Dich, Eduard. Nur der Verbannte wird oft ſeine Arme um-
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Falle fuͤr die Gedanken der Menſchen? …
Es iſt aber ungeſittet, wenn ich gehe … es
iſt aber unwuͤrdig, wenn ich bleibe. Eduard!
wirſt Du mich verſtehen? wirſt Du Dein
ſchwankendes, zweifelndes Gemuͤth bald beru-
higen koͤnnen? … Wie hat ſich aber auch
die Scene veraͤndert! Wie ſind die lieblichen
Farben der Morgenroͤthe hingeſchwunden, und
haben dem laͤrmenden Tage Platz gemacht!
Wie werden vom ſchweren Geſchuͤtz der Kon-
ventionen Deine zarten Freuden zertruͤmmert,
goͤttliche Liebe! Alles iſt zerſtoͤrt! Julianens
holde Geſtalt durch ein Gewicht angefeſſelt,
verzerrt; das eigne, ſchoͤne, bewegliche Le-
ben von verſteinertem Kryſtall umſtarrt.
Eduard! was will der blaſſe Mondſchimmer
der heimlichen Kraͤnkung auf Deinem Ge-
ſicht, worauf der Sonnenſchein der gluͤcklichen
Liebe onſt glaͤnzte? O es iſt wahr, daß Frie-
de und Freude bald entfliehen, wo ich ver-
weile. Fort will ich, fort muß ich! Alles
wird bald gut werden fuͤr Dich, Eduard.
Nur der Verbannte wird oft ſeine Arme um-
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/317>, abgerufen am 22.11.2024.
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