Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.Vorrede. nossen trübt sich das Bild dieser Thätigkeit. Denn nurzu leicht gewinnt es den Anschein, als würde eben nur ein buntes Durcheinander von Altem und Neuem ge- wonnen, und die Nothwendigkeit, die falschen oder ausschliessenden Lehren der Neueren mehr, als die der Alten zu bekämpfen, erzeugt den Eindruck einer mehr revolutionären, als reformatorischen Einwirkung. Es ist freilich bequemer, sich auf die Forschung und die Wiedergabe des Gefundenen zu beschränken und An- deren die "Verwerthung" zu überlassen, aber die Er- fahrung lehrt, dass dies überaus gefährlich ist und zu- letzt nur denjenigen zum Vortheil ausschlägt, deren Gewissen am wenigsten zartfühlend ist. Uebernehmen wir daher jeder selbst die Vermittelung zwischen der Erfahrung und der Lehre. Die Vorlesungen, welche ich hier mit der Absicht Möge man daher das Gegebene für nicht mehr Vorrede. nossen trübt sich das Bild dieser Thätigkeit. Denn nurzu leicht gewinnt es den Anschein, als würde eben nur ein buntes Durcheinander von Altem und Neuem ge- wonnen, und die Nothwendigkeit, die falschen oder ausschliessenden Lehren der Neueren mehr, als die der Alten zu bekämpfen, erzeugt den Eindruck einer mehr revolutionären, als reformatorischen Einwirkung. Es ist freilich bequemer, sich auf die Forschung und die Wiedergabe des Gefundenen zu beschränken und An- deren die „Verwerthung“ zu überlassen, aber die Er- fahrung lehrt, dass dies überaus gefährlich ist und zu- letzt nur denjenigen zum Vortheil ausschlägt, deren Gewissen am wenigsten zartfühlend ist. Uebernehmen wir daher jeder selbst die Vermittelung zwischen der Erfahrung und der Lehre. Die Vorlesungen, welche ich hier mit der Absicht Möge man daher das Gegebene für nicht mehr <TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0015" n="IX"/><fw place="top" type="header">Vorrede.</fw><lb/> nossen trübt sich das Bild dieser Thätigkeit. Denn nur<lb/> zu leicht gewinnt es den Anschein, als würde eben nur<lb/> ein buntes Durcheinander von Altem und Neuem ge-<lb/> wonnen, und die Nothwendigkeit, die falschen oder<lb/> ausschliessenden Lehren der Neueren mehr, als die der<lb/> Alten zu bekämpfen, erzeugt den Eindruck einer mehr<lb/> revolutionären, als reformatorischen Einwirkung. Es<lb/> ist freilich bequemer, sich auf die Forschung und die<lb/> Wiedergabe des Gefundenen zu beschränken und An-<lb/> deren die „Verwerthung“ zu überlassen, aber die Er-<lb/> fahrung lehrt, dass dies überaus gefährlich ist und zu-<lb/> letzt nur denjenigen zum Vortheil ausschlägt, deren<lb/> Gewissen am wenigsten zartfühlend ist. Uebernehmen<lb/> wir daher jeder selbst die Vermittelung zwischen der<lb/> Erfahrung und der Lehre.</p><lb/> <p>Die Vorlesungen, welche ich hier mit der Absicht<lb/> einer solchen Vermittelung veröffentliche, haben so<lb/> ausdauernde Zuhörer gefunden, dass sie vielleicht auch<lb/> nachsichtige Leser erwarten dürfen. Wie sehr sie der<lb/> Nachsicht bedürfen, fühle ich selbst sehr lebhaft. Jede<lb/> Art von freiem Vortrage kann nur dem wirklichen Zu-<lb/> hörer genügen. Zumal dann, wenn der Vortrag wesent-<lb/> lich darauf berechnet ist, als Erläuterung für Tafel-<lb/> Zeichnungen und Demonstrationen zu dienen, muss er<lb/> nothwendig dem Leser ungleichmässig und lückenhaft<lb/> erscheinen. Die Absicht, eine gedrängte Uebersicht<lb/> zu liefern, schliesst an sich eine speciellere, durch aus-<lb/> reichende Citate unterstützte Beweisführung mehr oder<lb/> weniger aus und die Person des Vortragenden wird<lb/> mehr in den Vordergrund treten, da er die Aufgabe<lb/> hat, gerade seinen Standpunkt deutlich zu machen.</p><lb/> <p>Möge man daher das Gegebene für nicht mehr<lb/> nehmen, als es sein soll. Diejenigen, welche Musse<lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [IX/0015]
Vorrede.
nossen trübt sich das Bild dieser Thätigkeit. Denn nur
zu leicht gewinnt es den Anschein, als würde eben nur
ein buntes Durcheinander von Altem und Neuem ge-
wonnen, und die Nothwendigkeit, die falschen oder
ausschliessenden Lehren der Neueren mehr, als die der
Alten zu bekämpfen, erzeugt den Eindruck einer mehr
revolutionären, als reformatorischen Einwirkung. Es
ist freilich bequemer, sich auf die Forschung und die
Wiedergabe des Gefundenen zu beschränken und An-
deren die „Verwerthung“ zu überlassen, aber die Er-
fahrung lehrt, dass dies überaus gefährlich ist und zu-
letzt nur denjenigen zum Vortheil ausschlägt, deren
Gewissen am wenigsten zartfühlend ist. Uebernehmen
wir daher jeder selbst die Vermittelung zwischen der
Erfahrung und der Lehre.
Die Vorlesungen, welche ich hier mit der Absicht
einer solchen Vermittelung veröffentliche, haben so
ausdauernde Zuhörer gefunden, dass sie vielleicht auch
nachsichtige Leser erwarten dürfen. Wie sehr sie der
Nachsicht bedürfen, fühle ich selbst sehr lebhaft. Jede
Art von freiem Vortrage kann nur dem wirklichen Zu-
hörer genügen. Zumal dann, wenn der Vortrag wesent-
lich darauf berechnet ist, als Erläuterung für Tafel-
Zeichnungen und Demonstrationen zu dienen, muss er
nothwendig dem Leser ungleichmässig und lückenhaft
erscheinen. Die Absicht, eine gedrängte Uebersicht
zu liefern, schliesst an sich eine speciellere, durch aus-
reichende Citate unterstützte Beweisführung mehr oder
weniger aus und die Person des Vortragenden wird
mehr in den Vordergrund treten, da er die Aufgabe
hat, gerade seinen Standpunkt deutlich zu machen.
Möge man daher das Gegebene für nicht mehr
nehmen, als es sein soll. Diejenigen, welche Musse
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