Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.
schieden ist. Die Haut verhärtet sich schaalthierartig, der Kopf ist mit §. 294. Die Insecten sind es zuerst, welche d n thierischen Grundtypus (§. 285) Mit der ausgebildetsten Klasse der Glieder- oder Ringelthiere, den
ſchieden iſt. Die Haut verhärtet ſich ſchaalthierartig, der Kopf iſt mit §. 294. Die Inſecten ſind es zuerſt, welche d n thieriſchen Grundtypus (§. 285) Mit der ausgebildetſten Klaſſe der Glieder- oder Ringelthiere, den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0134" n="122"/> ſchieden iſt. Die Haut verhärtet ſich ſchaalthierartig, der Kopf iſt mit<lb/> dem ausgebildeten Bruſtſtück Eines und ſcheidet ſich nur von dem dünnen<lb/> ſchwanzförmigen Bauche in der zweiten Klaſſe, der der <hi rendition="#g">Krebſe</hi>. Auf jedem<lb/> Fiſchmarkte kann man ſehen, wie eckelhaft die krebsartigen Thiere mit<lb/> noch weniger verhärteter Haut, die Meerläuſe und ſolches Geziefer ſind.<lb/> Dagegen erſcheint nun der Krebs (und die Krabbe) mit ſeinem Panzer<lb/> und ſeinen Scheeren, ſeinen zum Theil ſchönen Farben, ſeinen wunderlichen<lb/> Bewegungen als ein leidlich komiſches kleines Raubthier. Die Haut<lb/> erweicht ſich wieder, die ganze Geſtalt verkleinert ſich, das Thier tritt<lb/> auf’s Land über, um ſich bald als geflügeltes Inſect in die Luft zu erheben,<lb/> in der widerlichen <hi rendition="#g">Spinne</hi>. Hieher gehört die läſtige Milbe und Zecke.<lb/> Was die eigentlichen Spinnen betrifft, ſo iſt es nur das kunſtreiche Netz,<lb/> das zu anziehender Betrachtung einlädt; die Geſtalt iſt durch den Sack<lb/> des Bauches mit den dünnen Füßen, zum Theil durch die haarigen Aus-<lb/> wüchſe durchaus unſchön, und weil man einmal den Giftbiß der Tarantel,<lb/> den Stich des Skorpions kennt, ſo trägt man, durch dieſe allgemeine Häß-<lb/> lichkeit veranlaßt, unwillkührlich auf alle die Vorſtellung des Giftigen über.</hi> </p> </div><lb/> <div n="5"> <head>§. 294.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Die Inſecten ſind es zuerſt, welche d n thieriſchen Grundtypus (§. 285)<lb/> durchgängig darſtellen, aber durch Trennung der Hauptſyſteme des innern Baues<lb/> in drei dürftig zuſammenhängende Theile mit abſtehenden dünnen Fühl- und<lb/> Bewegungsorganen erſcheint in ihnen die Vielheit ſo ſehr auf Koſten der Einheit<lb/> ausgebildet, daß ſie das Gefühl entſchieden abſtoßen würden, wenn nicht Farben-<lb/> pracht bei vielen die Häßlichkeit der Form überglänzen würde. Mit ihnen<lb/> erhebt ſich die Gruppe der wirbelloſen Thiere aus dem Waſſer in die Luft; ſo<lb/> ſehr aber der Flug einen Charakter der Leichtigkeit und die bei dieſen Thieren<lb/> auffallend hervortretende Metamorphoſe zu höheren Vergleichungen Anlaß gibt,<lb/> ſo erinnert doch immer die überwiegende Dicke des Leibs an die vorherrſchend<lb/> vegetabiliſche Beſtimmung. Uebrigens tritt nun bereits der techniſche und geſellige<lb/> Inſtinct, die leidenſchaftliche Erregbarkeit und theilweiſe ſchon die Liſt in merk-<lb/> würdiger Weiſe hervor und würde den Mangel der Geſtalt durch das An-<lb/> ziehende der Thätigkeit ergänzen, wenn nicht jene zu den übrigen Mängeln<lb/> überhaupt zu klein wäre; daher ſie nur durch Maſſe theils als allgemeine<lb/> Belebung der Luft erfreulich, theils als Plage furchtbar werden.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Mit der ausgebildetſten Klaſſe der Glieder- oder Ringelthiere, den<lb/> eigentlichen Inſecten entläßt der Naturgeiſt das niedere Waſſerthier zuerſt<lb/> entſchieden an die Luft, die verworrene Geſtalt reift im Reize des Lichts<lb/> zu einer einfacheren, klar und ſchneidend getheilten Form mit reduzirter<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [122/0134]
ſchieden iſt. Die Haut verhärtet ſich ſchaalthierartig, der Kopf iſt mit
dem ausgebildeten Bruſtſtück Eines und ſcheidet ſich nur von dem dünnen
ſchwanzförmigen Bauche in der zweiten Klaſſe, der der Krebſe. Auf jedem
Fiſchmarkte kann man ſehen, wie eckelhaft die krebsartigen Thiere mit
noch weniger verhärteter Haut, die Meerläuſe und ſolches Geziefer ſind.
Dagegen erſcheint nun der Krebs (und die Krabbe) mit ſeinem Panzer
und ſeinen Scheeren, ſeinen zum Theil ſchönen Farben, ſeinen wunderlichen
Bewegungen als ein leidlich komiſches kleines Raubthier. Die Haut
erweicht ſich wieder, die ganze Geſtalt verkleinert ſich, das Thier tritt
auf’s Land über, um ſich bald als geflügeltes Inſect in die Luft zu erheben,
in der widerlichen Spinne. Hieher gehört die läſtige Milbe und Zecke.
Was die eigentlichen Spinnen betrifft, ſo iſt es nur das kunſtreiche Netz,
das zu anziehender Betrachtung einlädt; die Geſtalt iſt durch den Sack
des Bauches mit den dünnen Füßen, zum Theil durch die haarigen Aus-
wüchſe durchaus unſchön, und weil man einmal den Giftbiß der Tarantel,
den Stich des Skorpions kennt, ſo trägt man, durch dieſe allgemeine Häß-
lichkeit veranlaßt, unwillkührlich auf alle die Vorſtellung des Giftigen über.
§. 294.
Die Inſecten ſind es zuerſt, welche d n thieriſchen Grundtypus (§. 285)
durchgängig darſtellen, aber durch Trennung der Hauptſyſteme des innern Baues
in drei dürftig zuſammenhängende Theile mit abſtehenden dünnen Fühl- und
Bewegungsorganen erſcheint in ihnen die Vielheit ſo ſehr auf Koſten der Einheit
ausgebildet, daß ſie das Gefühl entſchieden abſtoßen würden, wenn nicht Farben-
pracht bei vielen die Häßlichkeit der Form überglänzen würde. Mit ihnen
erhebt ſich die Gruppe der wirbelloſen Thiere aus dem Waſſer in die Luft; ſo
ſehr aber der Flug einen Charakter der Leichtigkeit und die bei dieſen Thieren
auffallend hervortretende Metamorphoſe zu höheren Vergleichungen Anlaß gibt,
ſo erinnert doch immer die überwiegende Dicke des Leibs an die vorherrſchend
vegetabiliſche Beſtimmung. Uebrigens tritt nun bereits der techniſche und geſellige
Inſtinct, die leidenſchaftliche Erregbarkeit und theilweiſe ſchon die Liſt in merk-
würdiger Weiſe hervor und würde den Mangel der Geſtalt durch das An-
ziehende der Thätigkeit ergänzen, wenn nicht jene zu den übrigen Mängeln
überhaupt zu klein wäre; daher ſie nur durch Maſſe theils als allgemeine
Belebung der Luft erfreulich, theils als Plage furchtbar werden.
Mit der ausgebildetſten Klaſſe der Glieder- oder Ringelthiere, den
eigentlichen Inſecten entläßt der Naturgeiſt das niedere Waſſerthier zuerſt
entſchieden an die Luft, die verworrene Geſtalt reift im Reize des Lichts
zu einer einfacheren, klar und ſchneidend getheilten Form mit reduzirter
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