Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.nothwendig zur Unmittelbarkeit des Seins sich erschließt. Wenn ich alle nothwendig zur Unmittelbarkeit des Seins ſich erſchließt. Wenn ich alle <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p> <pb facs="#f0016" n="4"/> <hi rendition="#et">nothwendig zur Unmittelbarkeit des Seins ſich erſchließt. Wenn ich alle<lb/> Momente durchwandelt habe, welche der Begriff in ſeiner Allgemeinheit<lb/> enthält, wenn ich jedes in das andere dialektiſch aufgelöst habe, ſo habe<lb/> ich das Ganze als dieſes Einfache, worin Gegenſatz und Vermittlung<lb/> erloſchen iſt, als das unmittelbare, aber erfüllt unmittelbare Sein. Es<lb/> liegt hierin zweierlei. Das Eine iſt, daß die Wiſſenſchaft von dem<lb/> abſtracten Begriffe zu ſeiner Realität eher nicht übergehen <hi rendition="#g">kann</hi>, als<lb/> bis ſie alle Momente durchlaufen hat, welche den Begriff conſtituiren.<lb/> Soll auch nur ein Stein exiſtiren können, ſo iſt die ganze Natur und<lb/> mit ihr die Welt des Geiſtes, denn ſie iſt ſeine Grund- und Widerlage,<lb/> vorausgeſetzt. Es müßen alſo alle Gegenſätze und Mächte, welche in<lb/> ihrer unendlichen Bewegung und Thätigkeit die Welt bilden, erſt in ihrer<lb/> Allgemeinheit gedacht ſein, ehe ich auch nur die unterſte Exiſtenz in ihrer<lb/> Realität denken kann, denn auch ſie iſt eine Concretion von Beſtimmungen,<lb/> welche mit dem Inbegriffe der Weltbeſtimmungen ein untheilbares Ganzes<lb/> bilden. Auf die beſondere Sphäre, welche hier vorliegt, das Schöne,<lb/> angewandt, lautet dieß ſo: wo irgend Schönes wirklich iſt, da iſt auch<lb/> Erhabenes und Komiſches in allen Begriffs-Unterſchieden, welche dieſe<lb/> Gegenſätze, ſo wie das einfach Schöne in ſich ſchließen; auch die geringſte<lb/> Exiſtenz des Schönen iſt eine geſchloſſene Einheit von Beſtimmungen,<lb/> welche alle übrigen Beſtimmungen des Schönen in ſich begreifen, fordern,<lb/> ſetzen; ich kann alſo früher von keiner Wirklichkeit des Schönen reden,<lb/> als bis ich die Totalität der im Begriffe des Schönen liegenden Momente<lb/> entwickelt habe. Das Andere, was in dieſem Uebergange liegt, iſt dieß:<lb/> wenn ſo der allgemeine Begriff durch ſeine Momente verfolgt, wenn er<lb/> mit ihrer Totalität erfüllt und geſättigt iſt, ſo <hi rendition="#g">kann</hi> nicht nur zu ſeiner<lb/> Realität übergegangen werden, ſondern es <hi rendition="#g">iſt</hi> ſchon dazu übergegangen,<lb/> man iſt bei ihr ſchon angekommen, ſie iſt ſchon da. Dieß iſt die Deſtruction<lb/> der Metaphyſik durch Metaphyſik, von welcher zu §. 232 die Rede war.<lb/> Sobald man fordert, daß zwiſchen die reale Welt und die Begriffswelt<lb/> ein Drittes eingeſchoben werde, um den Uebergang begreiflich zu machen,<lb/> wie der Begriff eines Abfalls, einer Emanation, einer Schöpfung, ſo<lb/> ſetzt man voraus, daß Denken und Sein ein abſoluter Gegenſatz ſei:<lb/> ein Standpunkt, welcher zuerſt ſelbſt ſein angemaßtes Recht zu beweiſen<lb/> hätte und deſſen Schein die wahrhaft philoſophiſche Metaphyſik ſich viel-<lb/> mehr frei erzeugt, um ihn aufzuheben. Die Philoſophie als Metaphyſik<lb/> beſchäftigt ſich nicht mit Anderem, als was in der Welt real iſt, ſie faßt<lb/> es nur in ſeiner reinen Allgemeinheit; ſie unterſucht, was den Dingen<lb/> gemeinſam iſt und wenn ſie das Gemeinſame begriffen hat, ſo ſteht ſie<lb/> ſchon mitten in ihnen ſelbſt. Durch die beſtimmten Gattungen und Arten<lb/> der Dinge ſcheint auf den erſten Blick etwas Neues und Anderes zu<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [4/0016]
nothwendig zur Unmittelbarkeit des Seins ſich erſchließt. Wenn ich alle
Momente durchwandelt habe, welche der Begriff in ſeiner Allgemeinheit
enthält, wenn ich jedes in das andere dialektiſch aufgelöst habe, ſo habe
ich das Ganze als dieſes Einfache, worin Gegenſatz und Vermittlung
erloſchen iſt, als das unmittelbare, aber erfüllt unmittelbare Sein. Es
liegt hierin zweierlei. Das Eine iſt, daß die Wiſſenſchaft von dem
abſtracten Begriffe zu ſeiner Realität eher nicht übergehen kann, als
bis ſie alle Momente durchlaufen hat, welche den Begriff conſtituiren.
Soll auch nur ein Stein exiſtiren können, ſo iſt die ganze Natur und
mit ihr die Welt des Geiſtes, denn ſie iſt ſeine Grund- und Widerlage,
vorausgeſetzt. Es müßen alſo alle Gegenſätze und Mächte, welche in
ihrer unendlichen Bewegung und Thätigkeit die Welt bilden, erſt in ihrer
Allgemeinheit gedacht ſein, ehe ich auch nur die unterſte Exiſtenz in ihrer
Realität denken kann, denn auch ſie iſt eine Concretion von Beſtimmungen,
welche mit dem Inbegriffe der Weltbeſtimmungen ein untheilbares Ganzes
bilden. Auf die beſondere Sphäre, welche hier vorliegt, das Schöne,
angewandt, lautet dieß ſo: wo irgend Schönes wirklich iſt, da iſt auch
Erhabenes und Komiſches in allen Begriffs-Unterſchieden, welche dieſe
Gegenſätze, ſo wie das einfach Schöne in ſich ſchließen; auch die geringſte
Exiſtenz des Schönen iſt eine geſchloſſene Einheit von Beſtimmungen,
welche alle übrigen Beſtimmungen des Schönen in ſich begreifen, fordern,
ſetzen; ich kann alſo früher von keiner Wirklichkeit des Schönen reden,
als bis ich die Totalität der im Begriffe des Schönen liegenden Momente
entwickelt habe. Das Andere, was in dieſem Uebergange liegt, iſt dieß:
wenn ſo der allgemeine Begriff durch ſeine Momente verfolgt, wenn er
mit ihrer Totalität erfüllt und geſättigt iſt, ſo kann nicht nur zu ſeiner
Realität übergegangen werden, ſondern es iſt ſchon dazu übergegangen,
man iſt bei ihr ſchon angekommen, ſie iſt ſchon da. Dieß iſt die Deſtruction
der Metaphyſik durch Metaphyſik, von welcher zu §. 232 die Rede war.
Sobald man fordert, daß zwiſchen die reale Welt und die Begriffswelt
ein Drittes eingeſchoben werde, um den Uebergang begreiflich zu machen,
wie der Begriff eines Abfalls, einer Emanation, einer Schöpfung, ſo
ſetzt man voraus, daß Denken und Sein ein abſoluter Gegenſatz ſei:
ein Standpunkt, welcher zuerſt ſelbſt ſein angemaßtes Recht zu beweiſen
hätte und deſſen Schein die wahrhaft philoſophiſche Metaphyſik ſich viel-
mehr frei erzeugt, um ihn aufzuheben. Die Philoſophie als Metaphyſik
beſchäftigt ſich nicht mit Anderem, als was in der Welt real iſt, ſie faßt
es nur in ſeiner reinen Allgemeinheit; ſie unterſucht, was den Dingen
gemeinſam iſt und wenn ſie das Gemeinſame begriffen hat, ſo ſteht ſie
ſchon mitten in ihnen ſelbſt. Durch die beſtimmten Gattungen und Arten
der Dinge ſcheint auf den erſten Blick etwas Neues und Anderes zu
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